Serielle Sanierung mit skalierbarer Wärmepumpentechnik
Um die Energiewende zu meistern, ist eine energetische Sanierung der Bestandsobjekte unerlässlich: Fast 60 Prozent der bestehenden Gebäude sind den Energieeffizienzklassen E bis H zuzuordnen. Sie haben also einen Endenergieverbrauch von über 160 kWh/m²a (Quelle: statista 2023; Stand: 2021). Wie diese energetische Grundsanierung mit einem ganzheitlichen Ansatz und seriell umgesetzt aussehen kann, zeigen die Projekte des Wohnungsunternehmens LEG mit dem hauseigenen Joint-Venture Renowate und einem Heiztechnik-Hersteller in Mönchengladbach-Hardt.
Dort werden in einem Quartier rund ein Dutzend baugleiche, 2-geschossige Mehrfamilienhäuser aus den 50er Jahren mit jeweils vier bis sechs Wohnungen nach dem Energiesprong-Prinzip saniert, also mit einem ganzheitlichen Ansatz, der besonders schnell, wirtschaftlich und nachhaltig ist. Die Gebäude in Mönchengladbach-Hardt entsprechen der Energieeffizienzklasse H (> 250 kWh/m²a), haben somit eine nach heutigen Maßstäben schlechte Energiebilanz und kommen in vergleichbarer Bauform deutschlandweit sehr häufig vor. Das Quartier bekommt damit einen wegweisenden Charakter. Vor allem, weil die Häuser nach der Sanierung – unter anderem über fabrikmäßig vorgefertigte Vorhangfassaden und mit neuen Heizsystemen auf Basis von Wärmepumpen nahezu klimaneutral sein werden. Perspektivisch ist zudem noch die Installation von PV-Anlagen zur Versorgung mit eigenem Strom vorgesehen – dann ist das Quartier bilanztechnisch sogar „energiepositiv“.
Ganzheitliche Herangehensweise
Initialzündung für die Sanierung war die Selbstverpflichtung der LEG, als einem der größten deutschen Wohnungsunternehmen, den Bestand von rund 167.000 Wohnungen klimafreundlicher zu entwickeln. Dafür wurde 2020 in Mönchengladbach-Hardt mit vier externen Partnern ein „Reallabor“ gegründet, um am konkreten Objekt die technisch wie wirtschaftlich überzeugendste Lösung für serielles Sanieren zu entwickeln. Renowate-Geschäftsführer Andreas Miltz: „Entscheidend waren dabei insbesondere die Faktoren Kosten und Zeit. Also die Kapazitäten, um den hohen Sanierungsbedarf zu finanzierbaren Konditionen abzudecken.“ Gemündet sind die Laborversuche in dem Joint-Venture „Renowate“, einem Gemeinschaftsunternehmen der LEG und der österreichischen Rhomberg Bau. Denn „letzten Endes standen wir vor der ‚Henne-Ei-Problematik‘. Also der Frage, ob erst ein entsprechender Bedarf an seriellem Sanieren da sein muss, bis es in die fabrikmäßige Vorfertigung gehen kann, oder genau umgekehrt über die Lösung die für wirtschaftliche Mengengerüste notwendige Nachfrage geschaffen wird“, so Miltz weiter.
Und weil der LEG angesichts des eigenen Handlungsdrucks das Machen deutlich näher lag als das weitere Abwarten und Suchen nach Sanierungskonzepten, wurde binnen weniger Monate zusammen mit Rhomberg Bau ein ganzheitlicher Lösungsansatz für die umfassende energetische Ertüchtigung von Bestandsgebäuden entwickelt: Ausgangspunkt sind dabei die fabrikmäßig vorgefertigten Vorhangfassaden von Renowate, die „zusammen mit der Dachsanierung die Gebäudehülle von Effizienzklasse H auf das Energieniveau A bringen, also de facto Neubaustandard“, so Miltz. Noch sei das Verfahren zwar etwa 15 Prozent teurer als ein klassisch aufgebrachtes Wärmedämmverbundsystem: „Aber erstens gibt es dafür über den Förderbonus ,serielles Sanieren‘ eine passende Bundesförderung, über die wir die Mehrkosten abfangen. Zweitens ist der Bedarf an Sanierungen viel höher, als dass er angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels mit der konventionellen Herangehensweise auch nur ansatzweise gedeckt werden könnte. Und drittens bietet das Serielle Sanieren einige Vorteile, die den Mehrpreis bereits rechtfertigen. Geschwindigkeit und bessere Mieterkommunikation sind nur zwei davon.“
Die Herstellung der Vorhangfassaden ist dabei nahezu vollständig digitalisiert, von der zentimetergenauen Erfassung der Gebäudedimensionen über die weitestgehend automatisierte Planung inklusive Fensterelementen und Lüftungstechnik bis hin zur Ansteuerung der Holzbearbeitungsmaschinen für die tragende Rahmenkonstruktion oder die späteren Befestigungspunkte an der Altfassade.
„Im Sinne einer Integralen Planung mit 3D-Modellen wurden die digitalen Möglichkeiten in diesem Prozess schon weit ausgereizt“, sagt Miltz: „Gleichzeitig haben wir aber auch gelernt, wo die Grenzen des Digitalen und der daraus abgeleiteten Prozessoptimierung sind. Da die noch existierenden Planunterlagen zu den Bestandsobjekten in Beständen aus den 1955er Jahren auch deutlich voneinander abweichen können, ist es ein Teil der Herausforderung, darauf im Bauablauf flexibel reagieren zu können.“ Ein typisches Ergebnis dafür ist die Befestigung der Vorhangfassaden an den teilweise stark hinsichtlich Dicke und Beschaffenheit voneinander abweichenden Zwischendecken der Häuser: Nahm die individuelle Anpassung zu Beginn des Sanierungsprojektes noch zwei Wochen in Anspruch, sind es bei Abweichungen vom Standard heute nur noch etwa 48 Stunden.
„Entscheidend ist Optimierung der Prozesse“
Renowate-Geschäftsführer Miltz: „Daran wird aber auch deutlich, wie wichtig es ist, immer den kompletten Prozess im Blick zu behalten. Und zwar über die energetische Ertüchtigung der Gebäudehülle und die Umsetzung vor Ort, die übrigens im bewohnten Zustand der Gebäude erfolgt, deutlich hinaus bis hin zur anschließend ebenso notwendigen Erneuerung der Heiztechnik in den Objekten. Denn selbstverständlich müssen auch die bisherigen Gasheizgeräte in den Wohnungen durch eine nachhaltige Heiztechnik ersetzt werden, die den energetischen Neubaustandard der sanierten Häuser abbildet.“
Wie schon bei der Dämmung der Fassaden wurde hier gleichfalls nach Anlagenkonzepten und Anbietern gesucht, die den Grundgedanken der wirtschaftlich-seriellen Anpassung an die unterschiedlichsten Gebäudegrößen und -bedarfe abbilden. Peter Schneider, Key Account Manager Bau- und Wohnungswirtschaft bei Vaillant: „Mit unseren Luft/Wasser-Wärmepumpen vom Typ aroTHERM plus können wir eine Geräteplattform zur Verfügung stellen, die genau diesen Anforderungen gerecht wird: Über die Einzelgeräte wird bei A -7/W55 bereits eine Leistungsbreite von 3,7 bis 11,3 kW abgedeckt. Bei den Pilotprojekten in Mönchengladbach sind es als 2er-Kaskade je nach Gebäude bis zu 22,6 kW. Es ist also nur eine Frage der Wärmebedarfsberechnung, wie hoch die benötigte Leistung ist – der Gerätetyp und damit die Grundkonfiguration sowie die Installation sind immer identisch.“
Zu der Grundkonfiguration zählen neben den Wärmepumpen für die größeren Gebäuderiegel jeweils zwei 800-Liter-Pufferspeicher (zwei Stück, um die Einbringung in die niedrigen Kellerräume sicherzustellen), die entsprechende Regelungstechnik von Vaillant mit dem zentralen Regler sensoCOMFORT inklusive Möglichkeit zur Fernparametrierung, sowie auf den Etagen Wohnungsstationen (10 kW in Zweileiter-Technik) für die Wärmeversorgung und die Warmwasserbereitung. In kleineren Objekten mit nur vier oder sechs Wohneinheiten ist die Konfiguration vergleichbar, aber mit jeweils nur einer Luft/Wasser-Wärmepumpe und angepasst dimensionierten Pufferspeichern.
In den Gebäuden selbst bleibt die Wärmeverteilung über die vorhandenen Radiatoren prinzipiell bestehen. Lediglich in den wenigen Fällen, in denen die Heizkörper zu alt sind oder für die reduzierte Vorlauftemperatur von 50 °C nicht mehr ausreichend, werden neue Radiatoren mit größerer Heizleistung installiert.
Partnerschaftliche Weiterentwicklung
Für Vaillant als Heiztechnik-Partner von Renowate „hat das Sanierungsgroßprojekt der LEG in Mönchengladbach-Hardt aber nicht nur die anlagentechnische Dimension“, sagt Matthias Junge, Projektleiter Serielles Sanieren bei dem Hersteller aus Remscheid: „Als einer der führenden Systemanbieter von Wärmepumpen gehört es für uns zum Tagesgeschäft, dem Markt flexibel bedarfsgerechte Anlagenkonfigurationen zur Verfügung stellen zu können. Über das serielle Sanieren im industriellen Maßstabe sind wir aber gefordert, ebenfalls ganz neue Abstimmungs- und Liefer-, vor allem aber Kommunikationsprozesse aufzusetzen, die sich an den spezifischen Bedürfnissen von in diesem Fall Renowate als ,Generalübernehmer‘ orientieren.“
Denn „ein Heiztechnik-Lieferant, der nur die Geräte oder Anlagen liefern kann, ist uns auf jeden Fall zu wenig“, skizziert Miltz die Erwartungshaltung von Renowate als Auftraggeber: „Wir brauchen stattdessen einen Partner, dessen Technik erstens skalierbar ist und der sich zweitens genauso wie wir in die Weiterentwicklung der handwerklich-industriellen Abläufe für serielles Sanieren einbringt. Vor allem, weil wir mit den aktuellen Projekten hier vor Ort Pionierarbeit leisten, die in den kommenden Jahren als Dienstleistung breit ausgerollt werden soll.“
Denn der Markt für ein solches Angebot sei immens, so Miltz. Allein in den beiden vergangenen Jahren wurden 230 Wohneinheiten bei der LEG entsprechend saniert, in 2024 steht eine noch höhere Zahl auf dem Plan: „Die Frage ist nicht, ob das von uns entwickelte Produkt ,serielle Sanierung‘ mit Renowate als One-Stop-Shop, von der ersten Bestandsaufnahme bis hin zur schlüsselfertigen Übergabe inklusive der gesamten Planung und Sanierung der Gebäudehülle, der Technik sowie optionaler Zusatzleistungen wie beispielsweise dem Ansetzen von Balkonen inklusive Zusatzleistungen wie Mieter-Kommunikation oder Unterstützung bei der Beantragung von Fördermitteln einen für wirtschaftliches Handeln ausreichenden Volumenmarkt findet. Der ist allein bei der LEG für mehr als zehn Jahre gesichert. Die Frage lautet nach der jetzt erreichten Serienreife vielmehr: Wie werden wir mit diesem Volumen fertig, wie schnell können wir die Kapazitäten aufbauen, um die Nachfrage zu befriedigen?“ Eine mehr als rhetorische Frage, die endgültig die – siehe oben – ‚Henne-Ei-Problematik‘ erfolgreich aufzulösen verspricht.
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