Gerade auch in innerstädtischen Gebieten lassen sich mit Quartierslösungen erneuerbare Energien sinnvoll zur Wärmeerzeugung nutzen.
Deutschland möchte bis zum Jahr 2045 treibhausgasneutral werden – das hat die Regierung in ihrem im Jahr 2021 geänderten Klimaschutzgesetz verankert. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde mit dem „Klimaschutz-Sofortprogramm 2022“ ein umfassendes Gesetzespaket verabschiedet, das vor allem die Dekarbonisierung des Gebäude- und Energiesektors im Blick hat. Dabei geht es auch um Änderungen im Gebäudeenergiegesetz (GEG). Seit 1. Januar 2024 muss jede neu installierte Heizung in Bestandsgebäuden und im Neubau – von wenigen Ausnahmen abgesehen – zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Diese Vorgabe wird die Regierung dann auch im Gesetz verankern. Um die Wärmeversorgung vollständig durch erneuerbare Energien oder Abwärme zu decken, sollen bis spätestens 2045 weitere Schritte erfolgen.
In dem gemeinsamen Papier des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz sowie des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen ist weiterhin festgehalten: Wärmenetze werden eine wichtige Rolle bei der Wärmeversorgung übernehmen. Mit klimaneutralen Wärmenetzen kann man unterschiedliche erneuerbare Wärmepotenziale kostengünstig erschließen und insbesondere dicht bebaute Gebiete mit erneuerbarer Wärme oder Abwärme versorgen.
Wärmenetz als Erfüllungsoption
Eine der möglichen Erfüllungsoptionen für die 65%-Vorgabe ist also der Anschluss an ein Wärmenetz – sogar unabhängig vom aktuellen Anteil erneuerbarer Energien am Erzeugungsmix des Netzes. Hintergrund: Bei einem Anschluss an ein Wärmenetz wird unterstellt, dass dieses auf der Grundlage anderer Vorgaben und Anreize schrittweise bis 2045 klimaneutrale Wärme liefern wird. Ab 1. Januar 2026 kann der Anschluss an ein Wärmenetz bereits eine Erfüllungsoption sein, wenn eine kommunale Wärmeplanung für das Gebiet vorliegt. Der Betreiber des Wärmenetzes muss über einen Transformationsplan verfügen und ein verbindliches Investitionskonzept zur schrittweisen und vollständigen Umstellung der Wärmeversorgung auf erneuerbare Wärme oder Abwärme bis spätestens 2045 vorlegen.
Aus diesem Grund werden Niedertemperaturnetze in Kombination mit Wärmepumpen eine zunehmend wichtigere Rolle als Erfüllungsoption einnehmen. Sie ermöglichen in unterschiedlicher Weise die Einbindung regenerativer Energiequellen und machen erneuerbare Wärme insbesondere auch in innerstädtischen Gebieten verfügbar.
Typisierung der Wärmenetze
Thermische Netze dienen zur Übertragung von Wärme. Diese werden primär anhand der bereitgestellten Vorlauftemperatur in Hoch- und Niedertemperaturnetze unterteilt. In der Regel werden Wärmnetze heute als Hochtemperaturnetze oberhalb 60°C betrieben. Sie stellen die erforderliche Energie für Heizung und Warmwasserbereitung zur Verfügung. Die relativ hohen Temperaturen werden typischerweise über eine Kombination aus Gasbrennwertkesseln und Blockheizkraftwerken erreicht. Aufgrund der erforderlichen hohen Temperaturen scheidet ein effizienter Einsatz von Wärmepumpen in diesen Netzen aus. In einem Wärmenetz mit niedrigeren Temperaturen ist die Elektrifizierung der Wärmeerzeugung mittels Wärmepumpen sowie der Einsatz von regenerativer Energie wiederum möglich. Die Niedertemperaturwärme kann als Raumwärme ab 30°C oder zur Versorgung von dezentralen Wärmepumpen auch unter 30°C genutzt werden. Bei Temperaturen unter 20°C kann das Netz auch als Wärmesenke und somit zur Versorgung mit Kälte dienen. Bei den Niedertemperaturnetzen unterscheidet man wiederum zwischen LowEx-Netzen und Anergie-Netzen.
LowEx-Netze
LowEx-Netze sind eine besondere Form von Niedertemperaturnetzen, sie werden mit einem niedrigeren Temperaturniveau als konventionelle Wärmenetze betrieben. Der Begriff LowEx-Netz steht dabei für Low-Exergie-Netz, was übersetzt heißt Niedrig-Exergie-Netz. In diesen Netzen wird die Temperaturdifferenz zwischen Wärmenetz und Erdreich möglichst gering gehalten, um Temperaturverluste zu reduzieren. Eine Umweltquelle wie Luft versorgt das LowEx-Netz und gibt die Umweltwärme über einen Sole-Kreislauf an die zwischengeschaltete Großwärmepumpe ab. Diese erwärmt das Wärmeträgermedium im Vorlauf des Verteilnetzes auf konstant 35°C bis 45°C. Durch den geringeren Temperaturhub lassen sich Jahresarbeitszahlen (COP) von bis 5,0 in der Großwärmepumpe erreichen. Das Wasser im Wärmenetz wird durch zentrale Umwälzpumpen zu den jeweiligen Verbrauchern geführt. Dabei geben die örtlichen Gegebenheiten, die Größe des Wärmenetzes und die Einbindung der Wärmeerzeuger die Netzform der Wärmeverteilung vor. Strahlennetze haben die geringste Trassenlänge. Ringnetze, die häufig bei kalter Nahwärme verwendet werden, ermöglichen die Einbindung mehrerer Erzeuger an unterschiedlichen Standorten – sie sind jedoch kostenintensiv.
Weil die bereitgestellte Vorlauftemperatur unterhalb der Grenze zur Warmwasserbereitung liegt, muss für die hygienische Trinkwassererwärmung nach VDI 6023 zur thermischen Desinfektion nacherhitzt werden. Die beiden Möglichkeiten sind ein Elektroheizstab oder Wohnungsstationen mit elektrischer Nacherhitzung im Durchflussprinzip.
Trotz des niedrigen Temperaturniveaus im Wärmenetz treten annähernd ganzjährig Wärmeverluste bei der Wärmeverteilung auf, in der Regel etwa in der Größenordnung von 3 bis 7 Prozent der transportierten Energiemenge. Deshalb ist es erforderlich, die Leitungen zu isolieren. Frostschutzmittel sind nicht nötig, weil ein konstantes Temperaturniveau verhindert, dass das Netz vereist. Im Vergleich zu Hochtemperaturnetzen sind die Wärmeverluste etwa um die Hälfte geringer.
Anergie-Netze
Das Grundprinzip von Anergie-Netzen basiert darauf, dass ausgehend von einer gemeinsam erschlossenen Quelle wie Abwärme oder Geothermie die Energieerzeugung zum Großteil in jedem einzelnen Gebäude mittels Wärmepumpe stattfindet, die das Temperaturniveau anhebt und so zum Heizen nutzbar macht. Sofern eine Quelle mit einer Temperatur konstant oberhalb des Frostbereichs zur Verfügung steht, ist keine Zumischung von Glykol als Fortschutz nötig. Allerdings muss eine Systemtrennung vor der Wärmepumpe eingesetzt werden, um durch einen Sole-Wasserkreislauf ein Einfrieren der Wärmepumpe beim Start zu verhindern. Die Flussrichtung ist wie beim LowEx-Netz gerichtet.
Bei der Auswahl der Wärmepumpe ist zu beachten, dass die Sole-Eintrittstemperatur nicht die maximal zulässige Quelleneintrittstemperatur der Wärmepumpe überschreitet. Kann dies nicht sichergestellt werden, muss eine Beimischschaltung die Sole-Eintrittstemperatur begrenzen, damit die Wärmepumpe sicher betrieben werden kann. Sole-Wasser-Wärmepumpen wie die Buderus Logatherm WSW196i, erlauben Quellentemperaturen ≤ 30°C und sind daher für Anergie-Netze geeignet.
Aufbau von Anergie-Netzen (Geothermie Verteilnetz)
Typischerweise werden aktive Anergie-Netz – auch kalte Nahwärmenetze genannt – entweder aktiv oder passiv betrieben. Die Besonderheit an dieser Form des Wärmenetzes ist, dass das Temperaturniveau nicht zum Heizen ausreicht und über eine Wärmepumpe zum Heizen nutzbar gemacht werden muss.
In aktiven Netzen transportieren zentrale Pumpengruppen die Sole von der Wärmequelle zu den einzelnen Gebäuden. Dabei kann der Volumenstrom des Wärmeträgermediums auf mehrere Pumpen aufgeteilt werden, um eine effiziente Auslegung der einzelnen Netzpumpen zu erreichen sowie gleichzeitig eine erhöhte Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Der Auslegungsdruck liegt bei dieser Variante in der Regel bei 2,0 bar, um einen höheren Druckverlust bei der Sole-Verteilung zu überwinden. So kann man das Verteilnetz kleiner dimensionieren und Materialkosten sparen.
Eine passive Betriebsweise bezeichnet eine dezentrale Förderung des Wärmeträgermediums. Jede Wärmepumpe ist dabei mit einer integrierten Solepumpe ausgestattet, die die Sole aus dem Netz zieht. Eine Solepumpe kann dabei, je nach Wärmepumpe, einen Druckverlust von bis zu 1,0 bar überwinden und ist lediglich bei einem Betrieb der Wärmepumpe aktiv.
Vorteile einer Quartierslösung
Quartiere mit einem Nahwärmenetz sind eine ideale Möglichkeit, um Potenziale zur Verbesserung der Strom- und Wärmeerzeugung, der Energiespeicherung, des Erzeuger- und Verbrauchermanagements, der Energieeffizienz sowie des Energieausgleichs zu heben und systematisch zu nutzen. Zudem soll gebäudenah erzeugter Strom aus erneuerbaren Energien auch zur Erfüllung der geplanten Vorgabe von 65 Prozent erneuerbare Energien bei allen neu eingebauten Heizungen genutzt werden. Dies ist aber noch nicht beschlossen. Voraussetzung dafür ist, dass die Gebäude im Quartier sich auf dem gleichen Grundstück befinden wie die PV-Anlage und durch ein nicht-öffentliches Verteilnetz miteinander verbunden sind.
Die Vorteile von Quartierslösungen sind:
- systemübergreifender Ansatz
- flexible Reaktionsmöglichkeit auf zukünftige oder wechselnde Rahmenbedingungen
- höhere Wirtschaftlichkeit als bei Einzelmaßnahmen
Dienstleistungen von Buderus
Buderus unterstützt Bauträger, Stadtwerke und Energieversorger nicht nur bei der Auswahl der geeigneten Komponenten für das Wärmenetz, sondern bietet auch Ingenieurdienstleistungen zur energetischen und wirtschaftlichen Betrachtung von Energieversorgungssystemen innerhalb der Systemgrenzen der Erzeugung, Speicherung, Verteilung und Übergabe an.
Buderus und seine Kooperationspartner RheinEnergie AG und EWE Vertrieb GmbH führen zurzeit mehrere Machbarkeitsstudien für Quartiersprojekte durch, welche in 2023 realisiert werden. Dazu bündeln die Partner Ihr Know-how im Bereich Wärme- und Energieversorgung, um den Kunden kostengünstige und CO2-Neutrale Wärmeversorgungskonzepte zur Verfügung zu stellen.
Fazit
Bis zum Jahr 2045 will Deutschland treibhausgasneutral sein. Konkret soll ab 1. Januar 2024 jede neu installierte Heizung in Bestandsgebäuden und im Neubau – von wenigen Ausnahmen abgesehen – zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Wärmenetze werden eine wichtige Rolle bei der Wärmeversorgung übernehmen. Mit klimaneutralen Wärmenetzen lassen sich unterschiedliche erneuerbare Wärmepotenziale kostengünstig erschließen und insbesondere dicht bebaute Gebiete mit erneuerbarer Wärme oder Abwärme versorgen. Aus diesem Grund werden Niedertemperaturnetze in Kombination mit Wärmepumpen eine zunehmend wichtigere Rolle spielen. Sie binden erneuerbarer Energiequellen ein und machen erneuerbare Wärme insbesondere auch in innerstädtischen Gebieten verfügbar. In einem Wärmenetz mit niedrigeren Temperaturen ist die Elektrifizierung der Wärmeerzeugung durch Wärmepumpen sowie der Einsatz von regenerativer Energie möglich. Die Niedertemperaturwärme lässt sich als Raumwärme ab 30°C oder zur Versorgung von dezentralen Wärmepumpen auch unter 30°C nutzen. Bei den Niedertemperaturnetzen unterscheidet man zwischen LowEx-Netzen mit Vorlauftemperaturen von 30°C bis 60°C und Anergie-Netzen mit Vorlauftemperaturen von 5°C bis 20°C.
Autor: Bernd Müller, Key Account Manager Energieversorger und Energiedienstleister, Buderus / Bosch Thermotechnik