Eines vorweg: Ich bin ein alter weißer Mann. Aber ich bin nicht wütend und weiß, dass wir mit unserer bisherigen Mobilität nicht weiterkommen. Ja, wir brauchen eine Mobilitätswende. Die Fokussierung der Politik allein auf die Elektromobilität schafft allerdings mehr Probleme als sie löst: Überforderung der Stromnetze, teurer Aufbau von Ladeinfrastruktur, fehleranfällige Technik, hohes Ausfall- und Brandrisiko, ungeklärtes und aufwändiges Batterie-Recycling, überforderte Hersteller und Kunden, die für all das die Zeche zahlen. Und die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft holt sich mit jeder Ladesäule die Probleme buchstäblich ins Haus.
Worum es eigentlich geht
Oft wird so getan, als sei Elektromobilität „alternativlos“ und ein Selbstzweck. Man tut, als gäbe es keine anderen Möglichkeiten. Doch das ist falsch. Elektromobilität ist eine Übergangstechnologie, gedacht für die Zeit bis spätestens 2050. Die Forscher gehen davon aus, dass dann deutlich effizientere Antriebstechnologien zur Verfügung stehen. Die Frage ist also, wie wir Mobilität bis dahin gestalten. Preiswerte Alternativen werden oft ohne große Diskussion abgelehnt – weil sie nicht ins Konzept passen.
Natürlich ist der durch die Stadt surrende Elektrobolide hip und chic und gibt einem das Gefühl, zu den Guten zu gehören, in der Zukunft angekommen zu sein. Dann stimmt zumindest die gefühlte Ökobilanz. Nach etwas mehr als vier (Kleinwagen) bis achteinhalb (SUV, Limousine) Jahren amortisiert sich also ein Elektrofahrzeug ökologisch. Die Hersteller gewähren auf die Batterie in der Regel Garantien von acht Jahren bei Laufleistungen von bis zu 160.000 Kilometern auf 70 Prozent der Batteriekapazität. Unter dieser Kapazitätsgrenze macht der Betrieb im E-Fahrzeug weder Spaß noch Sinn. Das bedeutet, dass sich Kleinwagen ökologisch rechnen. SUV und Limousinen hingegen haben ihren CO2-Rucksack erst gegen Ende ihres Lebenszyklusses abgebaut.
Apropos SUV: Der langjährige Trend zu schweren E-SUV setzt sich fort. 2022 sind in Deutschland fast 25.000 ID.4 und ID.5 von VW neu zugelassen worden. Damit hat sich die Zahl im Vergleich zum Vorjahr fast verdoppelt. Forscher sehen die Entwicklung mit Sorge, weil schwere Elektroautos die Gefahr tödlicher Unfälle erhöhen. E-Autos sind wegen der Batterie per se deutlich schwerer als baugleiche Verbrenner. Die größere Masse macht sie potenziell auch gefährlicher. Wer ein ohnehin schon schweres Auto mit hoher Reichweite bewegen will, braucht eine große – schwere – Batterie, die bei einem E-SUV schon mal so viel wiegt wie ein Kleinwagen. 3,5 Tonnen Gesamtgewicht sind so locker machbar. Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand bei einem Unfall stirbt, steigt laut einer Studie von Michael L. Anderson und Maximilian Auffhammer um zwölf Prozent, wenn ein Fahrzeug 500 Kilogramm schwerer ist als das andere. Aber das nur am Rande.
Gigantischer Aufwand für Infrastruktur
Das für mich stärkste Argument gegen Elektromobilität ist der Aufwand, der für die Infrastruktur betrieben wird. Denn der ist gigantisch. Im Jahr 2030 sollen 15 Millionen E-Autos über deutsche Straßen surren. Von Juli 2016 bis Juni 2022 haben Bund und Automobilhersteller 8,7 Milliarden Euro in die Förderung von E-Mobilen gepumpt. Die Hersteller zahlten 3 Milliarden, der Bund noch einmal 5,7 Milliarden Euro.
Einer Studie der Schweizer Großbank UBS zufolge sind für den Ausbau der Elektromobilität innerhalb weniger Jahre gewaltige Investitionen in die öffentliche Ladeinfrastruktur erforderlich. Bis 2025 werden dafür Investitionen von weltweit bis zu 332 Milliarden Euro gebraucht. Die Analysten gehen von einem Bedarf von 18 bis 20 Millionen neuen Ladesäulen aus, davon 10 Millionen in Europa. Die Analysten beziffern die Kosten pro Ladesäule auf durchschnittlich rund 18.400 Euro. Die Bundesregierung plant eine Million öffentlich zugängliche Ladepunkte bis 2030. Das entspricht einer Investitionssumme von 20 Milliarden Euro.
Am 1. November 2022 waren der Bundesnetzagentur zufolge rund 72.000 Ladepunkte in Betrieb. Damit hinkt der Ausbau des E-Ladenetzes der wachsenden Zahl von Elektroautos hinterher. Die KfW verweist darauf, dass in den vergangenen zwei Jahren die Zahl der Elektroautos dreimal stärker gewachsen ist als die Lademöglichkeiten. Statt acht Elektroautos müssten sich nun 23 Fahrzeuge einen öffentlichen Stromladepunkt teilen. Um die Lücke zu schließen, hat das Kabinett im Oktober einen Masterplan Ladeinfrastruktur beschlossen und will dafür 6,3 Milliarden Euro in die Hand nehmen. Die Infrastuktur für Elektromobilität kostet uns als Gesellschaft enorm viel. Das sind Kosten, die bei alternativen Antriebsarten so nicht anfallen.
Ein Mix ist der beste Weg
Ein blindes Fokussieren auf nur eine Antriebsart führt verkehrspolitisch in eine Sackgasse. Das sieht auch der Verband der Elektrotechnik, VDE, so. Seiner Studie zufolge ist ein Mix aus batterieelektrischen Fahrzeugen, Brennstoffzellenantrieb und Ökokraftstoffen der beste Weg in die Zukunft der Mobilität. Pkw werden demzufolge ab 2030 hauptsächlich batterieelektrisch unterwegs sein, während es im gewerblichen Güter- und Schwerlastverkehr einen Mix zwischen Batterie- und Brennstoffzellen-Antrieb geben wird. Also bei langen Strecken mit E-Fuels und Brennstoffzelle und beim urbanen beziehungsweise lokalen Lieferverkehr batterieelektrisch.
Auch das längst im industriellen Maßstab verfügbare Methangas aus Ökostrom wäre eine Alternative für den Übergang. Mit der Power2Gas-Methode wird in einem chemischen Verfahren aus überschüssigem Windstrom reines Methan gewonnen, das überall ins bestehende Gasnetz eingespeist werden kann. Nichts spräche dagegen, Bestands- und Neuwagen umzurüsten und mit Gas zu betreiben. Die Umrüstung kostet nur wenige tausend Euro, und die Infrastruktur in Form eines Tankstellennetzes ist bereits vorhanden.
Deutschland hinkt beim E-Fuel hinterher
Gleiches gilt für E-Fuels. Ein Beispiel dafür ist HVO auf Basis hydrierten Pflanzenöls, der zwar in Teilen Europas als Kraftstoff zugelassen ist, nicht aber in Deutschland. Deshalb haben Forscher der Hochschule Coburg den Dieselkraftstoff R33 entwickelt, der zu 33 Prozent aus regenerativen Komponenten besteht. Den Wissenschaftlern zufolge entspricht der Ökodiesel mit sieben Prozent Biodiesel und 26 Prozent HVO den deutschen Vorgaben und senkt die fossilen Emissionen des Fahrzeugs um mindestens 22 Prozent: „Und das ohne Umrüstung, mit jedem Dieselfahrzeug, einfach nur durchs Tanken“, sagt Markus Jakob, Professor für motorische Verbrennung an der Hochschule Coburg. „Wenn man wollte, könnte man zum Beispiel schon in naher Zukunft in Deutschland Kraftstoffe anbieten, die zu mehr als 50 Prozent regenerativ hergestellt sind“, sagt Jakob. In anderen europäischen Ländern werden solche hoch regenerativen Kraftstoffe bereits heute flächendeckend verkauft. Der Diesel R33 ist bereits seit mehreren Jahren zugelassen und wird von Shell vertrieben. „Damit funktioniert jeder moderne Dieselmotor.“
Sehr interessant ist auch die noch junge Brennstoffzellentechnologie für den Lastverkehr. Ende 2022 hat mit dem Hyundai Xcient Fuel Cell der erste Brennstoffzellen-LKW aus Serienfertigung mit Straßenzulassung in Deutschland seinen Dienst aufgenommen. Seit 2020 fahren Exemplare des südkoreanischen Herstellers in der Schweiz, mittlerweile sind es gut 100. Der knapp 10 Meter lange LKW hat einen 350 Kilowatt leistenden Elektromotor mit einem Drehmoment von 2237 Newtonmeter. Das Brennstoffzellensystem leistet 180 Kilowatt, dazu kommen Pufferbatterien mit einem Energiegehalt 72 Kilowattstunden. Damit kommt der Laster auf ein noch wenig beachtliches Höchsttempo von 85 Kilometer pro Stunde. Eine Tankfüllung soll für rund 400 Kilometer reichen. Das Betanken soll acht bis 20 Minuten dauern. Die Produktionskapazitäten an grünem, also klimaneutral erzeugten, Wasserstoff sollen in der Schweiz ausgebaut werden. Bei den Eidgenossen gibt es zurzeit elf öffentlich zugängliche Tankstellen, die Wasserstoff anbieten. Drei weitere Standorte stehen kurz vor der Inbetriebnahme.
Wenn man also die ideologischen Scheuklappen weglässt, heißt die Lösung nicht E-Mobilität, sondern Mobilitäts-Mix. Das, was funktioniert, sollte dort, wo es funktioniert, eingesetzt werden. Jörg Bleyhl
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