Wie das Statistische Bundesamt Mitte August mitgeteilt hat, wurden in Deutschland im ersten Halbjahr rund 30 Prozent mehr Baugenehmigungen für neue Wohnungen erteilt als in den ersten sechs Monaten des Vorjahres – ein Plus von 42.700 Wohnungen. Insgesamt wurde in den Monaten Januar bis Juni 2016 der Bau von rund 182.200 Wohnungen genehmigt. Davon waren 154.500 Neubauwohnungen in Wohngebäuden. Eine höhere Zahl hatte es zuletzt im Jahr 2000 gegeben. Damals betrug die Anzahl der Baugenehmigungen 185.000.
Falsches Spiel mit schönen Zahlen
„Der Anstieg der Baugenehmigungszahlen um 30,4 Prozent weckt vielerorts Hoffnungen auf ein absehbares Ende der Wohnungsknappheit. Vor dieser Fehlinterpretation kann ich jedoch nur warnen. Die Wohnungsknappheit in den Ballungszentren wird dadurch nicht geringer“, kommentiert Andreas Ibel, Präsident des Bundesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen e.V. (BFW), die veröffentlichten Baugenehmigungszahlen.
„Für den Wohnungsbau haben Baugenehmigungszahlen eine geringe Aussagekraft“, erklärt Ibel weiter. „Hier bleiben viele Fragen offen: Wird am richtigen Ort gebaut, wann kommen die Wohnungen auf den Markt? In welchem Segment wird überwiegend gebaut?“ So ist der stärkste Anstieg der Baugenehmigungen mit rund 174 Prozent für Wohnungen in Wohnheimen zu verzeichnen (12.400 genehmigte Wohnungen). Zu dieser Kategorie zählen unter anderem auch Flüchtlingsunterkünfte, die vorerst nicht für andere Wohnungssuchende auf dem Markt zur Verfügung stehen. Werden diese nicht eingerechnet, liegt der Anstieg der Baugenehmigungen in neuen Wohngebäuden bei lediglich 22,5 Prozent. „Darüber hinaus vergehen nach der Genehmigung durchschnittlich zwei Jahre, bis die fertig gebauten Wohnungen auf dem Markt sind – zu einem Zeitpunkt, an dem dort der volle Effekt der Zuwanderung spürbar wird“, ergänzt Ibel.
Anstieg bedingt durch Vorzieheffekt der EnEV 2016
Viel aussagekräftiger als Baugenehmigungszahlen seien Baufertigstellungszahlen, die wesentlich geringer seien, erklärt Ibel: Schließlich würden bei weitem nicht alle genehmigten Wohnungen fertig gestellt. So stieg die Zahl der fertiggestellten Wohnungen 2015 um nur ein Prozent im Vergleich zum Vorjahr und lag mit 248.000 Wohnungen noch weit unter dem tatsächlichen Neubaubedarf von jährlich 400.000.
Der wichtigste Faktor für den Anstieg der Baugenehmigungen im ersten Halbjahr 2016 ist der Vorzieheffekt durch die Einführung der Energieeinsparverordnung (EnEV) 2016. Dabei verwies Ibel auf Informationen durch die Mitgliedsunternehmen des Verbandes, die insgesamt für rund 50 Prozent des Wohnungsbaus in Deutschland zuständig sind. Demnach wurden noch vielfach die alten Regelungen der EnEV 2014 genutzt, bevor die Verschärfung im Januar diesen Jahres in Kraft trat und sich die Baukosten damit einhergehend um 7 Prozent erhöht haben. Da das Datum des Bauantrags gilt, haben zahlreiche Unternehmen den Antrag Ende letzten Jahres gestellt. Die Genehmigungen sind entsprechend in den ersten Monaten dieses Jahres erfolgt, obwohl der tatsächliche Baubeginn oftmals noch ungewiss ist.
Die Politik ist gefordert
„Das Niveau der Baugenehmigungszahlen wird über das gesamte Jahr nicht zu halten sein, wenn sich die politischen Rahmenbedingungen nicht schleunigst verbessern“, resümiert Ibel. „Die Politik darf kein falsches Spiel mit schönen Zahlen treiben, die für die tatsächliche Situation auf dem Wohnungsmarkt nur bedingt Aussagekraft haben. Das wäre verantwortungslos gegenüber allen, die ein neues Dach über dem Kopf suchen.“ Diesen sei mit einer schnellen und unbürokratischen Umsetzung der Empfehlungen der Baukostensenkungskommission wesentlich besser geholfen, ergänzt Ibel. „Vor allem sollten sich die politisch Verantwortlichen jetzt schleunigst zusammensetzen und die Maßnahmen anpacken, die im Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen beschlossen wurden.“
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