Sanierung hängt vom Baustoff ab
Bevor eine generelle Sanierungsempfehlung ausgesprochen wird, sollten zunächst die verschiedenen Baustoffe oder Bauteile betrachtet werden. Plattenbauten und die meisten Industriebauten bestehen in der Regel aus Beton, der gegenüber Wasser beständig ist. Problematisch sind Hohlräume in einer Mehrschichtplatte. Eine technische Bautrocknung ist grundsätzlich möglich. Danach muss der Zustand der Kerndämmung geprüft werden. Sind Mauerwerke über Tage durchfeuchtet, kommt es in der Bewertung darauf an, welche Steine oder Putze verwendet wurden. Während Ziegel- und Kalksandsteine relativ einfach getrocknet werden können, gestaltet sich durchnässter Porenbeton oder Leichthochlochziegel mit Styroporfüllung als Härtefall. Gipsbaustoffe wie beispielsweise Gips- oder Gipskalkputze sowie Gipskartonplatten sind in der Regel komplett durchnässt und müssen entfernt werden. Kalk-, Kalkzement- oder Zementputze sind nach der Trocknung meistens wieder in ihrem alten Zustand. Dennoch empfiehlt sich in der Regel ein Abschlagen, damit das dahinterliegende Mauerwerk ausreichend austrocknen kann.
Sind Altbauten vom Hochwasser betroffen, stellen in der Regel die vielfach verwendeten Holzkonstruktionen für den Deckenaufbau und Bundwände das Problem dar. Alle diese Holzbauteile sind zeitnah zu trocknen. Bei Erdgeschosswohnungen, in denen ein Dielenbelag über einer Kappe verlegt ist, muss in der Regel der gesamte Fußbodenaufbau entfernt werden. Das Hauptproblem besteht darin, dass die Dielen und meistens auch die Lagerhölzer an den Randbereichen bereits durch holzzerstörende Pilze und Insekten befallen sind. Diese können sich relativ schnell ausbreiten. Nach zirka ein bis zwei Wochen entstehen erste kleine Fruchtkörper. Mehrere Millimeter pro Tag Wachstumsradius sind keine Seltenheit. Eine nachträgliche Sanierung ist in der Regel unverhältnismäßig, sodass ein Austausch der meist bessere Weg ist.
Fertigteilhäuser erleiden oftmals Totalschaden
Ein besonderer Härtefall sind Fertigteilhäuser. Die Statik dieser Holztafel- oder Holzrahmenbauwerke wird durch die montierten Holzwerkstoffplatten erreicht. Die Wärmedämmung wird durch Mineralwolle oder durch alternative Dämmstoffe, wie beispielsweise Holzfaser, Wolle, Schilf, Kork, Papier und dergleichen, erzielt. Diese Dämmstoffe werden sehr schnell durchfeuchtet und durch Schimmelpilze oder holzzerstörende Pilze befallen. Ein kompletter Rückbau ist unerlässlich. Infolgedessen muss die Dampfbremse durchschnitten werden. Des Weiteren treten durch das Quellen der aussteifenden Platten Verformungen auf, sodass zum einen die Winddichtheit der Gebäude nicht mehr gegeben ist und zum anderen die Putze oder andere Beschichtungen gerissen sind. Verbindungen der Holzkonstruktion sind in der Regel geschädigt oder lösen sich auf.
Ähnlich verhält es sich bei Fachwerk- und Lehmhäusern. Diese Gebäude stellen in ihrer Gesamtheit eine Einheit dar. Werden einzelne Bauteile geschädigt, kann sich dies auf die Standsicherheit auswirken. Besonders gut kann man dies an Deckenbalken erkennen, die aus Lehmstaken bestehen. Durch die verkeilten Strohwickel bildet die gesamte Decke eine in sich geschlossene Schicht und ist sehr stabil. Der Lehm, der unter normalen Bedingungen das Holz schützt, wirkt sich bei massiver Durchfeuchtung eher ungünstig aus. Grund hierfür ist, dass Lehm nur sehr langsam austrocknet. Lehmwände, Stampflehm oder Lehmsteine erreichen nach ihrer Durchnässung nicht mehr ihre ursprüngliche Festigkeit.
Ablauf der Sanierung
Nachdem das Hochwasser die Gebäude verlassen hat und eine erste Grundreinigung vorgenommen und durchnässte Oberflächenbeschichtungen entfernt wurden, erfolgt die technische Bautrocknung. Hierbei werden grundsätzlich vier Arten unterschieden: die Beschleunigung der Bauteiltrocknung durch Reduzierung der Raumluftfeuchtigkeit, Durchlüftung von Hohlräumen infolge eines Luftstroms, Erzeugung eines Luftstroms um das betroffene Bauteil sowie die Erwärmung des durchnässten Bereichs mittels Schwingungstechnik. Hierzu gehören Niederfrequenz, Mikrowellen oder Infrarot. Bei der Sanierung hochwassergeschädigter Gebäude werden meistens mehrere Trocknungsverfahren kombiniert, um eine schnelle Trocknung zu erreichen. Die Dämmschichttrocknung kommt zur Anwendung, wenn horizontale Wärme- und Trittschalldämmungen, Ausgleichsschüttungen jeglicher Art oder Wärmedämmungen in Außenwandkonstruktionen oder Trennwänden getrocknet werden müssen. Am Markt werden zwei verschiedene Technologien angeboten: das Überdruck- und das Unterdruckverfahren. Beim Überdruckverfahren wird erwärmte Luft durch spezielle Öffnungen in die Dämmschicht eingebracht. Bei diesem Vorgang reichert sich die trockene Luft mit Feuchtigkeit aus der Wärmedämmschicht an, bevor anschließend die feuchtegesättigte Luft über die offenen Randfugen in den Raum geleitet und dort über aufgestellte Trocknungsgeräte entfeuchtet wird. Dem Unterdruckverfahren liegt eine Umkehrung des technologischen Prinzips des Überdruckverfahrens zugrunde. Das bedeutet, dass die feuchte Luft mit Vakuumpumpen aus der Dämmschicht herausgezogen wird und trockene Luft über die offenen Randfugen nachströmt. Damit die nachströmende Luft auch wirklich trocken ist, muss sie über Trocknungsgeräte vorgetrocknet werden. Die Leistungsfähigkeit des Überdruckverfahrens ist im Vergleich zum Unterdruckverfahren zwar um 20 bis 30 Prozent höher. Andererseits wird beim Überdruckverfahren die Raumluft durch Staub, gegebenenfalls Sporen und andere mikrobielle Partikel belastet. Um eine Staubbelastung zu vermeiden, empfiehlt sich beim Vakuumverfahren der Einsatz von Mikrofiltern. Um eine mikrobielle Belastung zu vermeiden, werden sogenannte Hepa-Filter verwendet.
Je nachdem, wie lange das Hochwasser in den Gebäuden gestanden hat und wie hoch die Belastung durch Fäkalien und Keime gewesen ist, entstehen relativ schnell Gerüche. Nicht selten ist die Geruchsbildung auf unzureichend getrocknete Bereiche oder nicht entdecktes stehendes Wasser in Hohlräumen zurückführen, in denen sich organische Stoffe wie Holz, Kork und dergleichen langsam zersetzen. Für die dann notwendige Geruchsneutralisation können unterschiedliche Systeme eingesetzt werden: Trocken- und Feuchtnebelerzeugung, Besprühung, Bedampfung, Ozonisierung und Ionisierung. Hierdurch kann eine dauerhafte Geruchsneutralisierung durch Verdünnung, Modifikation oder Zerstörung der Geruchsmoleküle erreicht werden. Die entscheidende Variante ist die Neutralisation und damit die wirkliche Beseitigung, denn eine Geruchsüberdeckung ist keine Lösung von langer Dauer. Für alle Anwendungen gilt jedoch das gleiche Prinzip: erst muss die Geruchsquelle beseitigt und anschließend gereinigt und desinfiziert werden, bevor Maßnahmen zur Geruchsneutralisation erfolgreich eingesetzt werden können.
Hierbei werden dann desinfizierende und geruchsneutralisierende Substanzen in feinste Tröpfchen vernebelt. Je nach Zielsetzung werden Geräte zur Erzeugung von Feuchtnebel oder Trockennebel eingesetzt. Der Feuchtnebel eignet sich insbesondere zum Desinfizieren und Neutralisieren von Oberflächen, die gezielt eingesprüht werden sollen. In einer konzentrierten Form bildet sich ein Oberflächenfilm, der jedoch durch das Auge nicht wahrgenommen werden kann. Der Vorteil beim Trockennebelverfahren liegt in der außergewöhnlichen Feinheit der produzierten Tröpfchen, die bis zu 20 Stunden in der Luft schweben. Infolgedessen können sie auch in Hohlräume eindringen und dort eingezogene Geruchsstoffe erreichen. Die Konstruktion eingesetzter Verfahren bietet aufgrund der äußerst kurzen Berührungszeit von Substanz und Heißluftstrom außerdem den Vorteil, dass selbst thermisch sehr empfindliche Substanzen ohne Wirkungsverlust vernebelt werden können. Den Abschluss der Sanierung stellt die Neubeschichtung dar. Hierbei sollte unterschieden werden, ob die Fassade oder der Innenraum beschichtet wird und der vorhandene Untergrund bereits ausgetrocknet ist oder sich noch in der Trocknungsphase befindet. Des Weiteren spielt für die richtige Beschichtung eine Rolle, ob der Untergrund neben der Feuchte- auch eine Salzbelastung aufweist oder weitere Belastungen durch Kontaminationen (wie zum Beispiel durch Öl oder Diesel etc.) auf dem Untergrund oder im Mauerwerk vorhanden sind. Und letztendlich spielt auch eine wesentliche Rolle, welche Nutzung für diese Räume vorgesehen ist. Die Auflistung erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Wichtig ist die Aussage, dass Pauschalempfehlungen zur „richtigen“ Beschichtung aufgrund der individuellen Objektsituation nicht abgegeben werden können und immer nur untergrund- und objektbezogen erfolgen sollten. Bewährt haben sich diffusionsoffene Beschichtungen wie Kalkputze oder Silikatfarben.
Auch wenn man nachvollziehen kann, dass die Betroffenen in den Hochwassergebieten so schnell wie möglich ihren alten Zustand wiederherstellen wollen, soweit dies überhaupt möglich ist, so sollte allen Beteiligten bewusst sein, dass die Austrocknung der Bausubstanz grundlegende Voraussetzung ist, bevor man eine Neubeschichtung aufträgt. Weiterhin muss beachtet werden, dass sich in der Zwischenzeit bereits mikrobieller Befall gebildet hat und dieser nicht unbedingt sichtbar sein muss. Und dennoch die Gesundheit der Bewohner und sanierenden Fachmitarbeiter erheblich beeinträchtigen kann. Entsprechende Maßnahmen zum Atem- und Arbeitsschutz sind zu ergreifen.
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[tab title=“Der Autor“]Frank Frössel
Sachverständiger für Bautenschutz und Bausanierung sowie Schimmel- und Feuchteschäden[/tab]
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Dieser Beitrag ist zuerst im Modernisierungs-Magazin erschienen.