In den letzten Jahren hat sich in Deutschland eine Wohnform entwickelt, die dem herkömmlichen Bild von Wohnen hierzulande widerspricht: Mikroappartements. Früher hieß das möbliertes Wohnen und war meist auf die Vermietung eines einzelnen Zimmers in einer Wohnung beschränkt. Die Bedeutung von Mikroappartements wird weiter zunehmen. Und das liegt in erster Linie an zwei Faktoren: dem hohen Wohnungsmangel in den Ballungszentren und den im Vergleich zu herkömmlichen Wohnungen sehr hohen Renditen. Zu diesem Ergebnis kommt der Trendreport Mikroappartements der Deutsche Immobilien Wirtschafts Gesellschaft (DIWG).
Mikroappartements mit Wohnnutzung, zu der auch Business- oder Studenten-Appartements gehören, sind mit klassischen Mietverträgen auf einen längeren Aufenthalt ausgelegt. Mikroappartements lassen sich in Untergruppen einteilen, die verschiedene Nutzer in den Fokus nehmen. Es gibt Student-, Business-, Senior-, Co-Living-Appartements sowie Serviced Appartements und Boarding Houses, alle zugeschnitten auf die Bedürfnisse ihrer Nutzer. Die meisten Investoren konzentrieren sich auf einen bestimmten Typ.
Darum breiten sich Mikro appartements so schnell aus
Die Zahl der Mikroappartements ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Und das liegt neben dem Wohnungsmangel an der Urbanisierung, einer wachsenden Zahl von Studenten, der Digitalisierung der Arbeitswelt, der Zunahme von Einpersonenhaushalten (52 Prozent) und einem der steigende Anteil von Senioren. Als Grund nicht zu vernachlässigen sind natürlich die enorm hohen erzielbaren Kaltmieten und die exorbitante Rendite.
In A-Städten lassen sich mit durchschnittlich 31,58 Euro pro Quadratmeter die höchsten Mieten erzielen. Aber auch in C-Städten, die ein beliebter Hochschulstandort sind, beispielsweise Freiburg, lassen sich noch 27,62 Euro pro Quadratmeter erzielen – bei einer Auslastungsquote von 91 Prozent. Die Mietpreise der meisten Mikroappartements liegen auf dem Niveau der teuersten Wohnungen der jeweiligen Stadt. Bezahlbar ist diese Wohnform für normal und geringverdienende Menschen nur wegen ihrer geringen Größe.
Neubauprojekte in Top-Lagen meist Mikroappartements
Wegen der hohen Renditen sind Neubauprojekte in Top-Lagen meist Mikroappartements. In den letzten Jahren waren die Kleinstappartments vornehmlich eine Spielwiese internationaler institutioneller Investoren. Wegen der steigenden Zinsen ging ihre Zahl im letzten Jahr zurück. Ausgefüllt wurde die Lücke von Privatinvestoren. Das ist ein Beleg dafür, dass Mikroappartements mit ihren vergleichsweise niedrigen Herstellungskosten aufgrund der geringen Wohnungsgrößen
trotz steigender Baupreise noch immer als lukratives Investment gesehen werden. Während der Anteil an internationalen Investoren im letzten Jahr sank und inzwischen nur noch bei rund 40 Prozent liegt, steigen nun vermehrt Privatinvestoren in den Markt ein.
Eine Reihe gesellschaftlicher Entwicklungen spielt dieser Assetklasse in die Hände: In Deutschland liegt die Eigentumsquote mit 46,5 Prozent traditionell auf einem sehr geringen Niveau. In Städten liegt sie bei 20 Prozent und weniger. Gleichzeitig liegt die Mietbelastungsquote im Schnitt bei 27 Prozent, und mehr als 10 Prozent der Mieter können sich ihre Wohnung finanziell nicht leisten. Sowohl der demografische Wandel als auch der anhaltende Trend zu Einpersonenhaushalten befeuern den Trend zu den Kleinstwohnformen. Wenn sich Mikroappartments aber zu sehr ausbreiten, birgt das für Städte durchaus soziale Risiken. Andreas Borutta, einer der Studienmacher, sieht die Gefahr, dass die hohen Mieten für die Appartments das Mietniveau einer Stadt oder eines Stadtteils insgesamt anheben könnten. Damit wäre die Hoffnung, nachhaltig preisgünstigen Wohnraum zu schaffen, dahin.
Wie also können wir dem Mangel an Wohnraum begegnen? Meiner Meinung nach geht das nur, indem wir das tun, was viele Kommunalpolitiker, Stadtplaner und Architekten hierzulande noch immer scheuen wie der Teufel das Weihwasser: in die Höhe bauen. Mit Nachverdichtung, Aufstockung und hippen Tiny Houses werden wir nicht weit kommen. Wer viel Wohnraum schaffen will, der kommt nicht darum herum, möglichst viel Wohnraum auf einer möglichst kleinen Baufläche unterzubringen. Und das geht nun mal am besten nach oben. Natürlich hat jeder sofort Bilder im Kopf von Berlin Marzahn, Köln Chorweiler oder Hamburg Steilshoop. Und schließlich möchte kein Stadtplaner einen künftigen sozialen Brennpunkt mitplanen. Spätestens seit den 80ern gilt hierzulande jedes Wohnhaus mit mehr als 6 Stockwerken als Hort von Hartz und Geringverdienst.
Bulwiengesa sieht Trend zu Hochhäusern
Dass das Wohnhochhaus per se kein Holzweg ist, darin sind sich internationale Städteplaner und Architekten einig. Und Bulwiengesa hat bereits 2016 einen Trend zu Hochhäusern festgestellt. Demnach können sich auch immer mehr Menschen vorstellen, in einem Hochhaus zu leben. Architektonisch ansprechende Hochhäuser, nicht wie früher auf der Grünen Wiese, sondern mitten in der Stadt auf Konversionsflächen, das muss der Weg sein. Im Münchner Werksviertel entsteht ein 60-Meter-Hochhaus dort, wo Pfanni früher seine Knödel buk. Es wären sogar noch knapp 40 Meter mehr drin gewesen, denn das Maß der Dinge ist in Höhenfragen die Münchner Frauenkirche. Aber das erschien dem Investor zu teuer.
Tatsächlich betrachten Experten das Wohnen im Hochhaus noch nicht als kostengünstig. Statik, Brandschutz sowie Klima-, Sicherheits- und Aufzugstechnik treiben Herstellungs- und Betriebskosten in die Höhe. Hinzu kommen die Aufwendungen für Infrastruktur und Stellplätze und große Abstandsflächen wegen der Verschattung. Allerdings haben Wohntürme bei der Energieeffizienz deutliche Vorteile, weil das Verhältnis zwischen Oberfläche und Raumvolumen günstig ist und regenerative Energietechnik im großen Maßstab deutlich wirtschaftlicher arbeitet. Und Beispiele wie das „Bosco Vertikale“ in Mailand zeigen, wie intensiv Hochhäuser begrünt werden können.
Nachdem Hochhäuser jahrzehntelang out waren, entstehen in ganz Deutschland in Großstädten wieder neue Wohnhochhäuser. Hamburg hat den 17-stöckigen Marco-Polo-Tower, Bremen seinen 70 Meter hohen Landmark-Tower und Frankfurt den 40-geschossigen neuen Henninger Turm. Dass es noch nicht mehr sind, liegt auch an den Städten, denn längst nicht überall steht man Hochhäusern offen gegenüber. Auch wenn Hochhäuser nicht die günstigste aller Wohnformen sind, so schaffen sie doch auf kleiner Fläche viel Wohnraum. Und wenn der dann mitten in der Stadt oder an einem attraktiven Standort geschaffen wird und architektonisch gelungen ist, steigt die Akzeptanz der Menschen. Wir brauchen vertikalen Wohnraum und wir brauchen den Mut, die Dinge anders zu machen, wenn sie nicht oder nicht mehr funktionieren. Und das Zersiedeln der Landschaft inklusive der täglichen Pendlerstaus ist ökologisch und volkswirtschaftlich nicht sinnvoll. Neue Hochhäuser braucht das Land!
Oliver Mertens