Flexibler Wohnraum ist in vielen Städten und Gemeinden knapp – zumal wenn er bezahlbar sein soll. In Wien wurde nun eine Lösung entwickelt, die Schule machen könnte: ein Studentenheim „To Go“. Das aus vorgefertigten Wohngruppen bestehende Gebäude lässt sich in wenigen Tagen aufstellen, etwa auf temporären Brachflächen. Wird das Grundstück wieder gebraucht, wird das Wohnheim einfach an einen anderen Ort gebracht. Das Modellprojekt in Wien ermöglicht nicht nur günstige Mieten. Das Gebäude erreicht den Passivhaus-Standard und erfüllt damit höchste Ansprüche an Energieeffizienz und Komfort. Und das System wäre auch anderweitig einsetzbar – etwa für nachhaltige Flüchtlingsunterkünfte.
Kostengünstige, aber qualitativ hochwertige Lösung
„In weltrekordverdächtig kurzer Bauzeit von nur einer Woche wurde ansprechender Wohnraum für 40 Studenten geschaffen“, sagt Günter Lang, der als Berater an dem Projekt beteiligt war. „Das Gebäude zeigt deutlich, dass auch bei temporären Lösungen nicht an der Qualität gespart werden muss.“ Die „PopUp-GreenFlexStudios“ in dem neuen Wiener Stadtteil Seestadt Aspern bestehen aus zehn Wohngruppen, die ein attraktives Atrium umschließen. Die Baukosten lagen mit 1.140 Euro pro Quadratmeter Bruttogeschossfläche weit unter dem örtlichen Durchschnitt. Für ein Zimmer zahlen Studierende nicht mehr als 350 Euro pro Monat, inklusive Nebenkosten.
Initiator des im September fertiggestellten Projekts war Christoph Chorherr, Planungssprecher der Wiener Grünen. Hintergrund war der akute Mangel an erschwinglichen Grundstücken für den Bau von Studentenheimen. Angesichts des aktuellen Bedarfs an zusätzlichem Wohnraum auch für Flüchtlinge betont der Politiker in seinem Blog aber die Vielseitigkeit des Konzepts. Auch Lang, der sich als Leiter des Netzwerks Passivhaus Austria für mehr Energieeffizienz im Bausektor einsetzt, sieht hier großes Potenzial für günstige und doch qualitätsvolle Lösungen.
Keine Abstriche bei der Energieeffizienz
Der überdachte, 250 Quadratmeter große Innenhof dient als Gemeinschaftsraum des Hauses. Hier befinden sich ein Sitz- und Loungebereich sowie Waschraum und Küche. Die Belichtung erfolgt über Kuppeln im Dach. Jede Wohngruppe verfügt über vier Zimmer sowie zwei Bäder und einen zusätzlichen Gemeinschaftsraum mit Miniküche. Neben der hohen architektonischen und bautechnischen Qualität weist auch das kompakte Energie- und Haustechnikkonzept viele Innovationen auf. Jede der zehn Wohngruppen ist für sich völlig autark konzipiert.
„Das neue Studentenheim in Wien ist ein weiteres Beispiel dafür, dass Energieeffizienz und leistbares Wohnen kein Widerspruch sind. Im Gegenteil: Durch die geringen Betriebskosten bleibt beim Passivhaus-Standard am Ende ein deutliches Plus“, sagt Prof. Dr. Wolfgang Feist, Leiter des Passivhaus Instituts. „Auch wenn sehr kurzfristig zu möglichst geringen Kosten gebaut werden muss, sind Abstriche bei der Energieeffizienz ein großer Fehler. Bessere Energieeffizienz ist eben nicht nur aus Umweltgesichtspunkten eine gute Idee – sie bringt auch bessere Bauqualität und geringere Gesamtkosten.“
Tage des Passivhauses vom 13. bis 15. November
„Während konventionelle soziale Wohnbauten mit Förderung mit einem Heizwärmebedarf von 25 bis 40 kWh/m²a in Wien bei Baukosten von 1.450 Euro pro Quadratmeter liegen, konnte dieses Studentenheim mit einem Heizwärmebedarf von nur 15 kWh/m²a zu 1.140 Euro pro Quadratmeter realisiert werden – inklusive sommerlichem Sonnenschutz“, sagt Lang. „Es widerlegt somit eindrucksvoll alle Vorurteile, dass sich Energieeffizienz nicht rechnen würde.“
Mehr als ein Drittel des Energieverbrauchs in den Industrienationen fließt in den Betrieb von Gebäuden, überwiegend in die Beheizung. Im Passivhaus ist dieser Energiebedarf um bis zu 90 Prozent reduziert. Gleichzeitig wird eine optimale Raumluft erreicht. Von den Vorteilen des Baustandards kann sich vom 13. bis 15. November jeder selbst überzeugen – anlässlich der internationalen „Tage des Passivhauses“ stehen dann hunderte Passivhäuser in vielen Ländern zur Besichtigung offen.
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