Die Energiewende ist zweifellos eine der wichtigsten Herausforderungen unserer Zeit, um dem Klimawandel zu begegnen. Doch die Energiewende im Gebäudebereich kommt nicht recht voran. Und es bleibt die Frage, was ein deutscher Leuchtturm bewirkt angesichts weltweit steigender CO2-Emissionen. Wenn wir das Thema global betrachten, könnten wir zu besseren Lösungen kommen.
Das von der Dena vor 20 Jahren angepeilte Sanierungsziel von 2 Prozent pro Jahr wurde nie erreicht. Heute liegt man sogar unter 1 Prozent. Mit Änderung des Klimaschutzgesetzes hat die Bundesregierung die Vorgaben noch einmal verschärft und das Ziel der Treibhausgasneutralität bis 2045 ausgegeben – fünf Jahre früher als im Rest von Europa. Bis 2030 sollen die Emissionen um 65 Prozent gegenüber 1990 sinken. Im Jahr 2040 sollen es mindestens 88 Prozent sein, bis 2045 soll Deutschland den Zustand der Treibhausgasneutralität erreichen: Dann muss also ein Gleichgewicht zwischen Treibhausgas-Emissionen und deren Abbau herrschen. Nach 2050 soll Deutschland mehr Treibhausgas abbauen, als es ausstößt.
Die Wohnungswirtschaft, da sind sich alle einig, spielt eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung der Energiewende im Gebäudebereich. Aber sie steht unter wirtschaftlichem Druck, energetisch sanieren zu müssen, die Mietkosten niedrig zu halten und gleichzeitig Gewinne zu erzielen. Die Folge sind üppige Anreiz- und Förderprogramme für die energetische Sanierung von Wohngebäuden. Und die Kosten dafür sind enorm: Von 2016 bis 2025 werden dafür etwa 550 Milliarden Euro fällig. Eine vierköpfige Familie zahlt in diesem Zeitraum direkt und indirekt rund 26.000 Euro für die Energiewende. Die gesamten Mehrkosten für die Energiewende bis 2050 liegen nach Schätzungen des deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) je nach Randbedingungen zwischen 500 Milliarden Euro und mehr als 3000 Milliarden Euro. Das entspricht pro Jahr im Durchschnitt 0,4 bis 2,5 Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts aus dem Jahr 2018. Was also ist der gewinn dieses Kraftakts? Deutschland produziert heute 1,75 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen. Mit bis zu 3000 Milliarden Euro – das ist eine Zahl mit zwölf Nullen – ist das ziemlich viel Geld, das global eine Senkung des Kohlendioxidausstoßes von weniger 2 Prozent bewirkt.
Wir müssen uns in der Klimapolitik den internationalen Realitäten stellen. Weite Teile Asiens, ganz Afrika, Süd- und Mittelamerika, Kanada, aber auch europäische Länder wie Irland und Spanien emittieren heute mehr CO2 als noch 1990. Spitzenreiter der Entwicklung ist heute China, das für ein Drittel der weltweiten Emissionen verantwortlich ist – Tendez steigend. Im Land der Mitte hat sich mit dem Wirtschaftswachstum der CO2-Ausstoß seit 1990 fast vervierfacht. Schwellenländer, wie China, Indien, Russland Südafrika, Mexiko, Brasilien, die Philippinen, Thailand, Malaysia und die Türkei, haben ein berechtigtes Interesse daran, ihre Ökonomien zu entwickeln. Damit einher geht ein starker Anstieg der CO2-Emissionen.
Deutschland stößt 1,76 Prozent der weltweiten Emissionen aus
Klimapolitiker und Aktivisten tun gerne so, als gehörten Deutschland und die EU zu den größten CO2-Schleudern der Welt. Doch das Gegenteil ist der Fall. An der Spitze der größten Kohlendioxidemittenten steht China mit einem Anteil von 32,9 Prozent, gefolgt von den Vereinigten Staaten mit 12,55 Prozent. Deutschland stößt 1,76 Prozent der weltweiten Emissionen aus. Pro Kopf blasen die USA knapp viermal so viel CO2 in die Luft wie Deutschland. Saudi-Arabien produziert mit seinen 34 Millionen Einwohnern etwa genauso viel CO2 wie Deutschland.
Natürlich kann man sagen, die Energiewende sei ein globales Anliegen, bei dem jeder Beitrag wichtig ist. Global betrachtet kommt man aber auch schnell zu der Einsicht, dass Deutschlands Gebäudesektor wohl eher keine Schlüsselrolle in der globalen Transformation spielt. Die Gesamtemissionen aus deutschen Gebäuden sind mit etwas mehr als einem halben Prozent doch eher begrenzt. Um eine Schlüsselrolle in der globalen Energiewende zu spielen, müsste Deutschland in der Lage sein, die Energiewende weltweit voranzutreiben. Das stößt jedoch auf politischen und wirtschaftlichen Widerstand. Schließlich haben wir die Kolonialzeit hinter uns gelassen und die Staaten entscheiden heute gerne selbstbestimmt über ihre Zukunft. Die Energiewende erfordert eine globale Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Internationale Experten und Forscher sind sich jedoch einig, dass der Klimawandel nur durch einen globalen Ansatz effektiv bekämpft werden kann. Kein Land kann dieses globale Problem alleine lösen. Zumal die Technologien und Praktiken, die in Deutschland zur Steigerung der Energieeffizienz entwickelt und eingesetzt werden, nicht in allen Ländern anwendbar oder leicht übertragbar sind. Unterschiede bei Klima, Ressourcen, Know-how und Wirtschaft spielen hier eine Rolle.
Klimaneutrale Produktions prozesse in Schwellenländern absichern
Das DIW ist der Meinung, dass die Dekarbonisierung der Industrie und das Erreichen der Klimaziele sind nur möglich sind, wenn Industriestaaten und Schwellenländer kooperieren. Vor allem in Schwellenländern fehlten technische Kapazitäten und Finanzmittel für grüne Investitionen. Sogenannte CO2-Differenzverträge (Carbon Contracts for Difference) können den Forschern zufolge Investitionen in klimaneutrale Produktionsprozesse in Schwellenländern absichern und damit attraktiver machen.
Um das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens zu erreichen und die globale Dekarbonisierung voranzutreiben, unterstützt Deutschland Schwellen- und Entwicklungsländer dabei, den Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas voranzutreiben. Trotz Ankündigungen der Bundesregierung, die Klimafinanzierung um 126 Millionen Euro zu erhöhen, fällt der Beitrag für die Dekarbonisierung immer noch zu niedrig aus, vor allem im Industriesektor mit 7 Milliarden US-Dollar weltweit.
Unterstützung wurde dieses Jahr auch im Rahmen diverser Kommuniqués der G7 unter deutschem Vorsitz angekündigt: So etwa mit der Clean Energy Ministerial Industrial Deep Decarbonisation Initiative (IDDI), die die Nachfrage nach kohlenstoffarmen Produkten fördern soll, der G7 Berlin Roadmap on Resource Efficiency and Circular Economy zum Ausbau der Kreislaufwirtschaft und dem Vorschlag zur Gründung eines Klimaclubs als Zusammenschluss von Staaten mit ähnlich ambitionierten Klimazielen „zur Unterstützung der wirksamen Umsetzung des Übereinkommens von Paris durch eine Beschleunigung von Klimaschutzmaßnahmen und ambitioniertere Zielsetzung mit besonderem Schwerpunkt auf der Industrie.“ Die zahlreichen Initiativen sind mit Blick auf die Frage, wie Industrie- und Schwellenländer beim globalen Klimaschutz zusammenarbeiten können und welche Instrumente hilfreich wären, aber noch sehr unkonkret. 7 Milliarden US-Dollar weltweit ist nicht viel mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Was aber wäre, wenn die energetisch entwickelten EU-Länder im Zuge einer internationalen Zusammenarbeit. Wenn allein Deutschland seine 3000 Milliarden Euro bis 2050 in einen internationalen Fonds zahlen wären das 450 mal so viel.
Ein – zugegeben radikaler – Schritt wäre es also, die im internationalen Vergleich teuren und wenig effizienten deutschen und europäischen Förderungen für die Energiewende dort einzusetzen, wo sie am meisten gebraucht werden und die größten Auswirkungen bei der Dekarbonisierung haben: in den Schwellenländern. Entsprechend könnten wir hierzulande die energetischen Vorschriften ein Stück weit zurücknehmen und das Baurecht entschlacken. Damit wäre vielen geholfen – und vor allem dem Klima.
Oliver Mertens
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