Die Auffassung, dass ältere Aufzüge auf den Stand der Technik gebracht werden müssen, ist inzwischen weit verbreitet – trifft jedoch nicht zu. Vielmehr verlangt die Betriebssicherheitsverordnung, aus deren Novelle diese Annahme resultiert, dass die Anlagen sicher verwendet werden können. Der Stand der Technik, der für eine neue Anlage das Maß der Dinge ist, spielt dafür eine untergeordnete Rolle. Was wirklich nötig ist, um den Aufzug sicher zu verwenden, wird mit einer Gefährdungsbeurteilung beziehungsweise Sicherheitsanalyse im Einzelfall festgestellt.
Aufzüge gehören heute nach wie vor zu den sichersten Verkehrsmitteln. Dafür sorgen nicht zuletzt die Vorgaben der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV). Gleichzeitig hat eine Novelle dieser Verordnung im Jahr 2015 dazu geführt, dass viele Immobilienverwalter verunsichert wurden. Denn unter anderem wurde der sogenannte „Bestandsschutzparagraf“ (Paragraf 27 der alten BetrSichV) für überwachungsbedürftige Anlagen gestrichen und gleichzeitig der Stand der Technik hervorgehoben. Aus diesem Sachverhalt entstand die Auffassung, dass ältere Anlagen in jedem Fall nachgerüstet werden müssen. Vertreten wurde und wird diese Meinung zum Teil nicht nur von Herstellern und Wartungsfirmen, sondern auch von Branchenverbänden wie beispielsweise dem Dachverband Deutscher Immobilienverwalter (Mehr dazu hier).
Jedoch ist diese Auslegung nicht korrekt. Gemäß der aktuellen BetrSichV muss der für den Betrieb einer älteren Aufzuganlage verantwortliche Verwalter in erster Linie dafür Sorge tragen, dass sie „sicher verwendet werden kann“. Um das festzustellen, braucht es deshalb zunächst eine Gefährdungsbeurteilung beziehungsweise Sicherheitsanalyse. Werden hierbei Defizite festgestellt, dann muss er durch geeignete Maßnahmen Abhilfe schaffen. Den Stand der Technik zu erreichen ist hierfür nicht zwingend geboten. Denn bei älteren Aufzügen können die aktuellen Konstruktionsnormen, die für neue Aufzuganlagen gelten, zwar als Basis für die Beschreibung des Sicherheitsniveaus herangezogen, aber häufig nicht in einem vertretbaren Umfang angewendet werden.
Das verdeutlicht beispielsweise ein Aufzug, der vor 1972 installiert wurde. Damals genügte es, wenn der Triebwerksraum 1,80 Meter hoch war. Bei einem neu installierten Aufzug ist das schon lange nicht mehr ausreichend. Doch daraus folgt nicht, dass der Triebwerksraum nachträglich vergrößert werden muss. In diesem Fall genügt es, wenn durch Warnschilder auf die niedrige Deckenhöhe und die damit verbundenen Gefährdungen hingewiesen wird und mögliche Gefahrstellen, zum Beispiel Deckeneinbauten, abgepolstert werden.
Maßnahmen entwickeln, die zum Ziel führen
Indes fällt es den meisten Immobilienverwaltern schwer zu beurteilen, ob der Aufzug sicher verwendet werden kann. Nur wenige können auf das Know-how und den Sachverstand spezialisierter Mitarbeiter zurückgreifen, die die Gefahren der unterschiedlichen Betriebszustände (zum Beispiel Wartung, Instandhaltung, Befreiung eingeschlossener Personen etc.) adäquat einschätzen können. Viele verlassen sich daher auf die Einschätzung ihrer Wartungsfirma – die jedoch ein wirtschaftliches Interesse daran haben kann, dass der Aufzug nachgerüstet oder modernisiert wird.
Die Sachverständigen von TÜV Süd empfehlen daher, auch eine zugelassene Überwachungsstelle hinzuzuziehen. Dies e haben kein wirtschaftliches Eigeninteresse an der Modernisierung und können neutral beurteilen, wie eine Gefährdung einzustufen ist. Stellt sich heraus, dass der Aufzug bis zur nächsten Prüfung nicht sicher verwendet werden kann, dann sind die Betreiber gefordert, die Mängel zu beseitigen und dabei das sogenannte „TOPPrinzip“ zu beachten: Zunächst sind Technische Maßnahmen in Erwägung zu ziehen, um ein sicherheitstechnisches Mindestniveaus zu erreichen. Wenn diese nicht praktikabel oder verhältnismäßig sind, müssen Organisa torische Schutzmaßnahmen ergriffen werden. Nur als letzte Option sind Personenbezogene Schutzmaßnahmen zulässig. Im konkreten Einzelfall können die Sachverständigen wichtige Hinweise geben, welche Art von Maßnahme erforderlich beziehungsweise sinnvoll ist.
Text: Dieter Roas, Leiter Geschäftsfeld Fördertechnik bei TÜV Süd Industrie Service und Vorsitzender des Erfahrungsaustauschkreises der Zugelassenen Überwachungsorganisationen