Drei Verbände – eine Erfolgsstory: Die erstmals durchgeführten BRANCHENTAGE bescherten dem Verband für Dämmsysteme, Putz und Mörtel e.V. (VDPM), dem Bundesverband Farbe Gestaltung Bautenschutz und dem Bundesverband Ausbau und Fassade als Veranstalter ein volles Haus. Zahlreiche Fachleute aus Handwerk und Industrie, Sachverständige, Planer und Architekten waren nach Leipzig gekommen.
Sie erlebten ein abwechslungsreiches Programm mit den Schwerpunkten Technik und Recht. Christoph Dorn, Vorstandsvorsitzender des VDPM, präsentierte in seiner Begrüßung mit dem neuen „Ratgeber rund um die Außenwand“ und den aktualisierten „LEITLINIEN für das Verputzen von Mauerwerk und Beton“ zwei Publikationen, an deren Bearbeitung Handwerks- und Fachverbände mitgewirkt haben. Premiere auch für die neue VDPM-Kampagne #putzpoesie, die über Facebook und Pinterest sowie Internet (www.putzpoesie.de) vor allem junge Architekten für die vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten moderner Putzsysteme begeistern soll. In ihren Grußworten betonten Jan Bauer, Präsident des Bundesverbandes Farbe Gestaltung Bautenschutz, und Jörg Ottemeier, Vorstandsmitglied des Bundesverbandes Ausbau und Fassade, dass man nur gemeinsam die steigenden Anforderungen in den Bereichen Marktentwicklung und Regulierung in Technik und Recht bewältigen kann. Die beiden VDPM-Geschäftsführer Antje Hannig und Ralf Pasker führten anschließend durch das vielfältige Tagungsprogramm.
Wohnen in der Stadt für junge Familien nicht mehr finanzierbar
Eine spannende Mischung aus aktuellen Branchenzahlen und Trends lieferte Martin Langen (B+L Marktdaten GmbH). Die Neubaudynamik im Geschosswohnungsbau wird anhalten, parallel rechnet der Wissenschaftler mit einer Bevölkerungsbewegung zurück ins Umland, weil Wohnen in der Stadt für junge Familien aktuell nicht mehr finanzierbar sei. Der Boom am Bau biete dem Handwerk die Chance zur Spezialisierung des Angebotes und der Abläufe. Den Herstellern empfahl er im Hinblick auf mehr Marktdurchdringung einen verstärkten Blick auf kleinere Betriebe, die noch Kapazitäten frei hätten.
„Sie sollten sich das Gesetz wirklich anschauen!“ – lautete die Quintessenz von Prof. Jürgen Ulrich, Vorsitzender Richter am Landgericht a.D. Schwerte, zum neuen Bauvertragsrecht. Schwerpunkte seines Vortrages waren die gesetzlichen Änderungen im BGB u.a. bezüglich Abschlagszahlungen, die Abnahme und die Kündigung aus wichtigem Grund. Außerdem erläuterte Prof. Ulrich die für die Teilnehmer folgenreichsten Details im neuen Bauvertrag und im Verbraucherbauvertrag.
Bauproduktenverordnung der EU-Kommission
Die weitere Anpassung des Bauordnungsrechts in Deutschland an europäische Regelungen wird eine Anpassung der Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB) mit sich bringen. Dr.-Ing. Gerhard Scheuermann (Ministerialrat im Umweltministerium Baden-Württemberg) rechnet noch in diesem Jahr mit einem ersten Entwurf und für den Sommer 2019 mit dem Inkrafttreten der überarbeiteten MVV TB. Er schilderte deren Aufbau und Inhalt einschließlich diverser Neuerungen, u.a. beim Brandschutz und den Technischen Regeln für Gebäudeausrüstung. Dr. Scheuermann ging auch auf die Diskussion mit der EU-Kommission über die derzeitige Bauproduktenverordnung ein. Der Entwurf für die Novelle der BauPVO soll 2020 auf dem Tisch liegen, mit einem kompletten Zurückziehen wird nicht gerechnet.
„Ohne digitale Leistungserklärung lässt sich CE-Kennzeichnung in Zukunft nicht mehr bewerkstelligen.“- Mit diesem Leitsatz erläuterte Antonio Caballero González (Generalsekretär European Mortar Industry Organisation) Grundzüge und Vorteile des „Smart CE Marking“. Diese digitale Leistungserklärung schließt den Kreis zwischen Auftragserteilung, Planung/Bemessung und Ausführung und beschleunigt die Abläufe dazwischen. Smart CE Marking ist BIM-kompatibel, schafft (Mehr)Werte für die Nutzer und stößt in der Baustoffindustrie auf großes Interesse. 2019 sollen erste Produkte mit Smart CE Marking präsentiert werden.
Innen dämmen heißt außen nachschauen
Kay Beyen, ö.b.u.v. Sachverständiger für das Stuckateurhandwerk, skizzierte in seinem Vortrag über Prüfverfahren zur Klassifizierung von Bauprodukten, wie manche Gutachter hier mit für den Einzelfall ungeeigneten Verfahren arbeiten. An den Beispielen kapillare Wasseraufnahme von Mörteln und deren Druckfestigkeit zeigte Kay Beyen auf, dass genormte Prüfverfahren zur Bestimmung von Produkteigenschaften für eine Leistungserklärung und CE-Kennzeichnung. Vor Ort am Objekt durchgeführte Tests sind mit den Laborprüfungen nicht vergleichbar. Eine falsche Auslegung dieser Messergebnisse kann zur Beeinflussung von Gerichtsurteilen werden (vermeintlicher Produktmangel). „Das darf sich nicht manifestieren, dem muss man jetzt entgegenwirken“, forderte Beyen zum Handeln auf.
„Innen dämmen heißt außen nachschauen“, formulierte Jürgen Gänßmantel (Gänßmantel Ingenieurbüro) bei seiner Betrachtung zur Vermeidung von Schimmelpilzschäden bei der Innendämmung. Zentrales Problem sei hier die oft mangelhafte Prüfung des Schlagregenschutzes auf der Gebäudeaußenseite. Daraus resultierten ebenso häufig Schäden wie durch ein Behindern der Austrocknung in der Wand. Kondensation durch Diffusion, Konvektion und an Anschlüssen sei auch oft schadensursächlich. In Beispielen aus der Praxis wurden die geeigneten Maßnahmen zur Vorbeugung und Vermeidung von Schimmelbefall bei Innendämmung deutlich. Fachgerecht geplant und ausgeführt sind Innendämmungen eine Lösung, wenn eine Fassade von außen nicht gedämmt werden kann.
Harry Luik, ö.b.u.v. Sachverständiger für das Stuckateurhandwerk, stellte den Teilnehmern die kürzlich erschienene Richtlinie Metallanschlüsse an Putz und WDVS 2018 vor. Er betonte dabei ihren gewerkeübergreifenden Charakter, der Stuckateure, Maler und Klempner in die Lage versetzt, Probleme an den Schnittstellen bei der Ausführung zu vermeiden. Vor allem die Klempner hätten hier Informationspflichten. Deren klassische Fachregel allein reiche für die heutigen Baustellen nicht aus.
Unterstützung aus beteiligten Ländern
Den aktuellen Stand beim internationalen Recycling-Projekt für EPS und XPS erfuhren die Teilnehmer von Lein Tange, Geschäftsführer der PolystyreneLoop Kooperative. Er schilderte die Historie des Projektes, erläuterte den Recycling-Prozess per CreaSolv-Verfahren und präsentierte den Zeitplan zur Umsetzung. Vorausgesetzt man hat genügend EPS-Abfall aus Rückbaumaßnahmen, soll im dritten Quartal 2019 der Betrieb der Pilotanlage in Terneuzen (Niederlande) starten. Für die Materialsammlung als Grundlage der weiteren Arbeit sind die Betreiber aktuell auf Unterstützung aus den beteiligten Ländern angewiesen, so Lein Tange.
Ob Titandioxid-Staub demnächst durch die EU-Kommission als „vermutlich krebserregend“ eingestuft wird, ist derzeit noch offen. Dr. Martin Engelmann, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der deutschen Lack- und Druckfarbenindustrie, erläuterte die derzeitige Situation, vor allem aber die zum Teil drastischen Folgen für Industrie, Handwerk und Endverbraucher im Falle einer Einstufung. Er bemängelte das Fehlen einer wissenschaftlichen Grundlage für die Beurteilung von Titandioxid-Staub und wies andererseits auf die durch Deutschland ins Spiel gebrachte Alternative hin, Staubgrenzwerte am Arbeitsplatz europaweit zu harmonisieren. Mitte Februar 2019 fällt die Entscheidung in Brüssel. Das Abstimmungsverhalten einiger Länder ist noch offen.
VDPM-Hauptgeschäftsführer Dr. Hans-Joachim Riechers bedankte sich in seinem Schlusswort bei allen Referenten der BRANCHENTAGE, den Organisatoren der beteiligten Verbände und den Teilnehmern für ihr aktives Mitwirken an dieser Premiere.
Quelle: VDPM
Bildquelle: VDPM