Was war passiert?
In einer 343 Einheiten umfassenden Wohnungseigentumsanlage mit Namen „Ramses“ betreibt die Wohnungseigentümergemeinschaft ein Kabelnetz. Über eine Gemeinschaftsantenne werden Satellitensendesignale für Fernseh- und Hörfunkprogramme abgeleitet, die über das Kabelnetz in die einzelnen Wohnungen weitergeleitet werden. Im Streit zwischen der GEMA – einer Wahrnehmungsorganisation für Urheberrechte unter anderem von Komponisten, Textdichtern und Musikverlegern, die zugleich das Inkasso für ein Bündel anderer Schutz- und Verwertungsgesellschaften betreibt – und der Gemeinschaft „Ramses“ geht es um die Frage, ob das Kabelweitersenderecht der von der GEMA vertretenen Urheber- und Leistungsschutzberechtigten verletzt wird. Falls ja, kommt auf die Gemeinschaft eine Rechnung über gut 7.500 Euro allein für die fälligen Lizenzbeträge zu, die sich über sieben Jahre aufsummiert hätten. Im Instanzenzug in München bleibt die Klage ohne Erfolg.
Die Meinung des Gerichts
Auch der BGH gibt sich reserviert. Die sehr ausführlich angelegte Entscheidung befragt ausgiebig die unionsrechtlichen Rechtsquellen und die einschlägige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg (EuGH), um dann – für die Wohnungseigentümer erleichternd – festzustellen: Im Ergebnis der rechtlichen Betrachtungen ist der Vorgang so zu qualifizieren, dass die einzelnen Eigentümer die Sendungen gleichsam „an sich selbst“ weiterleiten und deshalb keine Lizenzpflicht ausgelöst wird. Denn bei wertender Betrachtung sei der gebündelte Empfang über nur eine einzige Antenne (mit Weiterleitungs- und Verteilfunktion über das Kabelnetz) dem Einzelempfang eines jeden Wohnungseigentümers über eine eigene Antenne vergleichbar. Nur werde eben der „Antennenwald“ vermieden. Es liegt somit keine „Wiedergabe an eine Öffentlichkeit“ vor, gelegentliche Nutzerwechsel oder auch Besuch der Wohnungseigentümer würden insoweit nicht weiter stören.
Ratschlag für den Verwalter
Die BGH-Entscheidung ist noch nicht „das letzte Wort“ in dieser Sache: Denn mittlerweile ist bekannt geworden, dass Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht (BVerfG; Az.: 1 BvR 3210/15) eingelegt worden ist, um auf diese Weise eine Änderung der Entscheidungslage zu bewirken (s. den Hinweis bei Hitpaß, Anmerkung zur BGH-Entscheidung „Ramses“ in NZM Heft 4/2016 vom 19. 2. 2016). Das kann man angesichts der Größe der Wohnanlage mit teils unübersichtlichen Nutzungsverhältnissen und/oder der Besucherfrequenz durchaus nachvollziehen, denn insofern wird der relevante Kreis einer „privaten Gruppe“, die sich von der „Öffentlichkeit“ abgrenzen lassen muss, vom BGH doch weiträumiger verstanden, als man das bei unbefangener Betrachtung dieses Begriff geneigt ist anzunehmen. Wird die BGH-Rechtsprechung allerdings bestätigt, werden derartige (zentrale) Modelle für den Radio- und Fernsehempfang zusätzlich an Marktinteresse gewinnen. Problematisch hingegen erscheint die Gestaltung, dass auch Dritte, etwa eine andere Wohnungseigentümergemeinschaft, über die Gemeinschaftsantenne „mitversorgt“ werden, also ein anderer Rechtsträger zu gewärtigen ist.
Dokumentation: BGH, Urt. v. 17. 9. 2015 – I ZR 228/14 (Verfassungsbeschwerde zum BVerfG; Az.: 1 BvR 3210/ 15), Entscheidungsabdruck in NZM Heft 4 vom 19. 2. 2016 mit Anmerkung Hitpaß.
Von Rechtsanwalt Dr. Andreas Kappus, Frankfurt a.M.,
Schriftleiter der Neuen Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht (NZM),
Verlag C. H. Beck, München und Frankfurt a.M.
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