„Das Märchen vom Heizen mit Wasserstoff wird Gesetz.“ So titelte eine Pressemitteilung Verbands. Warum, habe ich mich gefragt, regen sich so viele Verbände auf, nur weil „H2-Ready“-Gasheizungen, also Heizungen, die auf 100 Prozent Wasserstoff umrüstbar sind, im Kabinettsentwurf des neuen Gebäudeenergiegesetzes erwähnt werden? Schließlich ist Wasserstoff doch umweltfreundlich, und immerhin forschen die deutschen Heizungshersteller schon seit fast zwei Jahrzehnten an H2-Heizungen.
Eine kurze Recherche hat mich doch sehr ernüchtert: Zu ineffizient, zu teuer, zu sehr Zukunftsmusik. So lautet der Tenor unter Fachleuten und Forschern. Was soll aber dann der Hype um das Gas? Und warum wird Wasserstoff im GEG erwähnt?
Um diese und alle weiteren Fragen zu klären, fangen wir mal ganz klein an. Eine Wasserstoffheizung ist ein Heizsystem, das Wärme und als Brennstoffzelle zusätzlich Strom aus Wasserstoff gewinnen kann. Der Wasserstoff liefert dafür die Primärenergie. Seine Energie kann Wasserstoff entweder durch Verbrennung oder eine chemische Reaktion freisetzen. In beiden Fällen entsteht Wärmeenergie, bei der chemischen Reaktion, die auch kalte Verbrennung genannt wird, entsteht zusätzlich Strom.
Die Verbrennung
Bei der Verbrennung wird Wasserstoff wie Erdgas in einem Brennwertkessel verbrannt. Dadurch entsteht thermische Energie, mit der sich Warmwasser und Heizungswärme erzeugen lassen. Der Wasserstoff wird entweder in einem Tank vor dem Haus gespeichert oder über ein – noch nicht vorhandenes – Wasserstoffnetz eingespeist.
Die Brennstoffzelle (kalte Verbrennung)
Die im Wasserstoff enthaltene Energie lässt sich mit einer Brennstoffzelle auch über eine chemische Reaktion freisetzen. Die Brennstoffzelle erzeugt durch eine „kalte Verbrennung“ ohne Abgase Wärmeenergie zum Heizen und für Warmwasser sowie Strom. Also handelt es sich wie beim BHKW um klassische Kraft-Wärme-Kopplung. Die dritte Variante, die Kernreaktion, spielt nur bei der Stromgewinnung in großem Maßstab eine Rolle.
Grün, blau, grau
Wenn wir schon bei der Begriffsklärung sind, machen wir gerade weiter mit der Farbenlehre. Als grün wird Wasserstoff bezeichnet, bei dem mithilfe von Strom aus Erneuerbaren Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff aufgespaltet wird. Blauer Wasserstoff wird mithilfe von Rohöl oder Erdgas erzeugt. Das dabei entstehende CO2 wird unterirdisch gespeichert. Grauer Wasserstoff wird ebenfalls mit fossilen Brennstoffen erzeugt, aber das CO2 entweicht in die Umwelt.
Heizungsindustrie und Lobbyisten werben
So und ähnlich werben Heizungshersteller: „Mit einer Wasserstoff-Brennstoffzellenheizung haben Hausbesitzer aber schon heute die Möglichkeit, fortschrittliche und CO2-arme Heiztechnik zu verwenden. Wer selbst eine Wasserstoffheizung betreibt, ist einen großen Teil im Jahr unabhängig von Stromversorgern, denn die Brennstoffzelle kann bereits einen großen Anteil am jährlichen Stromverbrauch abdecken.“
Forscher und Experten raten unisono ab
Anders hingegen sehen das Forscher und Fachleute. Das Ariadne-Projekt forscht, wie die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens erreicht werden können. Dort heißt es in einer Studie: „Im Vergleich lassen sich keine wirtschaftlichen Vorteile für den Einsatz von Wasserstoff gegenüber einer Luft-Wasser-Wärmepumpe nachweisen.“ Tatsächlich ist das Heizen mit Wasserstoff im Vergleich zu Wärmepumpen fünfmal ineffizienter. Wärmepumpen gewinnen aus einer Kilowattstunde Strom drei bis fünf Kilowattstunden Heizwärme. Wenn man mit dem Strom erst Wasserstoff herstellt und den anschließend verbrennt, kommen dagegen nur noch rund 63 Prozent der ursprünglichen Energie in der Heizung an.
Physiker Gerhard Stryi-Hipp nennt die Idee, Gasheizungen H2 ready zu machen, illusorisch. Das sei technisch und ökonomisch nicht sinnvoll. Und für Stefan Schönberger vom Beratungshaus Boston Consulting Group ist Wasserstoff im Gebäudesektor allenfalls ein Nischenthema.
Die Fraunhofer-Institute für Solare Energiesysteme (ISE) und für Energiesysteme Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik (IEE) haben im Auftrag des Nationalen Wasserstoffrats (NWR) verschiedene Pfade zur Dekarbonisierung des Wärmemarkts analysiert und bewertet. Demnach ist eine größere Verbreitung von Wasserstoff-Heizungen kaum realistisch. Ein in der Fachzeitschrift Joule veröffentlichter Vergleich wissenschaftlicher Untersuchungen zum Wärmesektor kam zu dem Schluss, dass nicht eine einzige unabhängige Studie den großflächigen Einsatz von Wasserstoff als sinnvoll erachtet.
Sogar die GEG-Novelle zweifelt an H2-Verfügbarkeit
Im Referentenentwurf der GEG-Novelle steht in der Begründung für H2 ready: „Für diese Umstellung (von Erdgas auf H2) ist ein Umbau des bestehenden Erdgasnetzes […] notwendig. […] es ist auch nicht klar, ob in allen Gasverteilnetzen ein solcher Umbau […] technisch unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit umsetzbar ist.“ Spätestens an dieser Stelle fragt man sich, was das Ganze soll.
Worum geht es wirklich?
Der Entwurf bedeutet folgendes: Ab 2024 dürfen in Wohngebäuden keine neuen fossilen Heizungen mehr verbaut werden, es sei denn, sie sind H2-Ready. Für die Wasserstoff-Heizungen engagiert sich vor allem die FDP-Fraktion. Das entspräche dem Grundsatz der Technologieoffenheit. Das Argument der Liberalen hält Dr. Jan-Justus Andreas von der gemeinnützigen Klimaschutzorganisation Bellona Deutschland für eine Farce: „Technologieoffenheit bedeutet nicht, dass man Technologien als Alternative erscheinen lässt, obwohl bereits klar ist, dass sie keinen nachhaltigen Beitrag zum Klimaschutz leisten können.“ Warum also setzt die FDP gegen jede Vernunft auf Wasserstoff, der im Wohnsektor allen Experten zufolge nie eine große Rolle spielen wird? Auf ihrer Website wirbt die Partei für das „Multitalent Wasserstoff“, das unter anderem als Brennstoffzellen-Heizung zur Erzeugung von Wärme und Strom in Gebäuden eingesetzt werden könne.
Lobbyismus und Geschacher
Dem unvoreingenommenen Betrachter drängt sich der Eindruck auf, dass es hier um nichts anderes als Lobbyismus geht, der auf dem Rücken der Bürger ausgetragen wird. Mitte Mai hat der Bundesrat Stellung zum Regierungsentwurf der GEG-Novelle bezogen. Mit zahlreichen Vorträgen und einem dicken Paket an Beschlussvorlagen haben die Länder den Regierungsentwurf beraten und anschließend über rund 70 einzelne Beschlussvorlagen abgestimmt.
Die Mehrheit in der Länderkammer hat gegen die Streichung der H2 ready-Klausel gestimmt. Damit bleibt der unsinnige Passus im Entwurf. Die Stellungnahme wird nun der Bundesregierung zugeleitet. Wenn der Bundestag das Gesetz in zweiter und dritter Lesung verabschiedet, muss der Bundesrat noch einmal abschließend über den Entwurf beschließen. Es wäre ein Armutszeugnis der deutschen Politik, wenn sich solch ein kruder Lobbyismus durchsetzen würde, der Verbrauchern falsche Versprechen macht und zu hohen Fehlinvestitionen verleitet.
Oliver Mertens