Nach dem Erfolg der diesjährigen polis Convention mit mehr als 2500 Fachbesuchern und über 140 Ausstellern ist nun der Startschuss zur polis Convention 2017 gefallen. Am 17. und 18. Mai lautet das Thema in den Alten Schmiedehallen auf dem Areal Böhler in Düsseldorf: „Statt lange zögern… Stadt gestalten“.
Im Interview spricht Michael Groschek, Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen und Schirmherr des diesjährigen Kongresses, über die Wohnungsbauoffensive des Landes, den Baugebietstyp „urbanes Gebiet“ und das Konzept vertikaler Dörfer.
Herr Minister Groschek, Ihr Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr hat Ende vergangenen Jahres eine große Wohnungsbauoffensive in Nordrhein-Westfalen gestartet. Warum?
Mit der Wohnungsbauoffensive reagieren wir auf die steigenden Bevölkerungszahlen in Nordrhein-Westfalen. Wir müssen die Bautätigkeit ankurbeln, wenn wir dem geschätzten Wohnungsneubaubedarf bis zum Jahr 2020 von rund 400.000 Wohnungen – davon 300.000 Geschosswohnungen – nachkommen möchten.
Auf Basis von Berechnungen von IT.NRW zur Bevölkerungs- und Haushalteentwicklung haben wir einen demografisch bedingten Wohnungsneubaubedarf von 280.000 Wohnungen in NRW ermittelt. Infolge des Zuzugs von Flüchtlingen in den Jahren 2015 und 2016 kommt ein weiterer Wohnungsneubaubedarf hinzu, der nach Nutzung des strukturellen Leerstands immer noch bei weiteren 120.000 Wohnungen liegen dürfte.
Die Wohnungsbautätigkeit im Jahr 2014 mit 41.579 fertiggestellten Wohnungsneubauten jährlich muss daher verdoppelt werden. Gleiches haben wir uns für die geförderten Mietwohnungen vorgenommen, deren Neubau wir auf 10.000 pro Jahr steigern wollen.
Wie wollen Sie diese Ziele erreichen?
Wir wollen den Wohnungsbau mit Hilfe von drei Instrumenten ankurbeln: Erstens haben wir als Sofortmaßnahme Verbesserungen bei den Tilgungsnachlässen festgeschrieben. Danach betragen die Tilgungsnachlässe für Förderdarlehen je nach Region bis zu 25 Prozent, bei der Errichtung von Wohnraum für Flüchtlinge sogar bis zu 35 Prozent und bei Zusatzdarlehen sowie bei der Förderung von Studentenwohnheimen können sie sogar noch höher sein. Mit diesen Tilgungsnachlässen sind Förderdarlehen auch in der aktuellen Niedrigzinsphase attraktiv für Investoren. Neu ist auch, dass ab 2016 die Hälfte der Tilgungsnachlässe als Eigenkapitalersatz von der NRW.BANK angerechnet werden kann. Zudem haben wir noch zwei weitere Förderprogramme zur Integration von Flüchtlingen und Asylbewerbern entwickelt. Der geförderte Wohnungsbau in Nordrhein-Westfalen ist heute so rentabel wie noch nie.
Zweitens sind wir auch, was die Mobilisierung von neuen Bauflächen anbetrifft, aktiv. Gerade in den sechs Regionen in NRW, die am meisten vom Wohnungsmangel betroffen sind, haben wir unsere Flächenoffensive fortgesetzt. Ziel ist, in diesen Regionen Transparenz über die für Wohnungsbau verfügbaren Flächen zu schaffen und diese zu aktivieren. Diesen Prozess unterstützen wir mit vielen konkreten Maßnahmen.
Und drittens vollzieht sich im sozialen Wohnungsbau derzeit eine positive Trendwende! Die Bewilligungen des Förderjahres 2015 sowie die Antragszahlen und die Prognosen über den weiteren Fördermittelbedarf in 2016 lassen eine zunehmende Dynamik im öffentlich geförderten Wohnungsbau erkennen. Die Landesregierung hat für ihre Wohnungsbauoffensive die erhöhten Entflechtungsmittel des Bundes konsequent und zweckgebunden für die Gewährung von Tilgungsnachlässen eingesetzt. Durch diese Anreizförderung ist es gelungen, die Investitionsbereitschaft im sozialen Wohnungsbau insgesamt wieder zu beleben. Eine Erhöhung des Wohnungsraumförderungsvolumens von 800 Millionen Euro auf 1,1 Milliarden Euro ist der nächste wichtige Schritt, um den erhöhten Bedarf an Fördermitteln in der sozialen Wohnraumförderung decken zu können und den Aufschwung im sozialen Wohnungsbau zu unterstützen. Mit dem höheren Programmvolumen müssen allerdings auch mehr Mittel für Tilgungsnachlässe einhergehen. Über notwendige finanzielle Lösungen beraten wir derzeit intensiv mit dem Bund.
Was hat es in diesem Zusammenhang mit dem Baugebietstyp „urbanes Gebiet“ auf sich?
In der Baunutzungsverordnung (BauNVO) soll ein neues Baugebiet eingeführt werden: das „urbane Gebiet“. Dieses neue Baugebiet soll in innerstädtischen Lagen eine stärkere Verdichtung und Nutzungsmischung ermöglichen. Der rechtliche Rahmen ermöglicht bislang nur eingeschränkt das Nebeneinander von Wohnen und Gewerbe und damit auch den Bau zusätzlicher Wohnungen in urbanen Zentren. Dabei ist dieses Nebeneinander eines der Kennzeichen der historisch gewachsenen europäischen Stadt. Über das neue Baugebiet „urbanes Gebiet“ soll den Kommunen mehr Spielraum für lokal passende Lösungen zur Erschließung zusätzlichen Baulands in urbanen Räumen gegeben werden. Das mobilisiert Wohnraum, sorgt für eine lebendige Mischung von Wohnen und Gewerbe und schont den Flächenverbrauch.
Welche Rolle spielen Wohnhochhäuser mit Sozialwohnungen bei Ihren Überlegungen?
Es sind ähnliche Überlegungen wie bei den ‚urbanen Gebieten‘: Wir haben das Thema „Wohnhochhäuser“ und „Vertikale Dörfer“ in die Diskussion gebracht. Wenn man den riesigen Wohnraumbedarf sieht, müssen wir unsere Städte dichter und kompakter bebauen, um in einem heute schon dicht besiedeltem Land wie Nordrhein-Westfalen die verbliebenen Frei- und Landschaftsräume zu schonen. Wir haben daher in den Großstädten mit dem höchsten Wohnraumbedarf (Bonn, Köln, Düsseldorf, Essen, Dortmund und Münster) die ehemalige Begrenzung auf 4 Vollgeschosse im geförderten Wohnungsbau auf 7 Vollgeschosse erhöht. Darüber hinaus können Kommunen an integrierten Standorten, in gemischt finanzierten Wohnhochhäusern, die mindestens 50 Prozent freifinanzierte Wohnungen enthalten, auch geförderten Wohnungsbau in sehr viel höhere Wohnhochhäuser einbringen. Damit wollen wir insbesondere in den Großstädten, in denen das Wohnhochhaus am ehesten akzeptiert ist, mehr Spielräume auch im sozialen Wohnungsbau schaffen.
Herr Minister Groschek, vielen Dank für das Interview.
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