Nicht nur die marode Infrastruktur, sondern auch die Baustellen der Baugesetze, -verordnungen, -richtlinien symbolisieren den aktuellen Zustand der Republik.
Die eingestürzte Carolabrücke in Dresden – ein für Deutschland bisher nicht für möglich gehaltener Unglücksfall, bei dem wie durch ein Wunder niemand verletzt wurde. Angesichts von zahlreichen Brücken, die in Reparatur oder gefühlt reparaturbedürftig sind, von hunderten Kilometern Autobahnbaustellen, Generalsanierung zahlreicher Bundesbahnstrecken, fehlender Stromtrassen und smarten Ladestationen, Mobilfunk- und Internetlücken, usw., fallen „Baustellen“ ganz anderer – aber mit vorgenannten durchaus zusammenhängender – Art, eher nicht durch Schlagzeilen auf.
Das, obwohl sie einen nicht unerheblichen Anteil an der aktuellen Lage am Bau haben. Sei es die Musterverwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB), die einem ständigen Änderungsprozess unterliegt und dann aber nicht in allen Bundesländern gleichzeitig eingeführt wird, oder die Musterbauordnung, die kaum, dass sie Gültigkeit erfährt, schon wieder in Arbeit ist. Muster-Holzbau-Richtlinie, Normierungsvorgänge, die EU-Bauprodukteverordnung, die in ihrer neuesten Fassung im Oktober dieses Jahres in Kraft treten soll, das Auslaufen der Allgemeinen Bauaufsichtlichen Prüfzeugnisse oder Zulassungen (abP oder abZ) und das nur äußerst schleppende Bearbeiten der zuständigen Behörde – des Deutschen Instituts für Bautechnik – DIBt bei der Erstellung von Bauartgenehmigungen stehen dem notwendigen Bauen in Deutschland im Weg.
Auch die Novelle des BauGB, die am 4. September 2024 durch das Bundeskabinett beschlossen wurde und sowohl Erleichterungen für Aufstockungen, als auch die zeitlich befristete Bau-Turbo-Norm einführt, die die Planungszeit für Wohnungsbauvorhaben unter bestimmten Umständen erheblich verkürzen soll, hat ebenfalls zu lange gedauert. Das alles mündet dann in einem schier unübersichtlichen Wust an einzuhaltenden Gesetzen, Verordnungen, Richtlinien, Nachweisen mit denen sich dann die Verwaltungen und Baubehörden für die Erteilung der Baugenehmigungen auseinanderzusetzen haben. Es ist schlichtweg lähmender Usus, dass in Deutschland alles zig Mal durchdacht, abgewogen, verworfen, nachgewiesen und für noch nicht entscheidbar erklärt wird. Die Vielzahl der anzuhörenden Stellen, die heute eingebunden werden –nicht müssen – verlängert die Vorlaufzeit, lässt Baubeteiligte mit ihrem Vorhaben in der Luft hängen und setzt diese dann dem Risiko aus, bei geänderten Rahmenbedingungen – Förderungsende, Zinsveränderung, Konjunkturfragen – gar nicht erst realisiert zu werden.
Ganz abgesehen, von der dadurch immer wieder auftretenden Belastung der Bauherren und Unternehmen, sowohl auf der beauftragenden, wie auch auf der ausführenden Seite. Nicht nur die Vorlaufzeiten, die bei verwaltungsbedingten Verzögerungen schnell zur finanziellen Belastung werden können, auch auftretende Rechtunsicherheiten bei Einsatz von Bauprodukten und Ausführungsarten, je nach gerade geltenden Regelungen in den einzelnen Bundesländern, machen das Bauen heutzutage unnötig schwierig und teuer. Da anzusetzen, wäre ein wahrer Bau-Turbo, dafür müsste man lediglich die Landesbauordnungen synchronisieren und für alle Landesbauministerien die gleichen rechtlichen Grundlagen einführen. Nicht der Verzicht auf die föderalen Strukturen stünde dabei im Vordergrund, sondern ein zerschlagen des gordischen Knotens und des babylonischen Sprachgewirrs zu Gunsten einer bundesweit einheitlichen Grundlage um das Bauen zu beschleunigen und günstiger zu machen, ohne Verlust der Wertschöpfung.
Foto: Ahmed Al Samarraie, Leiter Hauptstadtbüro Deutscher Holzfertigbau Verband e.V. © DHV Thomas Hartig