Rechtsanwalt Dr. Ulrich Dieckert im Interview
Wie sich aus Erhebungen ergibt, sind mittlerweile fast alle Wohnungen in deutschen Mehrfamilienhäusern mit den gesetzlich vorgeschriebenen Rauchwarnmeldern ausgestattet. Auch genießen diese bei den Bewohnern eine hohe Akzeptanz, weil sie vor Gefahren für Leib und Leben schützen und das Sicherheitsgefühl insgesamt verbessern. Was leider noch nicht so gut funktioniert, ist der dauerhaft zuverlässige Betrieb der Geräte. Nach einer Befragung musste fast jeder fünfte Nutzer bereits eine oder mehrere Störungen durch einen Servicetechniker beheben lassen. Gut zwei Drittel dieser Störungen wurden innerhalb von vier Wochen behoben, bei knapp einem Drittel hat es aber deutlich länger gedauert.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wer eigentlich in der Haftung steht, wenn sich in diesem Zeitraum aufgrund des Nichtfunktionierens eines Rauchwarnmelders Gefahren für Leib und Leben der Bewohner ergeben? Wir haben hierzu Herrn Rechtsanwalt Dr. Ulrich Dieckert befragt, der sich auf das Recht der Sicherheitstechnik spezialisiert hat und für die Wohnungswirtschaft beratend tätig ist.
Herr Dr. Dieckert, wer ist nach dem Recht für die ordnungsgemäße Inspektion und Wartung von Rauchwarnmeldern verantwortlich?
Dr. Ulrich Dieckert: Die Pflicht zur Ausstattung von Wohnungen mit Rauchwarnmeldern obliegt nach dem Bauordnungsrecht dem Bauherrn beziehungsweise Eigentümer. Die Sicherstellung der Betriebsbereitschaft wird hingegen nach den meisten Landesbauordnungen den unmittelbaren Besitzern – also Mietern und sonstigen Nutzungsberechtigten – zugewiesen, es sei denn, der Eigentümer übernimmt diese Verpflichtung selbst. Nach herrschender Meinung widerspricht diese Pflichtenübertragung im Bauordnungsrecht aber den vorrangigen Instandhaltungsverpflichtungen des Eigentümers aus dem Mietrecht, sodass grundsätzlich der Eigentümer auch für die Sicherstellung der Betriebsbereitschaft verantwortlich ist. Denn das Bauordnungsrecht richtet sich an die Erbauer und Eigentümer von Gebäuden, nicht aber an deren Bewohner und entfaltet für diese insofern auch keine unmittelbaren Rechtswirkungen. Vielmehr ist der Eigentümer in seiner Rolle als Vermieter nach Paragraf 535 Absatz 1 BGB verpflichtet, die Wohnung in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten. Diese Instandhaltungsverpflichtung schließt die Aufrechterhaltung der Betriebsbereitschaft von Rauchwarnmeldern mit ein.
Kann der Vermieter diese Instandhaltungsverpflichtungen auf seine Mieter übertragen?
Das ist in der Tat möglich. Eine wirksame Übertragung auf Mieter setzt jedoch voraus, dass dies ausdrücklich im Mietvertrag geregelt ist – eine einseitige Übertragung geht also nicht! – und dass der Mieter hinreichend über die von ihm durchzuführenden technischen Maßnahmen aufgeklärt wird. Das kann etwa durch die Überlassung von Bedienungsanleitungen geschehen, in denen die einzuhaltenden Inspektionsintervalle und das Verhalten bei Störungen genau beschrieben sind. Ist diese Aufklärung unzureichend oder wird die Einhaltung der Verpflichtungen vom Vermieter nicht regelmäßig kontrolliert, verbleibt die Haftung letztlich bei ihm.
Was gilt, wenn der Nutzer die übertragenen Pflichten aufgrund von psychischen oder physischen Beeinträchtigungen nicht übernehmen kann? Was, wenn die Aufklärung aufgrund von Fremdsprachigkeit nicht wirksam erfolgen beziehungsweise dokumentiert werden kann?
Noch einmal: Wenn im Mietvertrag keine Wartungspflicht des Mieters vereinbart ist, kann ihm der Vermieter dies nicht ohne dessen Einverständnis nachträglich auferlegen. Aber selbst bei einer Zustimmung des Mieters ist die Pflichtenübertragung haftungsrechtlich unwirksam, wenn für den Vermieter ersichtlich ist, dass der Mieter nicht zu einer ordnungsgemäßen Durchführung der Instandhaltungsmaßnahmen in der Lage ist – zum Beispiel aufgrund von erkennbaren psychischen oder physischen Einschränkungen – oder wenn er vom Vermieter nicht hinreichend über seine Pflichten aufgeklärt wird.
Und wie sieht es mit der Inspektion und Wartung durch externe Dienstleister aus?
Bei größeren Wohnungsunternehmen und Wohnungseigentümergemeinschaften hat sich mittlerweile eingebürgert, sowohl den Einbau von Rauchwarnmeldern als auch deren Inspektion und Wartung auf externe Dienstleister zu übertragen. Häufig handelt es sich dabei um Unternehmen, welche ohnehin im Hause tätig sind, weil sie dort den Verbrauch von Wasser, Wärme oder Strom an den dort befindlichen Zählern ablesen. Das ist auch grundsätzlich in Ordnung, wenn diese Unternehmen die ihnen obliegenden Pflichten sorgfältig erfüllen. Damit ist der Eigentümer jedoch haftungsrechtlich nicht aus dem Schneider. Da es sich bei den Dienstleistern rechtlich um „Erfüllungsgehilfen“ bei der Ausführung der dem Mieter gegenüber obliegenden vertraglichen Verpflichtungen handelt, muss der Eigentümer für deren Fehler gemäß Paragraf 278 BGB voll einstehen. Gleiches gilt in Bezug auf Schäden, die der Gehilfe im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit schuldhaft anrichtet – Paragraf 831 BGB – , soweit der Vermieter ihn nicht sorgfältig ausgesucht, angeleitet und erforderlichenfalls kontrolliert hat.
Was heißt das für den Fall, dass schon mehrfach Melder ausgefallen sind? Oder wenn es schon häufiger viel zu lange gedauert hat, bis fehlerhafte Melder ausgetauscht wurden?
Wenn der Vermieter davon weiß, muss er dem Dienstleister „Beine machen“ oder ihm bei wiederholtem Fehlverhalten sogar kündigen. Denn in solchen Fällen gilt für den Vermieter eine erhöhte Kontroll- und Handlungspflicht, wenn er einer Haftung entgehen will. Bloße Rückmeldungen bei den Mietern nach dem Motto: „… wir haben Ihre Meldung erhalten und melden uns kurzfristig …“, oder „… bitte hängen Sie in der Zwischenzeit selbst einen Melder auf …“ reichen keineswegs. Denn es zählt nicht, was der Vermieter sagt, sondern nur, was er konkret tut!
Kann auch dann eine umgehende Behebung von Fehlern als verpflichtend angesehen werden, wenn freiwillig öfter als einmal jährlich geprüft wird – beispielsweise bei Auslesung über Smart Meter Gateway?
Es ist ganz egal, ob die Prüfung einmal pro Jahr oder in kürzeren Intervallen geschieht: In jedem Fall besteht eine Pflicht zum sofortigen Handeln, wenn eine Fehlfunktion festgestellt wird!
Was heißt das konkret für den Fall, dass Störungen zu spät abgestellt werden und es in der Zwischenzeit zu Personenschäden kommt?
Lassen Sie mich Folgendes voranstellen: Es ist absolut inakzeptabel, wenn eine Störungsbeseitigung länger als eine Woche dauert! Insofern bin ich über das Ergebnis der vorliegenden Studie schockiert. In Anbetracht der Tatsache, dass es hier um Leib und Leben der Bewohner geht, müssen solche Störungen innerhalb weniger Tage beseitigt werden. Wer das als verantwortlicher Wohnungseigentümer nicht sicherstellen kann, steht in der vollen Haftung, wenn Bewohner aufgrund nicht funktionierender Rauchwarnmelder zu Schaden kommen. Das gilt im Übrigen auch für die Vorstände von Genossenschaften und für WEG-Hausverwaltungen, wenn diesen solche Unzulänglichkeiten bekannt sind und sie energisch dagegen vorgehen. Letztlich sind die Verantwortlichen nicht nur vertraglich zur Aufrechterhaltung eines ordnungsgemäßen Zustandes der Wohnungen verpflichtet – was das Funktionieren von gesetzlich vorgeschriebenen Warneinrichtungen mit einschließt –, sondern auch aus dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherungspflicht, wonach von dem Zustand der Wohnung keine Gefahr für Leib und Leben Dritter ausgehen darf.
Dienstleister tendieren zur Rückgabe der Verantwortung, in dem sie zurückmelden, sie hätten den Nutzer nicht erreicht oder nicht angetroffen oder der benannte Nutzer würde dort nicht mehr wohnen. Wie soll die Wohnungswirtschaft, wie soll der Eigentümer darauf reagieren?
Solche Angaben sind zu verifizieren. Treffen sie zu, dann ist es Sache des Vermieters, dem Dienstleister die Erfüllung seiner Pflichten zu ermöglichen. Dabei gesteht die Rechtsprechung dem Vermieter für den Fall, dass der Mieter den Einbau von Meldern verweigert, einen Anspruch auf das Betreten der Wohnung zu. In jedem Fall stellt eine solche Weigerung einen außerordentlichen Kündigungsgrund dar. Stellt sich hingegen heraus, dass die Behauptungen der Dienstleister nur vorgeschoben sind, so indiziert diese deren Unzuverlässigkeit und stellt ggfs. einen Grund zur Kündigung des Dienstleistungsvertrages dar.
Worauf sollte man bei der Auswahl und Beauftragung der Dienstleister achten?
Was die Auswahl der Dienstleister angeht, so sollte Wert auf die fachliche Kompetenz, zeitliche Flexibilität und Nähe zum Wohnobjekt gelegt werden. Häufig erfolgt die Entscheidung für Dienstleister aus sachfremden Überlegungen, wie zum Beispiel Integration in ERP-Systeme, Kosteneinsparung bei Infrastruktur etc. So etwas sollte aber nicht im Vordergrund stehen. In jedem Falle sollte man in den Service-Level-Agreements konkrete Fristen für die Reparatur beziehungsweise den Austausch fehlerhafter Melder festlegen und die Einhaltung dieser Pflichten auch kontrollieren. Stellt sich ein Dienstleister als unzuverlässig heraus, und hält er seine vertraglichen Verpflichtungen trotz Abmahnung nicht ein, dann sollte man auch vor einer Kündigung des Vertrages nicht zurückschrecken.
Wie lautet Ihre zusammenfassende Empfehlung an die Wohnungswirtschaft?
Ein Rauchwarnmelder ist kein Wasser- oder Wärmemengenzähler, dessen Ausfall lediglich geringfügige wirtschaftliche Konsequenzen hat. Vielmehr handelt es sich um ein Sicherheitsprodukt, dessen Ausfall tödliche Folgen haben kann. Die Anforderungen an die Qualität der Technik und die Zuverlässigkeit des Dienstleistungsunternehmens können daher nicht hoch genug gesetzt werden.