Für das energiepolitische Ziel einer CO2-neutralen Zukunft ab 2045 spielt der Sektor Gebäude, mit seinem Anteil von gut 25 Prozent an den Emissionen, eine maßgebliche Rolle. Grund genug für Vivawest, einem der führenden Wohnungsanbieter in Nordrhein-Westfalen mit einem Neubauprojekt in Ahlen-Süd die Anforderungen aus ihrer 2021 verabschiedeten Klimaschutzstrategie an einem realen Projekt umzusetzen: Dort entstand ein Mehrfamilienhaus, das als Prototyp für künftig ressourcenschonend wirtschaftliches Bauen des Wohnungskonzerns dient.
Dafür hat Vivawest einen für solche Objekte typischen, dreigeschossigen Gebäuderiegel mit 18 Wohneinheiten konzipiert. Das Gebäude entspricht dem Standard „Effizienzhaus 55“; der Energiebedarf beträgt also bis zu 40 kWh/m²a. Gedeckt wird dieser Bedarf über zwei in Kaskade geschaltete Luft/Wasser-Wärmepumpen mit jeweils 12 kW sowie ein Elektro-Zusatzheizgerät mit 9 kW Leistung für eventuell auftretende Spitzenlasten. Den Strom für diese Anlagenkombination liefert im Wesentlichen eine hauseigene PV-Anlage mit 30 kWp.
Wirtschaftlich und ökologisch zugleich
Vivawest bewirtschaftet NRW-weit in rund 100 Kommunen etwa 120.000 Wohnungen, vom Einfamilienhaus bis zum Geschosswohnungsbau. Aktuell investiert das Unternehmen auf einem 4400 Quadratmeter großen Areal in Ahlen-Süd knapp zwölf Millionen Euro in zwei Neubauprojekte mit insgesamt 60 barrierearmen Wohnungen. Die Zwei- bis Dreizimmer-Wohnungen haben eine Wohnfläche von 48 bis 61 Quadratmeter. Sie sind sowohl für Singles und Paare aller Altersklassen als auch für Familien gedacht und mit Fußbodenheizung sowie bodengleich gefliesten Duschen gehoben ausgestattet.
„Bei diesen Neubaumaßnahmen handelt es sich für uns um eine wohnungswirtschaftlich sinnvolle, aber auch städtebaulich angepasste Ergänzung unseres Wohnungsbestandes von knapp 2180 Wohnungen in Ahlen“, so Ludger Wiesemann, Bereichsleiter Neubau bei Vivawest. Denn Wohnraum ist, selbst am Rande des Ruhrgebietes, nicht nur generell knapp, sondern er entspricht zugleich nicht mehr dem wachsenden Bedarf einer älter werdenden Klientel beziehungsweise der zunehmenden Zahl an Single-Haushalten. Genau dem trägt Vivawest bei diesem Neubauvorhaben sowohl in Bezug auf Wohnungsgröße als auch Ausstattung Rechnung.
Gleichzeitig nutzt das Unternehmen das städtebaulich ambitionierte Vorhaben, seinen Objektbestand im Sinne des nachhaltigen Geschäftsmodells perspektivisch klimaneutral, aber auch bezahlbar aufzustellen:
- Mit dem Energiestandard „Effizienzhaus 55“ bleiben die Baukosten, selbst angesichts der aktuell deutlich gestiegenen Preise, für das Wohnungsunternehmen wirtschaftlich darstellbar.
- Gleichzeitig ist die Qualität der Gebäudehülle aber hoch genug für eine energiesparende Wärmeverteilung über Flächenheizungen mit entsprechend niedrigen Vorlauftemperaturen von 35/28 Grad Celsius.
- Hinzu kommt ein ausgefeiltes Konzept zur Warmwasserbereitung über einen 750-Liter-Pufferspeicher, in dem das Warmwasser hygienegerecht nach dem Durchflussprinzip erzeugt wird.
Durch diese bauseitigen Rahmenbedingungen ist es möglich, den Energiebedarf über in Kaskade geschaltete Arotherm plus Wärmepumpen zu bedienen. Der ergänzende elektrische Eloblock Zusatzheizer sichert lediglich Wärme- oder Warmwasserspitzenlasten ab. Für Alexander Arndt, Fachbauleiter Haustechnik bei Vivawest ist das gerade vor dem Hintergrund der Eigenstromversorgung der Wärmepumpen über die flächendeckend auf dem Hausdach installierte Auropower PV-Anlage „für Neubauten die nahezu perfekte Anlagentechnik. Denn zum einen haben wir den Energiebedarf unter wirtschaftlichen wie ökologischen Aspekten so weit wie möglich reduziert – und decken ihn dann vor Ort genauso ressourcenschonend ab.“
Der Neubau in Ahlen-Süd soll deswegen auch als „Typenhaus“, also als Blaupause für nachfolgende, architektonisch im Wesentlichen identische Bauvorhaben von Vivawest dienen. „Denn wir sind nicht nur Vermieter, sondern sehen uns angesichts des CO2-Fußabdrucks im Sektor Bauen genauso in der Verantwortung gegenüber der Gesellschaft“, so Arndt. Wie vielschichtig die sich daraus ergebenden Herausforderungen sind, skizziert ergänzend Michael Anlauf, Fachbauleitung Haustechnik bei Vivawest: „Wir wollen ökologischen Wohnraum zu erschwinglichen Konditionen bieten und gleichzeitig Antworten auf zentrale Fragen des Wohnungsbaus von morgen finden. Dazu gehört unter anderem der Einsatz regenerativer Energien, der Spagat zwischen ressourcenschonendem und trotzdem wirtschaftlichem Bauen sowie nicht zuletzt die Komplexitätsreduktion von Prozessen, um dem Fachkräftemangel zu begegnen.“
Anlagentechnik skalierbar konzipiert
Entsprechend intensiv und detailliert war die Konzeptionsphase für den Neubau in Ahlen-Süd, erinnert sich Thorsten Baude, Key Account-Manager Wohnungswirtschaft bei Vaillant und für dieses Projekt konzeptionell mitverantwortlich: „Bei der Entwicklung der realisierten Anlagenkombination ging es ja nicht nur um dieses eine Objekt. Die Herausforderung war vielmehr, ausgehend von dem mit 18 Wohneinheiten relativ kleinen Baukörper eine skalierbare Lösung zu entwickeln, die sich möglichst nahtlos auf künftige Projekte übertragen lässt.“
Wie weit in der Projektierungsphase hier vorausgedacht werden musste, zeigt beispielhaft das im Geschosswohnungsbau durchaus schwierige Thema der Warmwasserbereitung. Dies ist oftmals schwierig, da normativ im Zirkulationssystem für Warmwasser Systemtemperaturen von 60/55 Grad Celsius zum Erhalt der Trinkwasserhygiene gefordert sind. Die können aber über herkömmliche Wärmepumpen ökologisch sinnvoll ohne elektrische Nachheizung nicht dargestellt werden. Baude: „Mit den Wärmepumpen Arotherm plus ist es aber möglich, je nach Betriebsbedingungen deutlich höhere Heiztemperaturen bereitzustellen.“
Den fehlenden Temperaturhub in dem Energiespeicher für Warmwasser bei extremen Spitzen – beispielsweise außergewöhnlich hohen Gleichzeitigkeiten – deckt dann ein elektrischer Zusatzheizer, der wie die Wärmepumpen primär durch die PV-Anlage versorgt wird. Der selbst erzeugte Strom wird also optimal ausgenutzt, da dies deutlich wirtschaftlicher ist als die Einspeisung ins öffentliche Netz. Verstärkt wird dieser Effekt durch eine Regelung, die sogar die definierten Speichertemperaturen überfahren kann, wenn mehr Solarstrom zur Verfügung steht, als in dem Moment tatsächlich benötigt wird: Der Pufferspeicher dient dann gewissermaßen als Energiespeicher.
Dieses Anlagenkonzept hat aber noch einen weiteren entscheidenden Vorteil: Durch die Grundkonzeption ist es gleichzeitig skalierbar, kann also ohne aufwändige Neuplanung auf ähnliche Gebäude übertragen werden. „Im Prinzip“, so Baude, „reicht die Anpassung der Wärmepumpenleistung sowie die Installation eines anders dimensionierten Pufferspeichers aus, um das Wärmekonzept auf Gebäude mit mehr oder weniger Wohneinheiten zu adaptieren. Die grundsätzliche Anlagenhydraulik aber bleibt immer gleich.“
„Bau und Betrieb schlanker machen“
Warum Vivawest die Zielsetzung der skalierbaren Wärmetechnik in ihren Neubauten formulierte, hat im Übrigen gleich mehrere Gründe: Es geht, entsprechend der übergeordneten Zielsetzung des Typenhauses, um generell schlankere und damit wirtschaftlichere Prozesse. Denn „so muss nicht für jedes Bauvorhaben jede Anlage aufwändig neu ausgelegt werden“, skizziert Arndt die Vorteile: „Außerdem wird die Betriebsphase einfacher, weil unsere regionalen Vertrags-Fachhandwerker mit den jeweiligen Systemen bereits vertraut sind und alle Anlagen perspektivisch beispielsweise auch aus der Ferne zentral parametrieren können.“
Und spätestens an dieser Stelle zahlt es sich dann aus, dass die komplette Systemtechnik von den Luft/Wasser-Wärmepumpen und der PV-Anlage mit insgesamt 92 Modulen auf dem Dach bis hin zum Elektrozusatzheizer sowie den beiden Pufferspeichern für Trinkwasser warm (750 Liter) und Heizung (650 Liter) aus einer Hand kommt. So kann sie ohne Schnittstellen-Problematik kombiniert und auf eine zentrale Sensocomfort Regelung aufgeschaltet werden.