Wenn der Präsident des Zentralen Immobilienausschuss (ZIA) einem Regierungsvertreter das jährliche Frühjahrsgutachten in die Hand drückt, nutzt er die Gelegenheit traditionell zu Kritik. die Schelte für die Bundesregierung war diesmal Moderater als im Vorjahr; stattdessen schoss sich ZIA-Präsident Andreas Mattner auf die Wohnungspolitik des Lands Berlin ein. Durch Enteignungen oder den Ankauf von Wohnungen im großen Stil werde nichts erreicht.
Zwar werden weder Enteignungen noch der Ankauf von Wohnungen im Frühjahrsgutachten erwähnt. Der ZIA-Präsident ließ es sich dennoch nicht nehmen, Enteignungen und den staatlichen Ankauf von Wohnhäusern in Berlin zu kommentieren: „Das Thema ‚Enteignung’ ist eine Debatte, in der sich, glaube ich, das Land Berlin isoliert hat und die die völlig falschen Akzente setzt für diejenigen, die bauen sollen.“ Durch Enteignungen werde nicht eine einzige neue Wohnung geschaffen. „Auch durch den Ankauf von Wohnungen im großen Stil wird – außer, dass man die Steuerkasse plündert – nichts erreicht.“ Das Geld für Ankäufe ist nach Mattners Überzeugung besser beim Wohngeld angelegt. Bis der Neubau greife, müsse man, „statt zweistellige oder noch größere Millionenbeträge für sinnlose Wohnungskäufe auszugeben“, darüber nachdenken, ob man eine Subjektförderung mache: Die, die besonders bedürftig seien, bekämen so genau das Geld, was sie bräuchten, um zumindest temporär die teurere Wohnung zu mieten.
Damit rannte Mattner bei Marco Wanderwitz offene Türen ein. Der parlamentarische Staatssekretär aus dem Innenministerium nahm das Gutachten entgegen und kündigte fürs kommende Jahr eine Erhöhung und Erweiterung beim Wohngeld an. Schon vorher – nämlich im Juli dieses Jahres – werde man vom Bund aus eine „größere“ Baugesetzbuchnovelle auf den Weg bringen. „Allerdings sind auch hier mindestens gleichermaßen die Länder gefragt – Stichwort: Vereinheitlichung der Bauordnungen“, fügte Wanderwitz hinzu. Auch an mehreren anderen Stellen konnte er sich Seitenhiebe auf die Bundesländer nicht verkneifen. Als ‚kleine Blaupause’ will der Mann aus dem Innenministerium den Ergebnisbericht der Kohlekommission genutzt wissen – zum Beispiel beim Thema „Verlagerung von öffentlichen Arbeitsplätzen raus aus den A-Regionen in ländliche Regionen“. Gemeint sind damit die Regionen der sieben bevölkerungsreichsten deutschen Städte, also Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt, Stuttgart und Düsseldorf.
| Keine auskömmliche Rendite mehr in A-Städten
Genau mit diesen A-Städten hatte sich für das Gutachten Carolin Wandzik, Geschäftsführerin des Gewos-Instituts, befasst. Wandzik sprach das für Investoren interessante Thema Bruttoanfangsrendite beim Kauf von vermieteten Wohnungen an. Der Median liege „mittlerweile in den A-Städten zwischen 2,7 und 3,9 Prozent – die geringste Rendite in München, die höchste in Düsseldorf“. Was das zum Beispiel für München bedeutet, ist im Gutachten nachzulesen: Hier „sind knapp 37 Jahresnettokaltmieten nötig, um den Kaufpreis für eine vermietete Eigentumswohnung mittels Mieteinnahmen wieder zu erwirtschaften“. Wobei nicht umlagefähige Betriebskosten, Mietausfälle und Erwerbsnebenkosten in der Rechnung noch nicht berücksichtigt sind. Sogar bei Wohnungen mit weniger als 40 Quadratmetern (Mikrowohnen) ist demnach in München (3,1 Prozent) und Berlin (3,2 Prozent) keine auskömmliche Bruttoanfangsrendite mehr zu erzielen. Der einschlägige Mindestwert von 4 Prozent wurde im Jahr 2018 noch in Düsseldorf (4,6 Prozent), Köln (4,2 Prozent) und gerade eben in Hamburg, Frankfurt und Stuttgart (jeweils 4,0 Prozent) erreicht. Ebenfalls wenig erfreulich für die Anleger: „Wir haben überall einen Rückgang der Rendite: von minus 0,1 Prozentpunkten bis minus 0,4 in Köln.“
Angenehmere Zahlen hatte da Harald Simons zu bieten. Er ist Vorstandsmitglied beim Beratungsunternehmen Empirica, und sein Part waren die 68 kreisfreien Großstädte in Deutschland. Es gebe eine Reihe von Städten mit Bruttoanfangsrenditen von 5 bis 6 Prozent. „Das sind Städte wie Wuppertal, Krefeld, Magdeburg – Städte, die in den letzten Jahren keiner mit der Kneifzange angefasst hätte.“ Im Gutachten werden als weitere Beispiele Bochum, Remscheid, Mülheim, Duisburg, Hagen und Salzgitter genannt, außerdem Herne und Oberhausen, wo die Bruttoanfangsrendite trotz der gesunkenen Zinsen seit 2012 sogar gestiegen sei. Hier gebe es niedrige Wohnkosten und eine große Auswahl: „Nicht, dass ich da mit 200 Leuten in der Schlange stehen muss, sondern im Gegenteil: Da stehen eher 30 Vermieter und bieten mir ihre Wohnung an.“
Hier seien die Risiken aus Investorensicht geringer als bei den Preisniveaus und bei den geringen Anfangsrenditen von überhitzten Großstädten aus der zweiten Reihe wie Freiburg oder Regensburg – von den A-Städten gar nicht zu reden. Bisher ungenutzte Chancen für Investoren sieht Gewos-Geschäftsführerin Wandzik im Umland der A-Städte. Dieses Umland spiele eine immer wichtigere Rolle, und man merke bei den kleinräumigen Wanderungsbeziehungen, dass dort schon ein Umdenken auf Nachfrageseite stattgefunden habe. „Die Frage ist: Wann passiert das auch auf der Investorenseite?“ Gute Nachrichten überbrachte auch Lars Feld, Professor an der Uni Freiburg. Zunächst, was die Rahmenbedingungen für die Bauwirtschaft betrifft. Hier gebe es weiterhin überausgelastete Kapazitäten. Die Nachfrage sei enorm – sowohl nach Wohnimmobilien als auch nach Gewerbeimmobilien. „Das bleibt. Die Zinswende erwarten wir nicht im Jahr 2019; die wird aller Voraussicht nach weiter aufgeschoben.“
| Preisblasen in Deutschland nicht zu befürchten
Investoren dürften sich über Felds Entwarnung bei Preisblasen freuen. „Wir haben in den A-Städten eine kräftigere Preisentwicklung, aber selbst dort sind wir weit weg von den Übertreibungen, die es auf Immobilienmärkten international gegeben hat, bei denen Preisblasen diagnostiziert werden.“ Hierzulande gebe es eine ganze Reihe von regulatorischen Vorkehrungen, die dafür sorgten, dass Preisblasen „nicht stattfinden können. Wenn sie in den Niederlanden, in Großbritannien, in den USA Finanzierungen von 110, 120 Prozent bekommen können, ist das in Deutschland eben nicht möglich.“
Mit seiner Einschätzung von Subventionen hielt der Professor nicht hinter dem Berg. „Baukindergeld, Sonder-AfA oder Ähnliches haben keinerlei Effekt außer einem Mitnahmeeffekt oder einem preissteigernden Effekt, weil der Bauträger höhere Preise verlangen kann. Mehr gebaut wird dadurch nicht.“ Er riet außerdem dazu, das Thema Grunderwerbsteuer beim Spezialthema Share Deals „vernünftig zu lösen und nicht zu heftig zuzugreifen“.
Wie ZIA-Präsident Mattner sprach sich auch Feld dafür aus, eine CO2-Bepreisung nicht noch weiter aufzuschieben. Kleinteilige Klimapläne, die sich aus dem großen Ziel, alle zehn Jahre ein bestimmtes Ziel an CO2-Reduktion zu erreichen, zwangsläufig entwickeln müssten, „greifen zunehmend in die Einzelentscheidungen ein, sind immer schwerer zu kontrollieren, und am Ende werden sie nicht realisierbar sein“.
Einige Forderungen und Fakten aus den vergangenen Jahren tauchten bei der Pressekonferenz erneut auf. Erwähnenswert die Feststellung von Andreas Schulten, Vorstand des Beratungsunternehmens Bulwiengesa, dass sich die Knappheit bei Büroflächen weiter zugespitzt habe: „Es wird halt schwieriger und schwieriger und schwieriger.“ Private Nachfrager seien davon ebenso betroffen wie zum Beispiel Hochschulen. Schultens praktischer Vorschlag: „Man könnte auch mal überlegen, dass man da, wo U-Bahn-Knotenpunkte sind, Hochhäuser baut.“
Alexander Morhart
Fotos: Alexander Morhart