In der öffentlichen Wahrnehmung stehen die Hauptverursacher steigender Mieten rasch fest: Es sind die Vermieter, die nach dem schnellen Gewinn streben. Wenig bekannt sind dagegen Maßnahmen, die aus Sicht der Bevölkerung tatsächlich geeignet sind, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken.
Vermietern wird Mitschuld zugesprochen
Deshalb hat der Zentrale Immobilien-Ausschuss (ZIA) anlässlich des 7. Tages der Immobilienwirtschaft in Berlin eine Forsa-Umfrage zum Wohnungsmarkt in Auftrag gegeben und die verbreiteten Vorurteile einem Faktencheck unterzogen. Ziel ist es, die Diskussion um steigende Mieten zu versachlichen und den Mietwohnungsmarkt nicht auf Kosten der Vermieter und Mieter zum Spielball der Politik werden zu lassen. Das Ergebnis: Die Öffentlichkeit ist sich zwar bewusst, dass vor allem die Nebenkosten für steigende Mieten verantwortlich sind, wirft aber dennoch den Vermietern vor, durch ihr Gewinnstreben die Preise zu treiben.
„Die steigenden Mieten einseitig unangemessenem Gewinnstreben von Vermietern zuzuschreiben, ist zu kurz gedacht. Vermieter arbeiten mit einer Rendite von teils weniger als 4 Prozent. Ihre Marge ist demnach moderat und erklärt die aktuelle Situation an den Wohnungsmärkten nur unzureichend. Über viele Jahre wurde die Notwendigkeit adäquater Rahmenbedingungen für den Neubau unterschätzt. Steuererhöhungen und zunehmende Regulierung sind keine Merkmale nachhaltiger Wohnungspolitik“, sagt Thomas Zinnöcker, Vizepräsident des ZIA und Vorstand des Wohnungsunternehmens Deutsche Annington Immobilien SE.
Anforderungen und Auflagen als Kostentreiber
Tatsächlich kommt eine aktuelle Studie des IW Köln zu dem Schluss, dass vor allem energetische Anforderungen, kommunale Auflagen und technische Normen sowie die Grundstückspreise erhebliche Kostentreiber im Wohnungsbau sind. Das Fazit der Wissenschaftler: Der Staat trägt einen maßgeblichen Anteil an der aktuellen Entwicklung. Er hält zahlreiche Instrumente in der Hand, um den bezahlbaren Wohnungsbau auf ein ausreichendes Niveau zu heben und die Märkte zu entspannen. „Wir haben verschiedene wirkungsvolle Instrumente ausgemacht, mit denen der Staat – also Bund, Länder und Kommunen – das Bauen attraktiver machen können“, sagt Professor Michael Voigtländer, Leiter des Kompetenzfelds Finanzmärkte und Immobilienmärkte im IW Köln.
Wohnraum für die breite Masse der Bevölkerung zur Verfügung zu stellen, ist laut ZIA eine Gemeinschaftsaufgabe von Politik und Wirtschaft. „Die Immobilienwirtschaft möchte ihren Beitrag dazu leisten, kann es aber nicht, wenn die Bau- und Grundstückskosten durch Regulierung und Besteuerung weiter in die Höhe getrieben werden“, sagt Bärbel Schomberg, Vizepräsidentin des ZIA und Geschäftsführerin des Immobilien-Beratungsunternehmens Schomberg & Co. „Die Politik muss sich an die eigene Nase fassen, wenn es darum geht, Hürden für den bezahlbaren Wohnungsneubau aus dem Weg zu räumen.“ Der ZIA fordert deshalb: „Bauen statt regulieren!“
Die wichtigsten Sofortmaßnahmen sind, städtebauliche Verträge auf den Prüfstand zu stellen, Bauflächenausweisungen und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen, die geplante nächste Verschärfung der Energieeinsparverordnung (EnEV) auszusetzen und die Abschreibungsmöglichkeiten für Neubauten zu verbessern.
Forsa-Umfrage: Die Ergebnisse im Einzelnen
Für 71 Prozent der Befragten ist laut Forsa-Umfrage das Gewinnstreben der Vermieter für die stark steigenden Mieten in gefragten Ballungsgebieten ausschlaggebend. Modernisierungen und energetische Sanierungen benannten 70 Prozent als Hauptursache, Bürokratie und Vorschriften landeten mit 47 Prozent auf dem dritten Platz. Nur 17 Prozent bestätigten, dass die Zahlungsfähigkeit und -bereitschaft unter den Mietern in gefragten Wohnlagen gestiegen ist. Gleichzeitig sehen aber 62 Prozent der Befragten den Anstieg der Mietnebenkosten als Haupt-Kostentreiber. Für nur 25 Prozent ist die Entwicklung der Netto-Kaltmieten ausschlaggebend, was klar im Widerspruch zur ersten Antwort steht. Die Fakten bestätigen: Die Nebenkosten sind in ganz Deutschland seit 2010 laut Studie des IW Köln im Schnitt um 14,3 Prozent gestiegen, während die Mieten in den 50 größten Städten im gleichen Zeitraum lediglich um 7,2 Prozent zugelegt haben.
Laut Forsa-Umfrage gehen außerdem 55 Prozent der Befragten davon aus, dass die Mieten infolge der Mietpreisbremse nur noch moderat steigen werden. 32 Prozent rechnen mit einem weiterhin starken Anstieg, 7 Prozent sind der Meinung, dass die Mieten dann nicht mehr steigen werden. „Kurzfristig mag das funktionieren“, sagt Thomas Zinnöcker. „Langfristig ändert sich aber am eigentlichen Problem nichts, da durch die Mietpreisbremse keine einzige neue Wohnung gebaut wird und die Märkte nicht entspannt werden“. Professor Voigtländer ergänzt: „Am schwierigen Zugang der Einkommensschwächeren zu günstigeren Wohnungen ändert sich durch die Mietpreisbremse nichts. So lange nicht neu gebaut wird, gibt es keine Sickereffekte, das heißt es werden keine alten Wohnungen durch den Umzug zahlungskräftigerer Mieter in Neubauten frei.“
Deutliche Mehrkosten bei Neubau
„Der Neubau wurde lange Zeit stark vernachlässigt, und heute noch wird trotz steigender Mieten und Kaufpreise noch viel zu wenig gebaut“, sagt Professor Voigtländer. „Das ist ungewöhnlich und deutet auf Steigerungen der Neubaukosten hin. Insbesondere durch die Zunahme der Auflagen, Regulierungen, der Bürokratie und durch die zunehmende Besteuerung sind diese enorm gestiegen – nach aktuellen Schätzungen seit 2000 um 260 Euro pro Quadratmeter.“ Im Einzelnen handelt es sich beispielsweise um Mehrkosten in Verbindung mit der EnEV, städtebaulichen Verträgen, kommunalen Auflagen und wiederholten Erhöhungen von Grunderwerb- und Grundsteuer. Neben den Baukosten treiben vor allem die explodierenden Grundstückpreise die Kosten für den Wohnungsneubau. Laut Statistischem Bundesamt sind zum Beispiel die Preise für baureifes Land in Hamburg von 414 Euro pro Quadratmeter im Jahr 2009 auf 634 Euro pro Quadratmeter im Jahr 2013 gestiegen, also um 53 Prozent. In Berlin beträgt die Steigerung im gleichen Zeitraum sogar 111 Prozent auf 421 Euro pro Quadratmeter, in München 57 Prozent auf 1469 Euro pro Quadratmeter. Professor Voigtländer kommentiert: „Dies hat gravierende Auswirkungen auf den Preis für Neubauwohnungen.
Die Grundstückspreise machen etwa 25 Prozent an den Gesamtkosten aus: Für Hamburg etwa bedeutet dies, dass allein aufgrund der gestiegenen Baulandpreise die Kosten für den Neubau zwischen 2009 und 2013 um etwa 13 Prozent gestiegen sind. In Berlin und München ist der Effekt sogar noch größer.“ Allerdings haben laut Voigtländer Kommunen durchaus Möglichkeiten, auf die Menge des Baulandangebots Einfluss zu nehmen. So können sie etwa mehr Bauland ausweisen, indem sie Brachflächen oder ineffizient genutzte Flächen umwidmen, oder eigene Flächen an Investoren verkaufen. Laut IW gibt es erhebliches „Innenentwicklungspotenzial“, also Baulücken und Brachen, die mit rund 165.000 Hektar knapp 7 Prozent aller Gebäude und Freiflächen in Deutschland ausmachen. „Die Ausweisung zusätzlicher Flächen für den Wohnungsbau ist der Schlüssel, um den Mangel an Wohnraum in den Großstädten zu überwinden“, erläutert Voigtländer. Eine weitere Stellschraube wäre laut IW Köln der Prozentsatz, mit dem Neubauten abgeschrieben werden können. Er liegt momentan bei 2 Prozent pro Jahr, müsste aber auf 4 Prozent erhöht werden, um Immobilien nicht gegenüber anderen Anlageklassen zu benachteiligen.
Politische Maßnahmen sind nicht ausreichend
Unter den politischen Maßnahmen zur Versorgung breiter Bevölkerungsschichten mit bezahlbarem Wohnraum ist der staatlich geförderte Wohnungsbau für 69 Prozent der Forsa-Befragten die erste Wahl. Es folgen mit 58 Prozent eine Erhöhung des Wohngelds und mit 57 Prozent die Förderung von Wohneigentum. Steuerliche Anreize für private Bauherren sind für 52 Prozent die wichtigste Maßnahme. Weitere Gesetze gegen den Mietpreisanstieg halten nur 42 Prozent der Befragten für besonders geeignet. Voigtländer: „Die staatliche Förderung ist zwar populär, weil die Kosten kurzerhand über die Steuern auf die Allgemeinheit umgelegt werden. Sie führt aber erfahrungsgemäß zu allerlei Mitnahmeeffekten, Einpreisungen und Fehlallokationen, die in ihrer Gesamtwirkung nicht zu einer Verbesserung der Wohnungsversorgung führen wird.“
www.zia-deutschland.de
INFO: Der Zentrale Immobilien Ausschuss gehört zu den bedeutendsten Interessenverbänden der Branche. Er versteht sich als Stimme der Immobilienwirtschaft und spricht mit seinen Mitgliedern, darunter 24 Verbände, für 37.000 Unternehmen der Branche. Der Verband hat sich zum Ziel gesetzt, der Immobilienwirtschaft in ihrer ganzen Vielfalt eine umfassende und einheitliche Interessenvertretung zu geben, die ihrer Bedeutung für die Volkswirtschaft entspricht. Als Unternehmer- und Verbändeverband verleiht er der gesamten Immobilienwirtschaft eine Stimme auf nationaler und europäischer Ebene – und im Bundesverband der deutschen Industrie. Präsident des Verbands ist Dr. Andreas Mattner. |