In jüngster Vergangenheit wurde versucht, den Mietpreisanstieg mit umfassenden staatlichen Regulierungen einzudämmen. In Berlin mündeten die Regulierungsbemühungen schließlich im Anfang 2020 in Kraft getretenen – und gut ein Jahr später vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärten – Mietendeckel. Die Studie Mietendeckel & Co. – Wirtschaftliche Auswirkungen von Mietregulierungen auf den Immobilienmarkt der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC Deutschland untersucht regulatorische Eingriffe, mit einem Schwerpunkt auf Berlin.
„Neben der beabsichtigten Absenkung des Mietniveaus, wurden komplexe und langfristige wirtschaftliche Auswirkungen von regulatorischen Maßnahmen nicht ausreichend antizipiert und reflektiert“, erklärt Harald Heim, Partner bei PwC Deutschland, die Kernergebnisse der Studie.
Der Mietendeckel hat das Berliner Mietniveau abgesenkt. Jedoch profitieren von den Mietabsenkungen vorrangig überdurchschnittliche Einkommensschichten bzw. bessere Wohnlagen. Zugleich ging die Zahl der zur Vermietung angebotenen Wohnungen um fast 60 Prozent zurück, was den Wettbewerb für Wohnungssuchende erheblich verschärfte, insbesondere für Zuziehende und Familien mit wachsendem Wohnraumbedarf. Die PwC-Analyse unterscheidet direkte (z. B. Absenkung der Mietpreise nach Berliner Ortsteilen) sowie indirekte Auswirkungen (z. B. reduziertes Angebot, Miet- und Kaufpreise im Berliner Umland oder unterlassene energetische Modernisierung).
Deutlich erschwerte Wohnungssuche in Berlin
Der Mietendeckel hat in Berlin das Mietniveau nach Angaben von ImmoScout24 um durchschnittlich 8 Prozent abgesenkt. Besonders deutlich zeichnete sich die Absenkung in einkommensstärkeren Stadtteilen ab. Einkommensschwächere Gegenden hingegen profitierten davon weniger. Dr. Harald Heim sagt: „Der Mietendeckel hat das sinnvolle sozialpolitische Ziel – bezahlbare Mieten vor allem für Einkommensschwächere – im Ergebnis verfehlt.“ Die Folge: Das Mietangebot an Bestandswohnungen (Baujahr vor 2014) ist zwischen September 2019 und September 2020 um fast 60 Prozent zurückgegangen, das Gesamtangebot an Mietwohnungen um 41,5 Prozent – verglichen mit einem Anstieg in den Top-6-Städten von durchschnittliche 35,3 Prozent. Mit durchschnittlich 140 InteressentInnen pro Inserat lag Berlin in 2020 deutlich über den anderen deutschen Großstädten. Auf Platz 2 folgte Köln mit 63 InteressentInnen pro Inserat.
Entkoppelung von Kauf- und Mietpreisen machen Vermietungen oft unattraktiv
Gemäß des Monatsberichts der Bundesbank zum Februar 2021 liegt das Preisniveau für Wohnimmobilien 15 bis 30 Prozent über dem durch demografische und wirtschaftliche Fundamentalfaktoren gerechtfertigten Niveau, u.a. durch die Differenz zwischen den Steigerungsraten für Miet- und Kaufpreise in Deutschland (in 2020 zirka 2 Prozent vs. 7 Prozent). Mit der Reduzierung der Mieten sowie Begrenzung des Mietwachstums durch den Berliner Mietendeckel und Kaufpreistreiber wie einem anhaltenden Nettozuzug, wurde diese Entwicklung in Berlin verstärkt. Als Resultat ist der Ankauf und die Vermietung von Wohnimmobilien oft wirtschaftlich nicht mehr tragbar und resultiert teils in negativen Nettoanfangsrenditen. Als wirtschaftlicher Ausweg bleibt dann nur der Verkauf als Eigentumswohnung für den Selbstnutzer. Eine Tendenz, die seit vielen Jahren in allen deutschen Ballungsgebieten zu beobachten ist.
Zugleich spiegelt sich diese Entkopplung aufgrund der weiter zunehmenden ‚Flucht‘ ins Umland wider. Nach eigener Analyse auf Datenbasis von VALUE Marktdaten stiegen in sechs untersuchten Kleinstädten um Berlin die Kaufpreise seit 2015 deutlich stärker an als die Mietpreise. Die durch regulierende Eingriffe verschärfte Differenz zwischen Kaufpreis- und Mietpreisentwicklung schafft volkswirtschaftlich ein Vermögenspreisblasenrisiko.
Benjamin Schrödl, Bereichsleiter M&A Real Estate in Berlin und Direktor bei PwC Deutschland, kommentiert: „Die vielversprechendste Lösung für angespannte Wohnungsmärkte ist und bleibt der Neubau (Angebotsausweitung), der aber oft durch komplizierte Genehmigungsverfahren erschwert und verkompliziert wird.“ Diese zu beschleunigen, wäre ein dringendes politisches Handlungsfeld und eine sehr gute Alternative zu marktregulierenden Eingriffen bei Wohnimmobilien. Neubau könnte den Druck auf den Mietmarkt reduzieren und den, insbesondere für eine Metropole wie Berlin, benötigten internationalen Zuzug sowie weiteres Wachstum positiv verändern.
Energetische Modernisierungen zurückgestellt
Berliner EigentümerInnen sehen sich zudem bei Investitionsvorhaben erheblich eingeschränkt. Die Bundeshauptstadt will, stärker als anderswo in Deutschland, mit sozialen Erhaltungsgebieten Verdrängungseffekten entgegenwirken. Diese erfordern allerdings zusätzliche Genehmigungen bei Abriss oder Umbau. Zudem erschwerten die durch den Mietendeckel abgesenkten Mieten und die eingeschränkte Umlegbarkeit die wirtschaftlich tragbare Durchführung von (energetischen) Sanierungsmaßnahmen. Insgesamt 70 Prozent der vom BFW Landesverband Berlin/Brandenburg im Juli 2020 befragten Mitgliedsunternehmen gaben an, aufgrund sinkender Mieteinnahmen ihre geplanten energetischen Modernisierungs- und Sanierungsmaßnahmen für drei Viertel ihres Wohnungsbestands auszusetzen. „Halten private und öffentliche EigentümerInnen Investitionen in den Bestand zurück, trifft das auch die energetische Sanierung. Das steht den Klimazielen und steigenden Nachhaltigkeitsanforderungen deutlich entgegen“, betonen die PwC-Experten Heim und Schrödl.
Regulierung im internationalen Kontext
Auch in anderen Ländern erreichten Instrumente zur Wohnregulierung nicht zwangsläufig ihre Ziele. In Schweden beträgt die Wartezeit auf eine mietregulierte Wohnung im Durchschnitt 11 Jahre. In Wien führten die Regulierungen zu einem komplizierten und intransparenten Wohnungsmarkt, der nicht selten Teile der einkommensschwächeren Mieter benachteiligt. In New York City und Lissabon führten zunehmende Regulierungen in bestimmten Gebieten zu erheblichen Investitionsstaus.