Hydrologische Leistungsfähigkeit von Dachbegrünungen
Starkregenereignisse bringen die Kanalisation immer häufiger an ihre Grenzen. Die Wasserrückhaltung von Dachbegrünungen erfährt vor diesem Hintergrund zunehmend Aufmerksamkeit. Schon dünnschichtige Gründachaufbauten können sehr viel Wasser zurückhalten, zumindest aber den Abfluss effektiv verzögern. Selbst in wassergesättigtem Zustand bietet der Schichtaufbau einer Dachbegrünung genügend Grobporenvolumen, um gerade bei heftigen Wolkenbrüchen als Zwischenspeicher zu wirken. Die Abflussspitzen reduzieren sich deutlich.
Die hydrologische Leistungsfähigkeit von Dachbegrünungen zeigt sich im Abflussbeiwert als Quotient aus dem abfließenden Überschusswasser zum Niederschlag. Kennwerte für den Spitzenabflussbeiwert in Abhängigkeit von der Schichtdicke der Schüttstoffe des Gründachaufbaus enthalten die FLL-Richtlinien (Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung, Landschaftsbau) für Dachbegrünungen. Bei 2 bis 4 Zentimetern Aufbaudicke beträgt der Spitzenabflussbeiwert nach FLL 0,7. Dieser Wert verbessert sich stufenweise mit zunehmender Schichtdicke auf 0,1 bei mehr als 50 Zentimetern Gründachaufbau. Bei 6 bis 10 Zentimetern können nach FLL 0,5 angesetzt werden.
Ungünstigen Verhältnis von Standard- zu Notabläufen
Zusätzlich besteht die Möglichkeit, den Abflussbeiwert systembezogen zu prüfen. Bei diesen Prüfungen werden regelmäßig wesentlich bessere Ergebnisse erzielt. Abflussbeiwerte kleiner 0,3 sind mit 6 oder 8 Zentimetern Schichtdicke keine Seltenheit. Mit speziellen Systemaufbauten sind sogar Werte kleiner 0,1 möglich.
Die extremen Werte sind für die Auslegung der Dachentwässerung aber nicht nur vorteilhaft. Bei der Berechnung der Notentwässerung darf der Abflussbeiwert nicht berücksichtigt werden. Zusätzlich erhöht sich die Abflussmenge der Notentwässerung um das zurückgehaltene Volumen aus der Regel-Dachentwässerung. Dies führt zu einem ungünstigen Verhältnis von Standard- zu Notabläufen und ist praktisch teilweise nur schwer umsetzbar. Der Abflussbeiwert sollte also nicht isoliert betrachtet werden. Ebenso sind die Anforderungen zu beachten, die sich aus der Dachentwässerung ergeben.
Sind Dachbegrünung und Dachentwässerung aufeinander abgestimmt, ergeben sich viele positive Effekte:
Entlastung der Kanalisation. In Neubaugebieten kann es vorkommen, dass die Einleitung von zusätzlichem Oberflächenwasser stark begrenzt ist. Der Regenwasserspeicher auf dem Dach ist hier in der Regel eine einfache und preiswerte Möglichkeit, den Oberflächenabfluss entscheidend zu verringern.
Dimensionierung der Versickerungseinrichtungen. Darf kein Oberflächenwasser abgeleitet werden, weil die Abwasserleitungen bereits voll ausgelastet sind, ist die Kombination aus Dachbegrünung und Versickerung eine gute Option. Durch die Rückhaltung auf dem Dach können die Versickerungseinrichtungen wesentlich kleiner ausgelegt werden. Der Flächenbedarf sinkt entsprechend. Bei schlecht durchlässigem Untergrund besteht unter Umständen überhaupt nur in Verbindung mit der Dachbegrünung die Möglichkeit der Versickerung.
Verdunstung. Über die Oberfläche von Substrat und Pflanzen verdunstet ein großer Teil des Niederschlags. Dies trägt zu einer spürbaren Verbesserung des Kleinklimas auf dem begrünten Dach bei. Zusätzlich wirkt die Verdunstungskälte kühlend auf die Oberfläche. Hinsichtlich des sommerlichen Wärmeschutzes gibt es Überlegungen, die Verdunstungsleistung der Dachbegrünung durch Nachspeisung von Oberflächenwasser sogar noch weiter zu erhöhen.
Ökologie. Wird Wasser als wertvolle Ressource betrachtet, kann die schnellstmögliche Ableitung nicht das Ziel sein. Mit einer Dachbegrünung stellt sich zumindest für einen Teil des Niederschlags wieder ein ökologisch sinnvoller Wasserkreislauf ein.
Mit einem ganzheitlichen Regenwassermanagement können die negativen Umweltauswirkungen von Baumaßnahmen minimiert werden. Dachbegrünungen bieten hier neben vielen anderen positiven Funktionen erhebliches Potenzial und werden immer häufiger als Baustein im lokalen Wasserkreislauf eingesetzt. Dies ist auch ein wertvoller Beitrag zur weiteren Verbreitung von grünen Dächern.
Stefan Ruttensperger
www.bauder.de