Der Hochhausbrand in London und die Evakuierung eines Gebäudes in Wuppertal vor einigen Wochen haben die Thematik Brandschutz und Fassade wieder ins Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt. Der Verband für Dämmsysteme, Putz und Mörtel (VDPM) wendet sich gegen Spekulationen bei der Bewertung dieser Ereignisse und setzt stattdessen auf Fakten und eine sachliche Diskussion der Thematik. Immobilienverwalter in Deutschland stellen sich aus naheliegenden Gründen die Frage, ob ein Brand wie in London auch hierzulande möglich wäre. Ralf Pasker, Geschäftsführer Dämmsysteme des VDPM, erläutert die Position des Verbands: „Wir beteiligen uns nicht an Spekulationen, sondern warten die offiziellen Untersuchungsberichte ab und prüfen dann, inwiefern sich daraus Rückschlüsse ergeben. Fest steht inzwischen, dass am Grenfell Tower kein Wärmedämm-Verbundsystem (WDVS) angebracht war, stattdessen ein System mit vorgehängten Platten aus entzündlichem Aluminiumverbundmaterial. Genau hinschauen muss man auch auf die Fassadenkonstruktion des evakuierten Hochhauses in Wuppertal, das in den 60er-Jahre erbaut wurde als noch keine Brandschutzvorgaben wie heute existierten.“
Sicherheitsmängel in Wuppertal
Die dort bereits bei der Errichtung des Gebäudes verwendete Fassadenverkleidung besteht nach Auskunft des Wuppertaler Baudezernenten (am 28. Juni 2017 gegenüber VDPM) aus brennbaren Kunststoffplatten, die auf eine Holzunterkonstruktion montiert sind. Im Zwischenraum zwischen der Verkleidung und der tragenden Wand aus Beton befindet sich ein holzwolleartiges Material, das ebenfalls brennbar sein soll. Wichtig für die Beurteilung sind auch die Begleitumstände in Wuppertal. Hier hatte sich die Stadt ihrer Aussage nach nicht allein aufgrund des Fassadenaufbaus für die Evakuierung entschieden. Mit ausschlaggebend seien auch nicht zumutbare Fluchtwege (über Balkone), fehlende Brandmelder sowie enge Flure gewesen. Die Sicherheitsmängel des Gebäudes waren der Bauaufsicht der Stadt Wuppertal bekannt und dem privaten Eigentümer gegenüber bereits angemahnt worden. Eine aktuelle Neubewertung der Situation nach dem Brand in London habe schließlich zu dem Entschluss einer sofortigen Evakuierung geführt. Gesetzliche Regelungen In Deutschland wurde 1981 die erste Muster-Hochhausrichtlinie veröffentlicht, die nach und nach auch in die Landesbauordnungen integriert wurde. Seither sind an Hochhäusern (höher 22 Meter) nur nichtbrennbare Außenwandbekleidungen nach deutschem Baurecht zulässig.
Die entsprechenden Brandschutzmaßnahmen sind nach Gebäudehöhe und Nutzungsart gestaffelt. Sie orientieren sich am Risiko, insbesondere an der Frage: Wie schnell können sich Bewohner selbst in Sicherheit bringen, oder wie können Rettungskräfte Personen evakuieren? Dazu wird die Brandweiterleitung auf höchstens zwei Geschosse im Gebäude begrenzt. Trotz dieser gesetzlichen Vorgaben ist festzustellen: Eine 100-prozentige Sicherheit wird es nicht geben, unabhängig von der Fassadenart. WDVS, die mit unterschiedlichen Dämmmaterialien (Polystyrol, Mineralwolle, Hanf, Holzweichfaser) zur Anwendung kommen, sind geschlossene, verputzte Systeme ohne Hinterlüftungsspalt. Sie werden jeweils als Gesamtsystem in aufwendigen Belastungstests, darunter auch hinsichtlich Brandsicherheit, geprüft und zugelassen. Bei WDVS gilt neben der zwingenden Berücksichtigung der baurechtlichen Anforderungen grundsätzlich die fachgerechte und im System bleibende Ausführung durch ein qualifiziertes Fachunternehmen als wichtigstes Kriterium.
Brandschutzvorschriften umfassend angepasst
Gerade für WDVS mit dem häufig verwendeten Dämmstoff Polystyrol (EPS) wurden die Brandschutzvorschriften in den letzten Jahren kontinuierlich weiterentwickelt und dem Erkenntnisstand angepasst. Ein Grund dafür waren unter anderem die zunehmenden Dämmstoffdicken. Ein weiterer Grund war die Erkenntnis, dass neben dem Brandszenario eines Raumbrands mittlerweile auch ein erhöhtes Brandrisiko durch externe Feuerquellen gesehen wurde. Dazu zählen etwa neben der Fahrlässigkeit durch Brandstiftung entzündete, großvolumige Abfallsammelcontainer aus Kunststoff oder die Lagerung von brennbaren Stoffen direkt an der Fassade. Deshalb sind seit Anfang 2016 bei der Montage schwerentflammbarer WDVS mit EPS-Dämmstoff zusätzliche Brandriegel – ergänzend zu den ab 1997 eingeführten Maßnahmen– in den unteren Etagen vorgeschrieben. Diese Ausführung ist verbindlich für mehrgeschossige Wohnbauten ab einer Gebäudehöhe von 7 bis 22 Metern einzuhalten. Konkret heißt das: Wird ein schwerentflammbares WDVS mit EPS als Dämmstoff verwendet, sind seit Anfang 2016 die beiden neu geschaffenen Schutzzonen „Brand von außen“ (Sockelbrand) und „Brand von innen“ (Raumbrand) maßgebend für die einzubauenden Brandschutzmaßnahmen, insbesondere Anzahl und Lage der umlaufenden Brandriegel. Erhöhten Brandschutz bietet natürlich ein WDVS mit nichtbrennbarem Dämmstoff wie Mineralwolle oder Mineralschaum (Übersicht siehe Tabelle Dämmstoffe und Brandverhalten).
Viele ältere Gebäude wurden mit schwer entflammbaren WDVS ausgestattet. Hier gilt schon seit 30 Jahren, dass solche Fassadendämmungen bei mehr als 100 Millimetern Dämmstoffdicke mit zusätzlichen Brandschutzmaßnahmen über allen Gebäudeöffnungen (Sturzschutz) oder umlaufend in jedem zweiten Stockwerk (Brandriegel) ausgerüstet sein müssen. Dadurch wird die Brandweiterleitung im Fall von Raumbränden – der mit Abstand häufigsten Ursache von Gebäudebränden – wirksam begrenzt. Noch ältere Gebäude weisen in der Regel geringere Dämmstoffdicken und folglich geringere Brandlasten auf. Ralf Pasker gibt folgende grundsätzliche Empfehlung: „Zur Vorsorge sollten bei älteren Bestandsimmobilien eventuelle Beschädigungen an Außenputzen oder Bekleidungen zeitnah und fachmännisch beseitigt werden. Mögliche Brandlasten wie zum Beispiel Müllcontainer sollten in mindestens 3 Metern Abstand von der Fassade aufgestellt oder in nichtbrennbaren Einhausungen deponiert werden.“ Fassadendämmung mit WDVS bleibt notwendig. Die Verbände der Hersteller wollen zeitnah eine Dokumentation zur Verfügung stellen, um Immobilienbesitzern und -verwaltern die jeweilige Bestandsaufnahme zu erleichtern. Ausführliche und detaillierte Informationen zum Brandschutz an gedämmten Fassaden enthalten die folgenden beiden aktuellen Broschüren:
- Technische Systeminformation Kompendium
WDVS und Brandschutz,
Fachverband Wärmedämm-Verbundsysteme,
Baden-Baden, 2016 - Praxismerkblatt Brandschutzmaßnahmen
bei WDVS mit EPS-Dämmstoffen,
Bundesverband Ausbau+ Fassade/
Bundesverband Farbe, Gestaltung,
Bautenschutz/Fachverband Wärmedämm-
Verbundsysteme/Industrieverband
WerkMörtel, Berlin/Baden-
Baden/Duisburg, 2017.
Fassadendämmung mit WDVS bleibt unabhängig von der Brandschutzdiskussion unverzichtbar für mehr Energieeffizienz bei Neubauten und Bestandsimmobilien. Seriöse Energie- und Klimaexperten zweifeln nicht an der Notwendigkeit einer drastischen CO2- und Energieeinsparung, die durch (nachträglich) gedämmte Gebäudehüllen erreicht wird. Ohne sie sind weder die vereinbarten Klimaziele noch die erfolgreiche Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Energien zu realisieren.