Die Gebäudebegrünung hat sich als roter Faden durch die Ausstellungspavillons der Expos der letzten Jahrzehnte gezogen. Wie kann die, an nahezu allen Expo-Pavillons in Shanghai 2010, installierte Begrünung noch getoppt werden? Im Jahr 2010 stand das Motto „Better city – better life“ im Vordergrund, die am interessantesten begrünten Pavillons wurden bereits in Dach + Grün vorgestellt. Die Steigerung bei der Begrünung liegt nun in der neuen Qualität. Die Begrünung wird weniger als Dekoration der Pavillons denn als funktionales Grün verstanden.
Expo 2015 in Mailand
Um sich ein erstes Bild der Ausgestaltung der Pavillons der Expo 2015 zu machen, half ein Blick auf die Piktogramme und deren Beschreibungen auf der offiziellen Webpage (www.expo2015.org/en/participants). Von den meisten Bauwerken sind die Informationsfilme bei Youtube zu finden. Diese Präsentationen beschreiben aber eher die Absicht vor dem Bau, nicht alle Details ließen sich schließlich in der beschriebenen Form umsetzen. Auch bei dieser Expo zeigte es sich wieder – es ist schon erforderlich, vermeintlich gute Konzepte selbst genau anzusehen, zwischen den Planungskonzepten und den dann realisierten Bauwerken liegen häufig große Unterschiede. In einigen Fällen sind die Begrünungen schließlich einem entsprechenden Anstrich gewichen.
Der Slogan der Expo 2015, „Feeding the planet – energy for life“ setzte die Ansprüche an die Begrünung hoch an. Die Begrünung der Pavillons sollte im Kontext zu nationaler Biodiversität oder im Bezug zu Energie- oder Nahrungspflanzen stehen. Zusätzlich war das neue Stadtentwicklungsgebiet Mailands Puerta Nova als Außenstandort der Expo beachtenswert, in dem neue stadtplanerische Ideen umgesetzt und entsprechend erläutert wurden. Aushängeschild dieses Gebiets sind die beiden Gebäude des Bosco verticale von Stefano Boerri (www.porta-nuova.com). Für die weiteren Planungsziele finden sich auf dieser Website etliche Links zu den Projektdetails der zahlreichen Neubauten.
Überschaubares Messegeschehen
Mit 65 Pavillons aus Partnerländern und 33 präsentierenden Organisationen fiel die Beteiligung deutlich überschaubarer aus als in Shanghai. Insgesamt sind etwa 21 Millionen Besucher gekommen, rund 75 Prozent aus Italien. Die Expo 2010 in Shanghai war mit 192 nationalen Pavillon-Beiträgen plus 50 präsentierenden Organisationen und einer Besucherzahl von 73 Millionen, die zwar etwas hinter der Erwartung der Organisatoren zurückgeblieben ist, doch die bisherige Expo mit den meisten Besuchern überhaupt (eu.mio.com/de_at/expo-2010.htm). In Mailand fehlten etwa die Beiträge aus Australien, Neuseeland, Singapur oder Dänemark, die alle gemein hatten, in Shanghai mit herausragenden Messebeiträgen die Veranstaltung zu prägen.
Das Gelände in Mailand war durchaus „walkable“ – also nicht zu groß, gut strukturiert, um sich auch als Besucher nur an einem Tag einen Grundüberblick verschaffen zu können. Lange Besucherschlangen sind für die jeweiligen Ausstellungsmacher ein Kriterium für die gute Annahme des Angebots; so gab es die erwartungsgemäß langen Wartereihen bei den hierfür bekannten nationalen Beiträgen von Südkorea, Japan und Italien als Gastgeber mit einem besonders großen Gebäude, das in der Nachnutzung wohl das zukünftige Expo-Museum beherbergen soll, sowie vor dem deutschen Pavillon.
Nachhaltigkeit und Artenvielfalt
Nicht zufällig sah der deutsche Pavillon in Mailand dem in Shanghai etwas ähnlich, er stammte von demselben Architekturbüro. Umfassende Informationen zu Nachhaltigkeit, Artenvielfalt und Genpool wurden dem Besucher interaktiv geboten. Der vorhandene Dachgarten erinnerte an ein Schiffsdeck – weinberankte Sitzflächen luden zum Verweilen und zum thematischen Sinnieren über Tourismus und Welternährung ein.
Welternährung und die Antwort der unterschiedlichen Länder auf diese Zukunftsfrage beinhaltete grundsätzliche Antworten, wie „Sicherung der natürlichen Artenvielfalt – Biodiversität“ etwa durch den Beitrag des italienischen Umweltministeriums. Im deutschen Pavillon wurde auf die entsprechenden Genbanken abgehoben, die zur langfristigen Lagerung bestimmter Samen angehalten sind. Oder der beeindruckende Beitrag Österreichs mit der Botschaft, dass die Ernährung vor allem dadurch zu sichern sei, dass die natürliche Lebensgrundlage, sprich die Wälder, langfristig gesichert werden und ihren Beitrag zu Weltklima und Genreserven leisten. Der Pavillon von Österreich mit einem Stück Originalwald und Erläuterungen zu der Evapotranspirationsleistung von Bäumen leistet hier Aufklärungsarbeit, warum Vegetation für das Weltklima wichtig ist.
Länderpavillons mit viel Grün
Weißrussland nutzte die Hallenbegrünung, um eine Wärmedämmung seines Pavillons zu unterstützen. Die beiden igluartigen Hälften stellten einerseits die winterlichen Olympischen Spiele dar sowie im zweiten Teilbereich die sommerlichen Vorzüge des Lands. Auch Angola setzte sich mit einer sehenswerten Fassadenbegrünung in Szene.
Der französische Pavillon zeigte einen Dreiklang auf, im Vorfeld Anbauflächen von diversen typischen Agrarprodukten, der Pavillon selbst war wie ein Stück Feld in der Ansicht auf dem Boden heraus. Wurzelsysteme waren durch Holzkonstruktionen angedeutet, die mit Kochutensilien und Informationen rund um die französische Agrarwirtschaft gespickt sind. Passender Höhepunkt dieser Inszenierung war das als Dachgartenrestaurant angelegte Obergeschoss mit einem vollwertigen französischen Restaurant, das in den Abendstunden entsprechend gut ausgebucht war.
Ein überraschendes Begrünungskonzept hatte auch der polnische Pavillon. Die Außenstruktur bestand aus angedeuteten Obstkisten. Ohne Warteschlange führte der Zugang zunächst auf das mit Spiegelgläsern umstandene Obergeschoss. Ein perfekter Dachgarten, mit der Einschränkung, der Wildkrautbewuchs hätte konsequenter entfernt sein können, überraschte die Besucher positiv und weckte Erwartungen auf die anschließende Informationsschau zu Kultur, Agrar- und Tourismus.
Vertikaler Garten mit Nutzpflanzen
Einer der hinsichtlich der Themenstellung der Expo am überzeugendsten Pavillons war der von Israel. Vertikale Bewässerungslandwirtschaft mit einer Vielzahl von Argarprodukten – überwiegend Getreidearten – lösten einen Überraschungseffekt bei den Besuchern aus. Und thematisch ebenfalls sehr überzeugend war die Präsentation der USA. Der Pavillon bestand aus drei Ebenen, die Besucher gelangten zunächst über eine Freitreppe ohne Wartebereich auf die mittlere Ebene, wurden virtuell vom Präsidenten begrüßt und generell über die Lebensmittelproduktion in den USA informiert. Die untere Ebene lieferte in kleinen Filmsequenzen die Entwicklung der US-amerikanischen Lebensmittelproduktion vom Fastfood über die Urban-farming-Bewegung bis hin zu neuen Konzepten des nachhaltigen Anbaus von Lebensmitteln. Ergänzt durch Informationen, was an regionalen Besonderheiten der Lebensmittelproduktion in sieben Regionen des nordamerikanischen Subkontinents typisch ist. Das Highlight des Pavillons war allerdings die Aussichtsplattform in Form einer Bar mit dem Blick über die angrenzenden Ausstellungsbereiche bis hin zur Wandbegrünung des Pavillons, die auf 860 Quadratmetern aus 43 unterschiedlichen Nutzpflanzen, Gemüse und Getreide bestand – als Denkanstoß, wie denn in Zukunft für die wachsende Anzahl von Städten Lebensmittel produziert werden sollen.
Thematische Pavillons griffen Gebäudebegrünung für Denkanstöße auf. So etwa das italienische Umweltministerium, um eine andere Sichtweise auf die Artenvielfalt zu bekommen. So die Vertikalbegrünung an einem offiziellen Pavillon des Umweltministeriums. Auch die unterschiedlichen Provinzen Italiens haben einheitliche Vertikalbegrünungen als Einfassungsrahmen ihrer Regionalpräsentationen erhalten. Auch die Agrartechnik auf geneigten Gebäudeoberflächen ist möglich, sofern die Statik stimmt. Als Anregung zum Nachdenken. Multifunktionale Flächennutzung – auch eine Anforderung an die Zukunft. Und auch schön zu sehen, dass erforderliche technische Bauten, etwa ein Trafohäuschen, das konsequent in gut funktionierende Vertikalbegrünung eingehüllt wurde.
Begrünung als funktionaler Baustein der Architektur
Bei aller Begeisterung für die Gebäudebegrünung konnte in Einzelfällen auch Negatives gesehen werden. Gut sieht es aus, wenn Konzept, Bewässerung und Pflege aufeinander abgestimmt sind. In den allermeisten Fällen ist dieses der Fall gewesen – Ausnahmen zeigten aber auch, dass es vor allem bei den extrem sommerlich heißen Temperaturen schon kurzzeitige Ausfälle die Vegetation komplett ruinieren können.
Kompakte Veranstaltung, einige interessant aufbereitete Denkanstöße und ein umfassendes Begleitprogramm, so das Resümee, machten auch diese Expo wieder zu einem Muss auf dem Reiseplan im Jahr 2015. Im Denken vieler Ausstellungsmacher ist angekommen, dass Pflanzen essenzielle Bedeutung in einem globalen Prozess haben. Die Expo konnte wieder als eine Werbeveranstaltung für die Gebäudebegrünung verstanden werden. Begrünung kann als Funktion und als ästhetische Bereicherung verstanden werden. Die Begrünung ist vom Hingucker – Gimmick – zu einem funktionalen Baustein der Architektur geworden. Das ist in der Diskussion um die grüne Infrastruktur eine hilfreiche Botschaft an die Ausstellungsbesucher gewesen.
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[tab title=“Der Autor“]Professor Dr. Manfred Köhler
Prodekan Hochschule Neubrandenburg
Studiengänge Landschaftswissenschaft und Geomatik
Brodaer Straße 2, Haus 2
17033 Neubrandenburg
Koehler@hs-nb.de[/tab]
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Dieser Beitrag wurde zuerst in der Publikation „Dach + Grün“, Ausgabe 04.2015 publiziert. GebäudeGrün (vormals „Dach + Grün“) ist die einzige deutschsprachige Fachzeitschrift, die sich ausschließlich mit den Themen Dach-, Fassaden- und Innenraumbegrünung auf hohem fachlichen Niveau befasst. Weitere Informationen zur Zeitschrift, auch zu einem möglichen Bezug, finden Sie » hier.