Ein Zuhause für jedes Alter in Singen
Mit einem nachhaltigen Modernisierungskonzept schafft die Baugenossenschaft Hegau eG zurzeit in der Überlinger Straße in Singen zeitgemäßen Wohnraum unter den Aspekten des demografischen Wandels. Fünf achtgeschossige Punkthäuser aus den 60er-Jahren werden sowohl energetisch als auch seniorenfreundlich modernisiert. Die Genossenschaft hat Erfahrung in dem Bereich: Bereits vor drei Jahrzehnten begann das Unternehmen mit dem Bau von Seniorenwohnungen.
Die Baugenossenschaft Hegau ist ein traditionsreiches Unternehmen, dessen Wurzeln über 60 Jahre zurückliegen. Im Jahr 1952 wurde die Genossenschaft gegründet. Wie überall im Nachkriegsdeutschland herrschte zu dieser Zeit in Singen eine große Wohnungsnot. Viele Flüchtlinge und Vertriebene kamen in die Stadt und waren auf der Suche nach einer dauerhaften Bleibe. Gründungsvater Emil Sräga, der selbst seine Heimat Nordböhmen verlassen musste, sah die Mission der Baugenossenschaft darin, neuen bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, um der Misere der Wohnungsknappheit ein Ende zu setzen.
Knapp zwei Jahre nach Genossenschaftsgründung konnten bereits die ersten Mieter 54 Neubauwohnungen in Singen beziehen. Im gleichen Jahr weitete die Hegau ihre Bauaktivitäten über die Grenzen Singens nach Konstanz aus. Auch in Stockach baute die Baugenossenschaft zahlreiche Wohnungen. Nachhaltiges Wirtschaften gehört bis heute zur Unternehmensphilosophie. Dabei liegt der Fokus seit vielen Jahren auf energieeffizientem Bauen und Modernisieren. Im Jahr 2001 gründete die Hegau eine Tochtergesellschaft zur Wärmelieferung für das Mutterunternehmen. Zwei Jahre später nahm die Baugenossenschaft eine Holzhackschnitzelheizanlage zur Versorgung von 350 Wohnungen in Betrieb. 17 weitere klimaschonende Holzheizanlagen folgten.
Neben Energieeffizienz spielt aber auch die Gestaltung des Wohnumfelds und der Gebäude eine große Rolle bei der Hegau. Um eine höhere Gestaltungsqualität zu erreichen, begann die Genossenschaft 2004 mit der Durchführung von Architektenwettbewerben, sowohl bei Modernisierungen als auch beim Mietwohnungsneubau.
Seit 30 Jahren für Senioren da
Die Anfänge des demografischen Wandels liegen in den 70er-Jahren. Allerdings sollten noch viele Jahre vergehen, bis dieser zu einem wichtigen Thema in den Medien und der Politik wurde. Die geburtenstarken Jahrgänge der 60er-Jahre hafteten noch in den Köpfen der Deutschen und ließen nicht an einen nachhaltigen Bevölkerungsrückgang und eine drastische Veränderung der Altersstruktur glauben. Doch die Hegau bewies bereits Anfang der 80er-Jahre unternehmerische Weitsicht und begann schon damals mit dem Bau von Seniorenwohnungen. Von da an waren die Bedürfnisse ihrer älteren Mieter stets ein wichtiger Aspekt bei sämtlichen Modernisierungs- und auch Neubaumaßnahmen. Ein besonders fortschrittliches Seniorenprojekt entwickelte die Genossenschaft im Jahr 2003, die Hegau-Seniorenfamilien. Den Entschluss, ein Lebenshaus für 70 pflegebedürftige Senioren zu bauen, die in kleinen Hausgemeinschaften miteinander leben, setzte das Wohnungsunternehmen in der Freiburger Straße in Singen um: 2008 feierte das Emil-Sräga-Haus seine Einweihung.
Seniorenfreundlichkeit gehört schon lange zum Hegau-Standard. Damit wird gerade auch älteren Menschen mit Mobilitätseinschränkungen ein selbstbestimmtes Wohnen in den eigenen vier Wänden ermöglicht.
Punkthäuser der 60er-Jahre
Zehn Jahre nach der Unternehmensgründung sorgte die Veröffentlichung der Planung eines Hegau-Großprojekts im Jahr 1962 für Gesprächsstoff in der Stadt Singen. Das Projekt sah den Bau der ersten Hochhäuser in der Hohentwielstadt vor: fünf achtgeschossige Punkthäuser mit insgesamt 200 Wohnungen in der Überlinger Straße. Die Ausstattung mit Zentralheizung, Aufzug und Müllschluckern war für damalige Verhältnisse hochmodern. Mit einem Mietpreis von 1,65 Mark pro Quadratmeter erreichte die Hegau ihr Ziel, bezahlbaren, zeitgemäßen Wohnraum für eine breite Bevölkerungsschicht anbieten zu können. Am Ortseingang gelegen, bildeten die Gebäude einen wertvollen Stadtbaustein mit hohem Erkennungs- und Identifikationswert.
Doch nach vielen Jahrzehnten Nutzung entsprach der Zustand der Häuser nicht mehr den heutigen Anforderungen an modernes Wohnen. Die Optik der Gebäude war eher monoton. Auch energetisch ließen die Häuser mit der schlichten Bauweise der 60er-Jahre zu wünschen übrig. Außerdem sickerte mittlerweile Regen durch das Flachdach hindurch, das Leck war nicht zu finden. Für Mieter mit Mobilitätseinschränkungen erschwerten Barrieren und Hindernisse die Benutzung. Die Bäder mit ihrem gelben Fliesenchic der 60er-Jahre waren nicht wirklich ansprechend und komfortabel. Sie verfügten lediglich über eine Badewanne und waren insbesondere für Kinder und Senioren nicht geeignet.
So beschloss das Singener Wohnungsunternehmen, die Hochhäuser einer umfassenden Modernisierung zu unterziehen, um seinen Mietern nachhaltig modernen Wohnraum bieten zu können und das Stadtbild optisch aufzuwerten. Der ehrgeizige Plan: die energetische Sanierung von 200 Wohnungen in fünf Häusern und eine Aufstockung mit zehn Penthauswohnungen unter der Berücksichtigung altersgerechter Aspekte.
Startschuss für Großmodernisierung
Die Erfahrungen der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass es sich bei großen Projekten lohnt, einen Architektenwettbewerb auszuschreiben. „Die Ergebnisse waren immer überzeugend“, sagt Hegau-Vorstand Axel Nieburg, „und einige sogar preisgekrönt.“ So lobte die Baugenossenschaft 2010 einen Architektenwettbewerb für das Projekt „Überlinger Straße“ aus. Das Planungsbüro Herrmann und Bosch Architekten aus Stuttgart bekam den Zuschlag und durfte seinen Siegerentwurf für die Überlinger Straße umsetzen.
Im Dezember 2011 begann die Realisierung des Sanierungskonzepts. Die zentralen Ziele der Modernisierung sind die Wohnumfeldverbesserung und Erhöhung der Gestaltungsqualität, die seniorenfreundliche Anpassung der Häuser durch verschiedene Maßnahmen und selbstverständlich die energetische Gebäudeoptimierung. Über 60.000 Euro kostet die Modernisierung pro Wohnung. „Wir wollen unseren Mitgliedern eine zukunftsfähige und qualitätsvolle Wohnung anbieten“, begründet Hegau-Geschäftsführer Axel Nieburg das Investitionsvolumen von über 15 Millionen Euro für die Modernisierung aller fünf Hochhäuser.
Seniorengerecht im Detail
Eine besondere Herausforderung bei diesem Großprojekt waren Umbau und Modernisierung der kleinen Bäder, die zuletzt alles andere als zeitgemäß waren. „In den Badezimmern der Hochhäuser mit den typischen Grundrissen aus den 60er-Jahren gab es bisher keine separate Dusche. Unser Wunsch war es aber, beides anbieten zu können“, so Nieburg.
Mit dem Einbau von Duschbadewannen schlug die Genossenschaft zwei Fliegen mit einer Klappe. Der Platzbedarf ist nicht größer als bei einer handelsüblichen Badewanne. Dafür bieten die Duschbadewannen einen großzügigen Duschbereich und eine komfortable Badewanne auf kleinstem Raum. Die integrierte Duschtür aus Sicherheitsglas öffnet sich platzsparend nach innen und ermöglicht so einen bequemen, nahezu bodenebenen Zugang. Axel Nieburg freut sich über die Lösung: „Senioren können in ihrer gewohnten Umgebung wohnen bleiben, auch wenn sie in der Beweglichkeit eingeschränkt sind.“
Die Hegau weiß, seniorenfreundliches Wohnen zeigt sich im Detail, sowohl im Innen- als auch im Außenbereich. Auch junge Familien profitieren von barrierearmer Gestaltung, ohne Stufen und Hindernisse für Kinderwagen und kleine Kinderfüße.
Ausgezeichnetes Projekt
Das Hegau-Projekt Überlinger Straße wurde von der Arbeitsgemeinschaft Baden-Württembergischer Bausparkassen und der Landesregierung als zukunftsweisendes Projekt ausgezeichnet. Im Rahmen des Städtebau- und Architekturwettbewerbs mit dem Titel „Haus. Häuser. Quartiere – Wohnen nachhaltig gestalten“ wurden innovative Wohnungsbaukonzepte prämiert. Von 80 eingereichten Beiträgen bewertete die unabhängige Fachjury 18 Projekte als herausragend, darunter das Hegau-Modernisierungsprojekt in der Überlinger Straße in Singen.
Gesucht wurden beispielhafte Projekte und Konzepte in Baden-Württemberg, die Wohnungsneubau und Wohnungsbestand nachhaltig qualifizieren und zugleich architektonischen und baukulturellen Qualitätsansprüchen Rechnung tragen.
Das Projekt in Singen wurde als zukunftsweisendes Modernisierungskonzept gewürdigt, das durch wohnraum- und wohnumfeldverbessernde Maßnahmen die fünf achtgeschossigen Häuser aus den 60er-Jahren an den heutigen Wohnstandard anpasst. Ziel des Konzepts ist, das Häuserensemble am Ortseingang wieder zu einem städtebaulichen Blickfang zu machen und energetisch auf den neuesten Stand zu bringen. Besonderes Augenmerk gilt bei diesem Konzept der seniorenfreundlichen Anpassung der Gebäude durch verschiedene Maßnahmen, wie die barrierearme Verbesserung der Zugänglichkeit des Hauseingangs, des Aufzugs und der Balkone sowie den Einbau komfortabler, altengerechter Bäder.
Ende in Sicht
Das letzte Punkthaus wird saniert. Auf dem Dach des Hauses Überlinger Straße 7 stehen die Wände für das neue Penthaus mit zwei Wohnungen. Innerhalb von zwei Tagen wurden die Holzteile für die Außenwände und das neue Penthausdach wie ein Puzzle ineinandergefügt. Nun geht der Innenausbau ganz oben, aber auch in den 40 Bestandswohnungen zügig voran.
Von außen ist der Baufortschritt deutlich sichtbar. Der neue Putz ist auf der Gebäudehülle bereits aufgetragen. Die alten Fenster wurden gegen neue Energiesparfenster ausgetauscht. Mittlerweile sind die alten Balkone demontiert, um Platz zu machen für die neuen größeren Balkone, die im nächsten Schritt angebaut werden. Auch im Inneren des Gebäudes tut sich einiges. Die neuen Badezimmer mit den modernen Duschbadewannen sind in den meisten Wohnungen schon eingebaut. Anschließend werden die Hauseingänge verschönert und barrierearm gestaltet. Im Frühjahr 2015, so der Zeitplan, soll auch Hausnummer 7 fertig sein.
Der Wandel in der Überlinger Straße ist allerdings jetzt schon spürbar: Die Modernisierung nimmt, im wahrsten Sinne des Worts, Gestalt an. Auch bei den Mietern macht sich gute Stimmung breit. Trotz der vielen Unannehmlichkeiten durch die Modernisierungsmaßnahmen überwiegt die Freude über den neuen modernen Wohnraum, der einiges an zusätzlichem Komfort zu bieten hat und weiterhin bezahlbar bleibt.
Claudia Närdemann