Kliniken und Pflegeheime in Holzbauweise sind rar. In Baden-Württemberg gibt es nach Internetrecherchen aktuell genau zwei. Die erste ist ein viergeschossiger Erweiterungsbau in Baden-Baden. Er dient einer Klinik als Bettenhaus und wird 2017 gebaut. Die zweite „Holzklinik“ ist ein Solitär und steht in Pforzheim. „Der Bau wurde nun offiziell an den Mieter übergeben“, sagt Monika Seckler-Fleischer, Geschäftsführerin der Palm GmbH & Co. KG mit Sitz in Schorndorf bei Stuttgart. Diese errichtet im Pforzheimer Ortsteil Sonnenhof den Holzneubau, in den ein betreutes Wohnen mit acht Intensivpflegebetten einzieht. Auch das ist eine Neuheit.
Neubau zu 70 Prozent aus Holz
Seckler-Fleischer erklärt das Konstrukt: „Der neue Rohbau ist aus statischen Gründen zu 70 Prozent aus Holz und zu 30 Prozent aus Beton gefertigt“. Mieter ist der Heimbeatmungsservice Brambring Jaschke, der mit dem Standort Pforzheim in Summe sechs Wohngemeinschaften mit 50 Intensivpflegebetten betreibt. Der kubische Bau besteht aus drei Vollgeschossen und einem Flachdach, beides sieht der Bebauungsplan so vor, der auch eine Vollbebauung des Grundstücks erlaubt.
Brandlast beachten
Doch das Pforzheimer Bauamt stuft das Gebäude als Krankenhaus und somit als Sonderbau ein. Einher gehen damit verschärfte Verordnungen wie schwere Brandschutztüren sowie die Verkapselung aller hölzernen Rohbauelemente. Stichwort Brandschutzqualität „K2 60“. Sie besagt, dass alle Holzbauteile mit Gipsfaserbauplatten ummantelt sein müssen. Damit die Brandlast möglichst gering ist und genügend Zeit bleibt, Pflegebedürftige zu evakuieren. Das Problem: diese Art des Holzbaus bedarf eines speziellen Zertifikats. In ganz Süddeutschland haben nur 25 Betriebe diese Zulassung.
Ein Schwarzwälder Holzbaubetrieb aus Schönbronn gehört zu diesem Kreis und kann die vom Amt geforderte Qualität liefern. Binnen sechs Wochen stehen Wände und Decken. Und weil das 800 Quadratmeter Nutzfläche umfassende Gebäude zum Großteil vorgefertigt ist, gehen Restarbeiten wie Elektro- und Sanitärinstallation schneller als bei einem herkömmlichen Ziegel-Beton-Haus. Das 2,5 Millionen-Projekt wurde unlängst an den Mieter übergeben.
Fluchtbalkone aus Stahl
„Die Herausforderung Sonderbau in Holz lässt hinsichtlich Verordnungen Interpretationsspielraum“, sagt Palm-Geschäftsführerin Seckler-Fleischer und führt ein Beispiel an: Statt jedes Bewohnerinnenzimmer in feuerbeständiger Holzqualität zu separieren, dienen nun Evakuierungsdecken dem Schutz der Patienten. Denn Intensivpflege bedeutet, dass bei einem Alarm rund um die Uhr Pflegepersonal binnen zwei Minuten am Bett sein muss. Auch der Betreuungsschlüssel ist deutlich höher als in einem Pflegeheim. Um acht Bewohnerinnen kümmern sich pro Schicht vier Pfleger. Mehrkosten für die Holzbau-Qualität, die etwa bei zehn Prozent der Bausumme liegen, sind nach Auffassung der Bauherrin, und schlussendlich auch der Baubehörde, daher nicht zu rechtfertigen. Hinzu kommen allerdings Fluchtbalkone aus Stahl an der Südwestseite des Hauses. Seckler-Fleischer ist sich sicher, mit dem nun erlangten Know-how in der Lage zu sein, weitere „Holzkliniken“ zu erstellen.
Bäder mit Hohlkehle
Wobei die Nutzung kaum an ein Krankenhaus erinnert. Im Gegenteil: Dier acht Bewohner, leben viel mehr wie in einer Studenten-WG. Jedoch mit gehobenem Standard. Das gelingt mit dem Farb- und Stilkonzept von Innenarchitektin Andrea Jaschke. Statt Keramikfliesen wirken wasserfeste, fugenfreie Wand- und Bodenbeläge in warmen Farben in den Bädern wohnlich. Sie sind zudem mit Hohlkehlenverarbeitung hygienisch. Sie sagt selbst: „Aufwand und Geduld haben sich gelohnt“. Sofern möglich, sollen die Klienten ihren Alltag zusammen verbringen. Die Küche im Erdgeschoss ist für gemeinsames Kochen und Essen ausgelegt. Die Arbeitsplatte ist in Teilen niedriger, damit Bewohner im Sitzen schnippeln und schneiden können. Natürlich sind in allen Stockwerken Flure, Zimmer, Bäder und Aufenthaltsräume barrierefrei und damit mit Rollstühlen gut befahrbar. Das Pflegebad hat Fenster und einen Decken-Lifter und das Gebäude verfügt über einen innenliegenden Aufzug.
Eleganter Kubus
Von außen kommt der Bau elegant, weil schlicht, daher. Dass darin Intensivpflege geleistet wird, ist für Passanten kaum wahrzunehmen. Die für den Blick aus dem Krankenbett tiefer eingesetzten Fenster sind mit Plissees bestückt, sie schützen die Bewohner vor allzu neugierigen Blicken. Über die zusätzlichen Fluchtbalkone freuen sich die Bewohnerinnen, denn sie ermöglichen den eingeschränkten Bewohnern schnell an die frische Luft zu kommen. Was die Feuerwehr für den Notfall fordert, kann im Alltag nicht schlecht sein.