Fachbeitrag von Björn Langheim, Fachplaner und Trainer für Erneuerbare-Energien-Systeme, STIEBEL ELTRON
Die VDI-Richtlinie 6003 bietet hilfreiche Empfehlungen hinsichtlich der vertraglichen Vereinbarung eines Anforderungsniveaus für den Warmwasserkomfort. Bei der Erfüllung dieser Anforderungen bieten Produkte zur dezentralen Warmwasserbereitung entscheidende Vorteile.
Warmwasserbereitung mit wachsender Bedeutung
Einhergehend mit dem abnehmenden Energiebedarf in Neubauten gewinnt die Warmwasserbereitung zunehmend an Bedeutung. Während der Warmwasseranteil am Wärmebedarf bei Bestandsgebäuden rund 18 Prozent beträgt, sind Anteile von deutlich über 30 Prozent in Neubauten mit höchstem Energiestandard keine Seltenheit. Damit entfällt auf die Erwärmung von Trinkwasser ein deutlich höherer Anteil der verbrauchsgebundenen Kosten und umso wichtiger wird die Definition der Nutzeranforderungen an die einzelnen Entnahmestellen.
Während das DVGW-Arbeitsblatt W 551 und die DIN 1988-200 im Bereich der Trinkwasserhygiene zum Schutz vor Legionellenausbreitung umfangreiche Anforderungen definieren und sich in der Praxis seit Langem als anerkannter Stand der Technik etabliert haben, fehlt es mit Blick auf den Nutzerkomfort an einem Regelwerk mit vergleichbarer Bedeutung. Die VDI 6003 kann diese Lücke füllen.
Hohe Anforderungen an Trinkwasserhygiene
Ausgehend von dem für ein Legionellenwachstum günstigen Temperaturbereich zwischen 30 Grad und 45 Grad definiert das DVGW-Arbeitsblatt W 551 zahlreiche Anforderungen an Planung, Errichtung und Betrieb von Trinkwasserinstallationen. In Großanlagen mit mehr als 400 Liter Speichervolumen oder mehr als drei Litern Leitungsinhalt muss am Warmwasseraustritt des Trinkwassererwärmers stets eine Betriebstemperatur von über 60 Grad erreicht werden. Für Kleinanlagen wird eine Temperatur von 60 Grad empfohlen. Weiterhin sind in Anlagen mit mehr als drei Litern Leitungsinhalt grundsätzlich Zirkulationssysteme einzubauen, in denen sich die Betriebstemperatur zu keinem Zeitpunkt um mehr als fünf Kelvin abkühlen darf. Für Planer, Errichter und Betreiber von Trinkwasserinstallationen sind diese Vorgaben bindend. Zudem schreibt die Trinkwasserverordnung eine regelmäßige Untersuchung von Großanlagen auf einen Legionellenbefall vor und erzeugt damit gleichzeitig eine hohe Sensibilität für diese Thematik.
Anforderungen nach DIN 1988-200
Für den Trinkwasserkomfort sind weniger die Temperaturen am Austritt des Trinkwassererwärmers entscheidend, vielmehr stehen die Temperaturen an den vom Nutzer bedienten Armaturen sowie die Vorlaufzeiten bis zu ihrem Erreichen im Vordergrund. Die DIN EN 806-2 sowie die DIN 1988-200 definieren die planerischen Anforderungen an die Betriebstemperatur von Trinkwasserinstallationen. Danach darf bei bestimmungsgemäßem Betrieb maximal 30 Sekunden nach dem vollen Öffnen einer Entnahmestelle die Temperatur des Trinkwassers kalt 25 Grad nicht übersteigen und die Temperatur des Trinkwassers warm muss mindestens 55 Grad erreichen. Bei diesen Vorgaben differenziert das Regelwerk leider nicht nach der Entnahmestelle. Eine 30-sekündige Entnahme an einem Waschbecken führt schließlich zu deutlich geringeren Entnahmemengen als beispielsweise an einer Duscharmatur. Zudem sind dezentrale Trinkwassererwärmer oder Anlagen mit hohem Wasseraustausch von diesen Vorgaben ausdrücklich ausgenommen.
Mangelnde Rechtssicherheit
In der Rechtsprechung gilt ein zu geringer Warmwasserkomfort als Mangel und berechtigt zur Durchsetzung von Mietminderungen. Häufig werden in Verträgen keine Anforderungen für den Warmwasserkomfort vereinbart, so dass spätere Streitigkeiten schnell zu gerichtlichen Auseinandersetzungen führen können. In den gängigen Urteilen ist hierbei keine einheitliche Rechtsprechung zu erkennen, was zu mangelnder Rechtssicherheit für Planer und Betreiber führt.
Beurteilung des Trinkwasserkomforts nach VDI 6003
Die VDI 6003 gibt in Sachen Warmwasserkomfort klare Empfehlungen und kann das Risiko juristischer Streitigkeiten verringern. Die Richtlinie definiert drei Anforderungsstufen, die sich in folgenden Punkten unterscheiden:
– gleichzeitige oder serielle Nutzung von Entnahmestellen,
– zulässige Temperaturschwankung während der Nutzung,
– Mindestentnahmerate sowie
– absolute Mindestentnahmemengen.
Die Erfüllung einer Anforderungsstufe wird anhand der Wartezeit bis zum Erreichen der gewünschten Nutztemperatur beurteilt.
Die Anforderungsstufe I orientiert sich an der Drei-Liter-Regel aus der DIN 1988-200, während die Stufen II und III deutlich darüber hinausgehen und einen hohen Warmwasserkomfort mit kurzen Ausstoßzeiten bei geringen Temperaturschwankungen gewährleisten. Für eine Dusche mit einer Nutztemperatur von 42 Grad beträgt die nach Anforderungsstufe I maximal zulässige Wartezeit 26 Sekunden. Dabei ist eine Temperaturschwankung von maximal fünf Kelvin zulässig, und es wird ein zeitlicher Abstand zwischen zwei Nutzungen von maximal acht Minuten angenommen. Eine gleichzeitige Nutzung mehrerer Entnahmestellen findet dabei nicht statt. Die Mindestentnahmerate liegt bei 7 Litern pro Minute. Für die Anforderungsstufe II beträgt die maximal zulässige Zeit zehn Sekunden, gleichzeitig darf die Temperaturschwankung nur vier Kelvin betragen. Weiterhin reduziert sich der zeitliche Abstand der seriellen Nutzung auf maximal fünf Minuten, zudem ist eine gleichzeitige Nutzung mehrerer Entnahmestellen zu berücksichtigen, und die Mindestentnahmerate steigt auf 9 Litern Wasser pro Minute. Bei der Anforderungsstufe III (ebenfalls Mindestentnahme 9 l/min) sind es sieben Sekunden und zwei Kelvin, es gibt keinen zeitlichen Abstand zwischen zwei Nutzungen und auch hier ist eine gleichzeitige Nutzung mehrerer Entnahmestellen zu berücksichtigen.
In VDI 6003 wird zwischen einer Einzel-, Gruppen- oder Zentral-Warmwasserversorgung unterschieden. Eine Einzelversorgung liegt vor, wenn eine Entnahmestelle von einem einzelnen Warmwassererzeuger versorgt wird. Das kann beispielsweise mit Durchlauferhitzern oder Kleinspeichern realisiert werden. Eine dezentrale Gruppenversorgung bedeutet, dass mindestens zwei Entnahmestellen über eine gemeinsame Verteilleitung von einem Warmwasserbereiter versorgt werden. Bei einer wohnungszentralen Gruppenversorgung versorgt der Warmwassererzeuger die wirtschaftliche Einheit der Wohnung. Hierfür werden in der Praxis oft Durchlauferhitzer oder Wohnungsstationen eingesetzt. Eine Zentralversorgung liegt dann vor, wenn mehrere Entnahmestellen in einem Gebäude oder Gebäudeteil über ein gemeinsames Leitungsnetz von einem Warmwassererzeuger versorgt werden. Die zentrale Anlage ist in der Regel sowohl für die Erzeugung von Heizungswärme als auch für die Warmwasserbereitstellung zuständig – hierfür existiert eine Vielzahl von Anlagen- und Speicherkonzepten.
Wesentlicher Bestandteil einer Zentralversorgungsanlage ist ein Warmwasserspeicher, der eine hohe Verfügbarkeit und gleichzeitig einen effizienten Betrieb des Wärmeerzeugers gewährleistet. Die SBB-Produktserie von Stiebel Eltron ist auf den Betrieb von Wärmepumpen zugeschnitten und ermöglicht zusätzlich die Einbindung eines sekundären Wärmeerzeugers wie beispielsweise einer solarthermischen Anlage. Auch die SBS-Produktserie ist für den Betrieb mit einer Wärmepumpe optimiert – sie fungiert als Heizungspufferspeicher und ermöglicht gleichzeitig durch den integrierten Edelstahl-Wellrohr-Wärmeübertrager die Warmwasserbereitung im Durchflussprinzip. Für beengte Platzverhältnisse wiederum bietet Stiebel Eltron die Integralspeicher HSBB und HSBC mit kombiniertem Puffer- und Warmwasserspeicher an.
Anlagen zur Zentralversorgung werden aufgrund der Leitungs- und Speichervolumina nahezu immer mit Zirkulationssystemen ausgeführt. Damit ist einerseits ein hoher Installations- und Investitionsaufwand verbunden, andererseits treten im Betrieb hohe Verluste durch die Nacherwärmung des Leitungsinhalts der Zirkulation auf. Weiterhin muss die Speichertemperatur in Großanlagen, bspw. in einem Mehrfamilienhaus mit einem Rohrleitungsinhalt von über drei Litern vom Austritt des Wassererwärmers bis zur entferntesten Zapfstelle, dauerhaft auf mehr als 60 Grad gehalten werden, um den Anforderungen des DVGW-Arbeitsblattes W 551 gerecht zu werden. Die somit bei zentralen Anlagen entstehenden Energieverluste der Warmwasserbereitung können in der Größenordnung des eigentlichen Trinkwarmwasserbedarfes liegen. Bedingt durch große Leitungslängen – insbesondere im Wohngeschossbau – resultieren für den Nutzer lange Wartezeiten bis zum Erreichen der gewünschten Nutztemperatur an der Entnahmestelle, denn die Zirkulation wird in der Regel nur in den Steigleitungen realisiert. Die Warmwassertemperatur aus dem Speicher steht daher auch nach dem Auslaufen des Leitungsinhaltes erst mit einiger Verzögerung zur Verfügung, da sich zunächst Bauteile wie die auf Raumtemperatur abgekühlte Leitung oder Mischbatterie erwärmen müssen. Aufgrund dieser Erwärmungsphase müssen gegenüber der reinen Ausstoßzeit für den Rohrleitungsinhalt mindestens 20 bis 30 Prozent zusätzlich bis zum Erreichen der Nutztemperatur eingeplant werden.
Ungeachtet der beschriebenen Herausforderungen bei der Planung und Ausführung zentraler Warmwassersysteme stellen die notwendigen hohen Temperaturen moderne Wärmepumpen vor keine größeren Herausforderungen. Neue Modelle wie die Sole-Wasser-Wärmepumpen WPE-I von Stiebel Eltron ermöglichen dank Heißgasauskopplung auch als zentrale Lösung eine besonders effiziente Warmwasserbereitung und damit hohe Jahresarbeitszahlen und langfristig niedrige Betriebskosten.
Hoher Warmwasserkomfort mit dezentralen Lösungen erzielbar
Das Beispiel eines Mehrfamilienhauses mit zwölf Wohneinheiten verdeutlicht die Vorteile der dezentralen Warmwasserbereitung im Hinblick auf den Warmwasserkomfort. Es soll für eine Dusche (42 Grad Nutztemperatur) die Anforderungsstufe II der VDI 6003 erreicht werden – also eine maximale Wartezeit von zehn Sekunden sowie eine maximale Temperaturschwankung von vier Kelvin. Die anzunehmende Mindestentnahmerate beträgt neun Liter pro Minute.
Für den Vergleich wird die Länge des längsten Warmwasserstranges bei der Zentralversorgung abgehend von der Steigleitung mit zehn Metern (DN 15) angenommen. Damit verglichen werden eine wohnungszentrale Gruppenversorgung (fünf Meter Leitungslänge, DN 15) sowie eine Einzelversorgung (ein Meter Leistungslänge, DN 12). Zusätzlich zur Ausstoßzeit für den Rohrleitungsinhalt wird bei der Berechnung der Wartezeit jeweils eine Erwärmungsphase von 25 Prozent der Ausstoßzeit berücksichtigt.
Der Rohrleitungsinhalt in der Zentralversorgung beträgt 1,77 Liter, woraus sich eine Ausstoßzeit von 11,8 Sekunden für den gesamten Rohrleitungsinhalt ergibt, die Erwärmungsphase beträgt 3,0 Sekunden. Daraus ergibt sich eine Wartezeit von 14,8 Sekunden, sodass die Einhaltung der Anforderungsstufe II nicht gewährleistet werden kann. Für die wohnungszentrale Gruppenversorgung ergibt sich ein Leitungsinhalt von 0,88 Litern. Daraus errechnet sich unter Berücksichtigung von Ausstoßzeit und Erwärmungsphase eine Wartezeit von 7,4 Sekunden. Die Anforderungsstufe II wird damit problemlos erreicht. Bei der Einzelversorgung beträgt die Wartezeit insgesamt sogar nur 1,0 Sekunden (0,8 und 0,2) – damit ist nicht nur die Anforderungsstufe II, sondern selbst die Anforderungsstufe III erfüllt.
Vielfältige Möglichkeiten für dezentrale Warmwasserbereitung
Für eine wohnungszentrale Gruppenversorgung sind Wohnungsstationen besonders geeignet. Neben dem Vorteil kurzer Leitungslängen sind Steigleitungen für Warmwasser und Zirkulation nicht nötig. Für Zentralheizungs- und Fernwärmesysteme mit hohen Vorlauftemperaturen von bis zu 90 Grad sind die Produktserien WSG und WSP von Stiebel Eltron ideale Lösungen. Bei geringen Heizungs-Vorlauftemperaturen, wie sie im Neubau anzutreffen sind, ist die Produktserie WSP-DUO mit elektrischer Nacherwärmung eine sinnvolle Lösung. Die Wohnungsstationen sind primärseitig auf eine Vorlauftemperatur von 43 Grad ausgelegt und ermöglichen damit ganzjährig einen hocheffizienten Betrieb von Wärmepumpenanlagen als zentralem Wärmeerzeuger. Grundsätzlich wird eine Warmwassertemperatur von mindestens 38 Grad sichergestellt, mit der die meisten Anforderungen bedient werden. Bei höheren Temperaturanforderungen ermöglicht der integrierte Durchlauferhitzer eine schnelle und gradgenaue Erwärmung auf bis zu 60 Grad.
Eine andere Möglichkeit der wohnungszentralen Warmwasserversorgung ist die Kombination aus einer Lüftungsanlage und einer Wärmepumpe, bei der die Wärmeenergie der Abluft zurückgewonnen und für die Warmwasserbereitung genutzt wird – wie zum Beispiel bei der LWA 100 von Stiebel Eltron, die für den Einsatz in kleineren und mittleren Wohnungen geeignet ist. Das Kompaktgerät schneidet in der energetischen Bewertung nach EnEV sehr günstig ab und garantiert gleichzeitig geringe und einfach abrechenbare Nebenkosten.
Den höchsten Warmwasserkomfort (nach VDI 6003) ermöglicht also eine Einzelversorgung von Entnahmestellen mit Durchlauferhitzern, gefolgt von einer dezentralen Gruppenversorgung. Die in Durchlauferhitzern von Stiebel Eltron eingesetzte 4i-Technologie – drei Sensoren und ein Motorventil garantieren die gradgenaue Bereitstellung von Warmwasser im gesamten Leistungsbereich – sorgt für den hohen Komfort.
Selbst bei zentralen Warmwasserversorgungslösungen kann es sinnvoll sein, einzelne Entnahmestellen im Gebäude über dezentrale Lösungen zu versorgen – wenn es sich um weit vom zentralen Wärmeerzeuger entfernte Entnahmestellen und damit um entsprechend lange Leitungslängen handelt. Stiebel Eltron bietet mit seinen Komfort-, Kompakt- und Mini-Durchlauferhitzern sowie Kleinspeichern für jede Einbausituation das passende Produkt.
Nicht zuletzt profitiert die dezentrale elektrische Warmwasserbereitung vom günstigen Primärenergiefaktor von 1,80 für Strom sowie von der Möglichkeit der Anrechnung von vor Ort erzeugtem Photovoltaik-Strom auf den Primärenergiebedarf.
Empfehlung: VDI 6003 in Verträge aufnehmen
Eine dezentrale Warmwasserbereitung sichert gradgenau mit kürzesten Ausstoßzeiten und geringsten Anfahrverlusten einen hohen Warmwasserkomfort. In der Praxis werden Regelungen zum Warmwasserkomfort sehr selten in Verträge aufgenommen. Die VDI 6003 ist noch nicht weit verbreitet, bietet hier aber vielfältige Möglichkeiten und kann damit ein Stück weit mehr Rechtssicherheit für Planer und Betreiber schaffen.
Details zu den Einsatzgebieten der dargestellten Technologien finden sich unter https://www.stiebel-eltron.de/toolbox/.
Literatur
VDI 6003:2018-08
DIN EN 806-2:2005-06
DIN 1988-200:2012-05
Trinkwasserverordnung
DVGW W 551
DVGW W 553
AG Berlin-Schöneberg, 29.04.1996 – 102 C 55/94
LG Berlin, 02.06.2008 – 67 S 26/07
LG Berlin, 20.05.1998 – 64 S 266/97
LG Berlin, 04.04.1997 – 63 S 443/96
Hofmann, M. in Sanitär- + Heizungstechnik 08/2006: Geduldig warten auf warmes Wasser?
Bilder: STIEBEL ELTRON