Geschafft! Nach vielen Wochen und Monaten ist das geplante Bauvorhaben nun endlich beendet. Stolz kann der Bauherr das Ergebnis präsentieren und darüber auch ein wenig den Schweiß und den Nervenkrieg vergessen, die seit Baubeginn ständige Begleiter gewesen sind. Der Startschuss für ein neues Bauvorhaben ist heute nicht allein mit einem vorfreudigen Kribbeln und einer positiven Unruhe für den Bauherrn geprägt. Gleichzeitig schwingen Sorgen über mögliche Probleme, Zeitverzug und Kostenexplosionen mit. Lässt sich das problemlos realisieren, was Planer und Architekten erdacht haben? Sind Bauunternehmen und Handwerker zuverlässig und setzen die Qualität um, die sie versprechen? Ist der straffe Zeitplan einzuhalten oder bereits am ersten Tag nur Makulatur? Werden die Nachträge im Rahmen bleiben? Werden die Ämter mitspielen und die Nachbarn und Anwohner für Monate mit Lärmbelästigungen und Verkehrseinschränkungen leben, ohne mit Anwalt und Klage zu drohen?
Geeignete Anlieferkonzepte erarbeiten
Auch im Jahr 2015 sind die Sorgen, Ängste und Bedenken eines Bauherrn nicht wenige. Sie bekommen dagegen seit Jahren zusätzliche Energie, wenn es sich um komplexe und innerstädtische Bauvorhaben handelt. Geringster Platz für Baustelleneinrichtungsflächen, beengte Straßenverhältnisse, Sonderauflagen an die Baustellenverkehre, überfüllte Straßen und Innenstädte oder sensible und informationshungrige Nachbarn bereichern den Katalog von Anforderungen an das Bauvorhaben und die Bauherren. Dies alles sind jedoch Punkte, die nur mittelbar mit den eigentlichen Prozessen des Vorhabens zu tun haben. Vielmehr sind es Themen und Aspekte, die logistisch betrachtet und behandelt werden müssen und auch nicht im Blick von Architekt, Bauunternehmen oder Spediteur stehen – in der Wahrnehmung und Notwendigkeit schon gar nicht. Vor allem sollte aber der Bauherr ein grundlegendes und zentrales Interesse daran haben, diese logistischen Aufgaben gut geplant und umgesetzt zu wissen, um einen Auslöser für Bauverzögerungen, Nachträge und Ärger mit Ämtern und Nachbarn zu reduzieren, wenn nicht ganz zu verhindern. Dass diese Aufgaben nicht – wie noch immer von vielen Beteiligten am Bau vermutet – vom Architekten, Planer oder Bauunternehmen selbst übernommen werden können, belegen zahlreiche Beispiele aus dem Baualltag. Aus diesem Grunde hat sich in den vergangenen Jahren ein neues Dienstleistungssegment dem Markt geöffnet, das diese Aufgaben übernimmt – die Baulogistik oder auch Baustellenlogistik. Schaut man in die Fachliteratur, so wird die Baulogistik oft und grob in etwa so beschrieben und erklärt: Die Baulogistik ist ein noch junges Teilgebiet der Logistik, welche die Planung und Ausführung von Lager- und Transportprozessen (von Gütern, Material und Personen) eines Bauvorhabens beinhaltet und dabei den quantitativen und qualitativen Erfolg von Bauprozessen sichert. Die Baulogistik dient der Einsparung von Zeit-, Material- und Transportkosten. Die Baulogistik unterteilt sich unter anderem in die Kategorien Hochbau, Tiefbau, Straßen- und Brückenbau.
Notwendigkeit der Baulogistik
Fühlt sich ein Bauherr allein durch diese Erläuterung motiviert, das Bewusstsein und die Notwendigkeit für die Baulogistik zu schärfen, so darf zum Nachdenken angeregt werden, warum die Praxis zum einen Baulogistikausschreibungen hervorbringt, die vor allem Baucontainer, Bauzäune oder Wach- und Baustellenzugangspersonal beinhaltet. Lässt man sich weiter allein von der Formulierung für die Baulogistik leiten, so stellt sich die Frage, warum die Verantwortung für den Erfolg des Bauvorhabens noch in den Verträgen mit dem Bauunternehmen festgeschrieben wird, wenn doch die Baulogistik die Prozesse steuert und optimiert und somit den Erfolg für Termin und Budget sichert. Die junge Disziplin Baulogistik unterzog sich in den zurückliegenden Jahren einer rasanten Entwicklung und Spezialisierung, die in dem Facettenreichtum noch gar nicht ausreichend beschrieben und kommuniziert ist, wie es erforderlich wäre. Mit der AHO25 (AHO-Schriftenreihe, Nr. 25 „Leistungen für Baulogistik“/die AHO ist der Ausschuss der Verbände und Kammern der Ingenieure und Architekten für die Honorarordnung) gibt es seit einigen Jahren ein Leistungsbild für die Baulogistik, das eine Verfeinerung und Spezialisierung der Aufgabenbereiche beschreibt. Projekte der Jahre 2013 und 2014 zeigen aber, dass dieses Leistungsbild allein nicht die erforderlichen Planungs- und Steuerungsaufgaben der Logistikprozesse für Bauvorhaben abdeckt. Im Zuge seiner Logistikvorlesung an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Karlsruhe beschreibt Dr. André Richter 2011 erstmals das Ausgaben- und Leistungsbild der „Externen Baulogistik“. Bei der Externen Baulogistik spricht Richter von Material-, und Personenflüssen, wie sie aus der klassischen Logistik oder der Intralogistik bekannt sind – unabhängig davon, welche speziellen Materialien und Personen betrachtet werden müssen. Wie der klassische Logistiker niemals in den Produktionsprozess eingreift, so greift der externe Baulogistiker auch nicht in den Kernbauprozess ein. Der externe Baulogistiker sorgt dafür, dass die vom Bau erforderlichen Personen, Geräte und Materialien zur rechten Zeit am rechten Ort sind. Er sichert somit den reibungsfreien Materialfluss – vom andienenden Lkw, über den (Bau-)Aufzug, bis hin zum Verarbeitungsort der Materialien. Hierbei plant der Logistiker den Versorgungs- und Entsorgungsweg.
Damit hat er den Blick für die logistischen Prozesse innerhalb des Bauzauns, jedoch auch außerhalb des Bauzauns, wenn geeignete Anlieferkonzepte erarbeitet und realisiert werden müssen.
Wird der externe Baulogistiker bereits während der Planung – als Baulogistikplaner – in das Projekt involviert, kann er sicherstellen, dass auch bei den Ausschreibungen nicht ausschließlich der günstigste Einheitspreis für Bauzäune gesucht wird, sondern bereits sehr detailliert festgelegt werden kann, wie viel Bauzaunmeter überhaupt benötigt werden. Der Baulogistikplaner hat auch die Möglichkeit, bereits in der Planungsphase baulogistisch erforderliche Zusatzkosten (wie Sicherungsmaßnahmen oder stellenweise Zusammenlegung von Büros) zu benennen, die nicht im Pauschalansatz der Baulogistikkosten enthalten sind.
Kosten sparen
Wird das logistische Wissen eines Baulogistikers bereits in der Planungsphase eingesetzt, so sind Logistikkonzepte möglich, die in deren Umsetzung tatsächlich Kosten sparen, weil zum Beispiel die Anzahl von Bauaufzügen reduziert, Zufahrtstore gespart oder Entsorgungscontainer optimiert werden. Nicht ein Pauschal- oder Erfahrungsansatz bei der Erarbeitung der Logistikkonzepte spart Kosten, sondern der Wissenstransfer des Logistik-Know-hows auf die Baustellen. Die Kosten, die vom Bauherrn für eine professionelle Baulogistikplanung und -umsetzung entstehen, können bei der Projektumsetzung mehrfach gespart und Zusatzkosten reduziert werden.
Die Praxis zeigt, dass die Notwendigkeit für einen professionellen, externen Baulogistiker mit dem Umfang und der Komplexität des Bauvorhabens steigt. Jedoch auch schon für kleinere Bauprojekte lohnt sich ein ausgeplantes Logistikkonzept mit Ausführung.
Der Autor: Dr.-Ing. André Richter
Seit mehr als zehn Jahren ist der gebürtige Dessauer branchenübergreifend als Berater, Planer und Umsetzer für logistische Aufgabenstellungen tätig. Im Bereich der Baulogistik arbeitet der 42-Jährige für Kommunen und private Bauherren. Richter entwickelt Konzepte für Verkehrswege, Ver- und Entsorgung oder für Etagen- und Aufzuglogistik für innerstädtische und hochkomplexe Bauvorhaben und setzt diese auch aktiv mit um. Die Baulogistik für das Bettenhochhaus der Charité in Berlin, das Hypohochhaus in München oder den Industriecampus der Novartis in Basel sind Projekte, die Dr. André Richter, Vorstand der Frankfurt Economics Enterprises AG, geplant hatte.
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