Der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) feiert im April sein 70-jähriges Bestehen in Berlin. Jörg Bleyhl, der Chefredakteur des Modernisierungs-Magazins, hat mit Andreas Ibel, dem Präsidenten des BFW, und Christian Bruch, BFW-Bundesgeschäftsführer, gesprochen.
Herr Ibel, Sie sind seit rund zwei Jahren Präsident des Bundesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen. Haben sich Ihre Erwartungen an das Amt erfüllt?
Was die Mitglieder und meine Mitarbeiter angeht – auf jeden Fall. In der Bundespolitik müssen jedoch sehr viel dickere Bretter als in der Landespolitik gebohrt werden. Die Apparate in der Bundespolitik sind sehr viel schwerfälliger, sehr viel größer. Trotzdem bin ich erstaunt, wie wenig regiert und wie viel nur reagiert wird. Derzeit reagiert die Bundespolitik nur noch auf das, was unbedingt notwendig ist. Es ist aber dringend notwendig, dass auch mal vorausschauend gedacht und gehandelt wird. Die Immobilienwirtschaft ist an langfristigen Parametern interessiert. Nur dann kann vernünftig investiert werden. Das Thema mehr bezahlbarer Wohnraum ist jahrelang verschlafen worden. Die Politik ist aufgefordert, das als nationale Aufgabe zu begreifen. Aber das haben nach wie vor noch nicht alle Mitglieder der Bundesregierung begriffen.
Im BFW sind über die acht Landesverbände rund 1600 Unternehmen organisiert. Bei den unterschiedlichen Ausprägungen des deutschen Immobilienmarkes – wo liegt denn der gemeinsame Nenner?
Ibel: Die Grundprobleme sind trotz der Unterschiedlichkeit von Stadt- und Flächen-Staaten überall gleich: Demographischer Wandel, CO2-Einsparung, moderner und bezahlbarer Wohnraum, Zuzug in den Ballungszentren. Die Politik muss den richtigen Rahmen für die Themen setzen. Überall gibt es mittelständische Immobilienunternehmen, die damit konfrontiert werden – etwa bei den Abschreibungen oder beim Alter der Gebäude oder bei den Konversionsflächen. Die Bundespolitik ändert permanent die Rahmenbedingungen, insbesondere die energetischen Vorgaben. Davon ist jeder betroffen, und dagegen kämpfen wir.
Ihr Verband sieht sich auch als politisches Sprachrohr in Berlin und Brüssel. Welche Aufmerksamkeit schenken Sie darüber hinaus der Bundesarbeitsgemeinschaft Immobilienwirtschaft (BID)? Oder anders gefragt: Was leistet die BID, was der BFW alleine nicht hinbekommt?
Ibel: Die BID bündelt die unterschiedlichsten immobilienwirtschaftlichen Verbände und positioniert die Interessenschwerpunkte gegenüber der Politik. Das ist ein ausgesprochen gutes System. Die BID ist eine hervorragende Abstimmungsplattform. Gerade bei bundesweit prägnanten Themen, wie beim Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen, können wir der Politik in Berlin verdeutlichen, worauf es uns ankommt. Zum 1. Juli 2016 übernehmen wir den BID-Vorsitz und sind auf die Reaktion der Politik gespannt. Unsere Mitglieder sind für 50 Prozent des Wohnungsneubaus in Deutschland verant wortlich. Daher sind die Energieeinsparverordnung und die Erbschaftsteuer ganz wichtige Bereiche, die wir voranbringen wollen.
Herr Bruch, worin liegt der Reiz, als Bundesgeschäftsführer einen Verband wie den BFW zu leiten?
Das sind vor allem die Themen und die Mitglieder. Mietrecht, Bauvertragsrecht, demografischer Wandel, Energiewende, Digitalisierung. Das sind alles sehr große Bereiche, die sich in der Gesellschaft und so auch in der Immobilienwirtschaft wiederfinden. Gerade unsere mittelständisch geführten Unternehmen, die zumeist inhabergeführt sind, denken langfristig. Sie stehen zu ihrem Wort, sie treffen schnelle Entscheidungen – und verlangen eine flache Hierarchie, wie wir sie hier im Verband haben. Was wir mit etwa zehn Mitarbeitern im Verband leisten, ist schon beachtlich. Hinzu kommt die Arbeit mit allen Landesgeschäftsführern vor Ort. Mir macht die Arbeit wahnsinnigen Spaß, und ich freue mich, an der positiven Entwicklung des BFW teilhaben zu können.
Wir haben die Zahl vorher erwähnt: Rund 1600 Wohnungsunternehmen sind in Ihrem Verband organisiert. Die Zahl ist in den vergangen Jahren stabil geblieben. Gibt es in der Mitgliederzahl überhaupt noch Wachstumspotenzial?
Ibel: Wir können jederzeit noch zulegen. Aber die Anzahl der Mitglieder ist nicht entscheidend, sondern die Qualität. Wir haben uns in den vergangenen Jahren ein neues Profil gegeben. Wir sind die Interessenvertretung für die mittelständischen Immobilienunternehmen in den Ländern, aber auch bundesweit und in der Europäischen Union. So haben wir mehr Unternehmen gewonnen und künftig ein gutes Wachstumspotenzial. Unsere Unternehmen sind auch in 30 Jahren noch tätig. Die Vernetzung zwischen starken Landesverbänden und dem Bundesverband ist das A und O für eine erfolgreiche Verbandsarbeit.
Bruch: Wir sind sehr nahe an unseren Mitgliedern dran. Und die Reaktionen bestätigen, dass wir sie gut vertreten.
Was ist Ihr stärkstes Argument für eine Mitgliedschaft im BFW?
Ibel: Das beste Argument ist unsere regionale Stärke, verbunden mit fundiertem Wissen und einem starken Netzwerk. Alle Mitglieder sind in meinungsbildende Entscheidungsprozesse integriert, und wir tragen die Argumente direkt den Bundesministerien vor.
Bruch: Unser Verband ist so organisiert wie die Branche: Regionalisiert, flache Hierarchie – das alles sorgt für schnelle Entscheidungen.
Der BFW feiert in diesem Jahr sein 70-jähriges Bestehen. Gibt es ein großes Geburtstagsfest?
Ibel: Wir feiern das Jubiläum im Rahmen unseres diesjährigen Deutschen Immobilien-Kongress am 28. April in Berlin. Die Enkel unserer Gründungsmitglieder eröffnen diesen Verbandstag. Wir diskutieren mit der Politik. Volker Kauder, der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, und Bundesbau-Staatssekretär Gunther Adler kommen. Nicht jeder in der Bundesregierung hat die Aufgaben der mittelständischen Immobilienwirtschaft bisher verstanden. Wir stehen bereit – wie vor 70 Jahren. Wir werden alle bundes- und landespolitischen Akteure nach Berlin einladen. Es wird diskutiert – und gefeiert.
Bruch: Das diesjährige Motto des Deutschen Immobilien-Kongresses lautet „Deutschland jetzt gestalten“. Bei einer Ausstellung zeigen 20 BFW-Mitglieder aus ganz Deutschland ihr Können. Damit wird deutlich, dass wir für die gesamte Breite der Immobilienwirtschaft stehen.
Lassen Sie uns auf einige der aktuellen politischen Entwicklungen auf dem Immobilienmarkt eingehen: Die Zahl der Baugenehmigungen steigt. Allerdings hinkt die Zahl der fertiggestellten Wohnungen weit hinter der notwendigen Menge an neuen Wohnungen hinterher. Was ist zu tun?
Ibel: Es ist notwendig, in den Wachstumsregionen noch mehr zu bauen – auch aufgrund des Nachholbedarfs der vergangenen Jahre. Die Politik muss jedoch für jede Wohnform geeignete Rahmenbedingungen setzen – auch bei Eigentumswohnungen. Die Fokussierung allein auf den Mietwohnungsmarkt ist falsch. Neue Ideen wie Wohnungsfreizugsprämien müssen diskutiert werden. Andererseits dürfen Vorschriften nicht noch mehr verschärft werden. Auch die Erhöhung der Grunderwerbsteuer ist Gift für bezahlbaren Wohnraum. Wir müssen den umgekehrten Weg beschreiten. Aufgrund der aktuellen Bauzinsen müsste der Wohnungsmarkt eigentlich boomen – die Realität sieht allerdings anders aus. Die Politik muss dies erkennen und endlich die Weichen richtig stellen.
Bruch: Alle Argumente der Branche sind auf dem Tisch. Es müssen nun die Entscheidungen durch die Politik getroffen und umgesetzt werden.
Wir haben gerade die Situation beim Neubau betrachtet. Wie sieht es aber im Gebäudebestand aus? Unternehmen Ihre Mitglieder hier Anstrengungen wie Gebäudeaufstockung, Nachverdichtung oder auch Umwandlung von nicht mehr benötigter Bürofläche in Wohnraum?
Ibel: Der BFW hat mit anderen Verbänden eine Studie beim Pestel-Institut in Hannover in Auftrag gegeben, die das riesige Potenzial bei den Dachaufstockungen aufdeckt. Gerade aber mit dem Thema Brandschutz haben wir uns Hürden geschaffen, die wir vor 20, 30 Jahren nicht hatten. Wenn alle Feuerwehren in Deutschland eine 4 Meter längere Leiter hätten, wären mit einem Schlag viele Probleme gelöst. Überzogene Bauvorschriften erschweren sehr viel. Deshalb sanieren wir lieber einen Bestand nur zu 50 Prozent. Der 100-Prozent-Gedanke ist nicht mehr bezahlbar – und in der Praxis auch nicht machbar.
Bruch: Kommunen wollen lieber auf der grünen Wiese bauen, weil sie dafür mehr Geld einnehmen als mit der Lückenbebauung. Vorschriften, die beispielsweise die Einbindung von Blockheizkraftwerken betreffen, können in kleinen Objekten nicht umgesetzt werden. Für den Mittelstand wird es immer schwieriger, Neubauvolumen ordnungsgemäß abzuwickeln.
Nicht erst seit die Zahl der Flüchtlinge in Deutschland deutlich angestiegen ist, rufen Sie nach mehr Wohnraum. Die Politik begegnet Ihnen mit der Forderung nach bezahlbaren Wohnungen. Schaffen Ihre Unternehmen den Spagat, zwischen günstig und nachhaltig?
Ibel: Entscheidend sind die Anforderungen und politischen Rahmenbedingungen. Unzählige Vorschriften verteuern vieles. Dabei ist der Staat erwiesenermaßen der größte Kostentreiber. Das Bauen muss daher günstiger werden. Allerdings: Unter 2500 Euro pro Quadratmeter ist ein Wohnungsneubau nicht zu erstellen.
Bruch: Wir brauchen das Geschäftsmodell sozialer Wohnungsbau. Zu den jetzigen Bedingungen wird die Schaffung von genügend bezahlbarem Wohnraum wohl nicht möglich sein.
Wenn du nicht mehr weiter weißt, gründe einen Arbeitskreis – hat das Bündnis für bezahlbares Wohnen schon etwas für die Praxis bewegt?
Ibel: Der Ansatz ist richtig. Im Bundesbauministerium liegt das ausgearbeitete Dokument. Die Politik muss das jetzt umsetzen. Im Bundeswirtschaftsministerium wird jedoch eine Verschärfung der Energieeinspargesetze durchdacht. Die Vernunft muss sich endlich durchsetzen.
Bruch: Gutes Beispiel: Länder mit Mietpreisbremse können sich gegen die Sonderabschreibung nicht wehren.
Die Sonderabschreibung ist ein wichtiger Baustein, um die Wohnungsknappheit in den Ballungsgebieten zu bekämpfen. Verfügt der BFW über belegbare Zahlen?
Ibel: Es soll eine Sonderabschreibung von 35 Prozent in drei Jahren auf Herstellungsbeziehungsweise Anschaffungskosten von 2000 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche geben. Das könnte die Miete um 1 bis 2 Euro pro Quadratmeter reduzieren.
Bruch: Unter 2500 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche reine Baukosten kann aber nach allen seriösen Berechnungen nicht gebaut werden. Mit Grundstück sind das 3000 Euro pro Quadratmeter, also über 11 Euro Miete.
Ibel: Selbst reduziert um 1 bis 2 Euro wird damit kaum bezahlbarer Wohnraum geschaffen. Bevor wir jedoch nicht wissen, was herauskommt, können wir keine verlässlichen Zahlen nennen. Wir sind sehr skeptisch über das, was wir aus den Ländern hören.
An den Gesetzgeber gerichtet, haben Sie, Herr Ibel, gefordert, dass die Kommunen zügig und unbürokratisch Bauland bereitstellen sollten. Gibt es dazu schon Erfolgsmeldungen Ihrer Landesverbände?
Ibel: Nein. Aufgrund der Vergaberichtlinien vor Ort ist es eher noch schwieriger geworden. Hinzu kommt die Flüchtlingskrise. Es wird sich so schnell leider nichts bewegen.
Bruch: Die Ausweisungen von Bauland haben sich halbiert. Das Handwerk leidet darunter. In den Kommunen, in den Bauämtern fehlt Personal.
Wie verhindert der BFW, dass Bezieher niedriger Einkommen nicht auch noch von der Flüchtlingskrise bei der Suche günstiger Wohnungen benachteiligt werden?
Ibel: Es darf keinen zweiteiligen Wohnungsmarkt geben. Es darf keinen monokulturellen Wohnungsmarkt geben. Entweder für alle bauen – oder das Problem wird nicht gelöst.
Sieben Jahrzehnte erfolgreiche Verbandsarbeit. Jetzt ist es Zeit, drei Wünsche an die Bundesregierung richten.
Ibel: Das ist erstens die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum – das hat absolute Priorität. Zweitens, die Ergebnisse vom Bündnis für bezahlbares Wohnen eins zu eins umsetzen. Nummer 3 ist, die Schaffung langfristiger Rahmenbedingungen für den Wohnungsneubau. Das heißt zehn Jahre lang keine weiteren Verschärfungen. Dann haben wir viel erreicht.
Bruch: Mein spezieller Wunsch an das Bundeswirtschaftsministerium lautet: Erkennt endlich die Immobilienbranche als bedeutenden Wirtschaftszweig an.
Dieses Interview wurde zuerst im Modernisierungs-Magazin, Ausgabe April 2016 publiziert. Das Modernisierungs-Magazin ist eine der führenden Fachpublikationen für Entscheider in der Wohnungswirtschaft. Weitere Informationen zur Zeitschrift, auch zu einem möglichen Bezug, finden Sie » hier.
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[tab title=“Die Gesprächspartner“]Andreas Ibel ist Präsident des Bundesverbands Freier Immobilien-/ Wohnungsunternehmen (BFW). Seit 8. Mai 2014 übt der gebürtige Hamburger (56) das Amt aus. Von 2007 bis 2014 war er BFW-Nord-Landesvorsitzender, ab 2013 BFW-Vizepräsident. Der Anwalt baute die Bürofachmarktkette Staples mit auf, verantwortete die Spielzeug-Ladenkette Toys `R’ Us. Er war tätig bei der RSE Grundbesitz- und Beteiligung-AG (auch als Vorstand). In gleicher Funktion im Bau-Verein zu Hamburg AG. 2006 Vorstandsmitglied der TAG Immobilien AG (2007 bis 2009 Vorstandsvorsitzender).
Christian Bruch (43) ist seit 2013 Bundesgeschäftsführer des Bundesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen in Berlin. Der gebürtige Bernauer war nach seinem Studium der Rechtswissenschaften in Berlin (erstes und zweites juristisches Staatsexamen) Anwalt in einer eigenen Kanzlei (Schwerpunkt Baurecht) in Bernau. Bruch war danach bis 2011 Rechtsreferent beim BFW-Bundesverband. Danach bis 2013 Geschäftsführer des GDI (Gesamtverband Dämmstoffindustrie) in Berlin.[/tab]
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