Wohnimmobilien als Investment sind in Deutschland ein begehrtes Gut – und umso höher werden sie gehandelt. So stieg das Volumen aller Transaktionen von 2014 auf 2015 um 68 Prozent auf 22,5 Mrd. Euro. Geradezu dramatisch der Zuwachs gegenüber 2010: 673 Prozent. Die Gründe für diese Entwicklung sowie die Aussichten für 2016 erläutert Karsten Nemecek, Managing Director Corporate Finance-Valuation beim Immobiliendienstleistungs-Unternehmen Savills Germany.
Anzahl und Preisniveau stark gestiegen
Die Zahlen sind beeindruckend: Insgesamt 255 Wohnungspakete wechselten 2015 in Deutschland den Eigentümer. Die Zahl der gehandelten Einheiten summierte sich auf ca. 319.500, was gegenüber dem Vorjahr einem Anstieg um 33 Prozent entspricht. Ebenfalls stark gestiegen ist das Preisniveau: Während Investoren im Jahr 2014 knapp 56.000 Euro je Wohneinheit bezahlten, waren es im vergangenen Jahr mehr als 70.000 Euro. Welche Dynamik den deutschen Wohninvestmentmarkt treibt, wird freilich erst deutlich, wenn wir den Fünfjahresvergleich vornehmen. 2010 waren es 135 Portfolios mit insgesamt 55.300 Einheiten, die den Eigentümer wechselten, und das Volumen aller Transaktionen betrug lediglich 3,34 Mrd. Euro. Die gewaltigen Steigerungsraten – in der Spitze mehrere hundert Prozent! – zeigen, wie attraktiv Wohninvestments für Investoren geworden sind. Und dies wird sich auf absehbare Zeit nicht ändern.
Einer der Hauptgründe für das stetig steigende Handelsvolumen von Wohnimmobilien liegt neben der allgemeinen Erholung der Immobilienmärkte darin, dass Investoren sie als relativ risikoarme Anlageklasse wahrnehmen. Mit geringem Risiko gehen geringe Kapitalkosten und damit hohe Preise einher. So hat sich die Käuferstruktur in den vergangenen fünf Jahren gewandelt: von opportunistischen Investoren und Private Equity Fonds hin zu börsennotierten Wohnungsunternehmen sowie Versicherern und Pensionsfonds. Letztere sind in ihrem Anlageverhalten traditionell Risiken abgeneigt. Vor dem Hintergrund vergleichsweise geringer Renditen an den Anleihemärkten haben Investoren ihren Fokus auf Alternativen wie eben Wohnimmobilien ausgeweitet und dadurch für einen großen Zufluss an Kapital in dieses Segment gesorgt.
Finanzstarke Investoren bestimmen den Markt
Ferner hat sich durch zahlreiche Börsengänge und Kapitalerhöhungen, wie zum Beispiel von der Vonovia (früher Deutsche Annington), TAG, Adler Real Estate und LEG NRW der Anlagebereich von Aktieninvestoren auf den Immobiliensektor erweitert. Auch die Etablierung von Fonds durch Anbieter wie Patrizia oder Captiva sorgt für Möglichkeiten, Kapital im Immobilienmarkt zu platzieren. Wir gehen davon aus, dass diese Investorentypen auf Käuferseite auch in 2016 wieder eine sehr aktive Rolle spielen werden. Zusammenschlüsse oder Übernahmen großer Gesellschaften schwächen dabei natürlich den Wettbewerb.
Ein weiterer wichtiger Grund liegt in den günstigen Mietwachstumsperspektiven. Sie bekommen durch den absehbaren Bevölkerungsanstieg zusätzliches Futter und haben in den vergangenen Jahren die Zahlungsbereitschaft der Wohnungsinvestoren deutlich erhöht. Das Vertrauen in den deutschen Wohnungsmarkt ist groß, auch aufgrund der guten volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Vor allem in den sieben größten Städten – Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln, München und Stuttgart – gibt es deswegen einen hohen Nachfrageüberhang. 29 Prozent der gehandelten Wohnungsportfolios entfielen auf diese Top-7-Standorte. Ungewöhnlich im Vergleich mit anderen Ländern, wo es meist nur eine Metropole gibt. Interessant ist allerdings auch in Deutschland die Sonderstellung der Hauptstadt: Zwei Drittel der Transaktionen in den Top 7 fanden in Berlin statt, das sich zu einem zentralen Immobilienstandort in Europa entwickelt hat. Inwieweit die gesetzlich an vielen Standorten jüngst eingeführte Mietpreisbremse die Aussicht auf weiteres Mietwachstum einschränkt, bleibt noch abzuwarten. Grundsätzlich ist jedoch von einem dämpfenden Effekt auszugehen.
Anlagemöglichkeiten abseits der Metropolen
Die Konzentration der Investoren auf bestimmte Städte hat ihre Risiken. Die Sicherheit der Investitionen ist zunächst einmal höher, weil hier die Mietpreise aufgrund der absehbar steigenden Nachfrage bei nach wie vor zu geringer Neubautätigkeit weiter steigen werden. Allerdings nicht unbegrenzt. Und so werden die Renditen an Standorten, die derzeit besonders begehrt sind, auch wieder sinken. Umso attraktiver erscheinen Städte wie Hannover, Leipzig und Dresden – aber auch Oberzentren wie Ulm sowie Städte, in denen dank neuer Unternehmensansiedlungen Arbeitsplätze entstehen. Hier sind die Leerstandsquoten niedrig, ebenso die Immobilienpreise, zumindest im Vergleich mit den Metropolen. Beides bringt diese Standorte in den Fokus der Investoren. Sie sind unter Druck und suchen für das reichlich vorhandene Kapital ihrer Kunden dringend geeignete Anlagemöglichkeiten.
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