Überwachung nicht immer rechtssicher
Das Thema Videoüberwachung im rechtlichen Dickicht ist kompliziert und wurde schon des öfteren behandelt. Da aber die Statistiken über die Diebstähle in Deutschland im Jahr 2014 weiterhin einen ähnlichen Anstieg wie die Börsenkurse verzeichneten, während die Polizei mit speziellen Ermittlungsgruppen die geringe Aufklärungsquote verbessern will und als Abhilfe von parlamentarischen Hinterbänken der Ruf nach einer Verschärfung des Strafrahmens für Einbruchsdiebstähle vernehmbar war, bleibt das Thema weiterhin sowohl im Wohnungseigentums- wie im Mietrecht aktuell.
Persönlichkeitsschutz kontra Eigentumsschutz
Im Gegensatz zur in der Bevölkerung weit verbreiteten Neigung, mit dem Handy jede beliebige Alltagssituation festzuhalten, wird von den Gerichten bei der Prüfung der Zulässigkeit von Videoanlagen zur Sicherung des Eigentums streng zwischen dem Gebot des Datenschutzes und des Eigentums abgewogen. Diese in Deutschland schon gängige Gerichtspraxis wurde durch eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 11. Dezember 2014, Aktenzeichen C-212/13, bestätigt. In Tschechien hatte ein Hauseigentümer, dessen Fenster mehrfach durch Steinwürfe beschädigt worden waren, eine Kamera installiert, die auch den öffentlichen Straßenbereich vor dem Haus erfasste. Diese Kamera erfasste auch zwei Tatverdächtige, gegen die ein Strafverfahren eingeleitet wurde. Allerdings wurde auch gegen den geschädigten Eigentümer eine Geldbuße verhängt, weil er die Daten über die Sachbeschädigungen ohne die Einwilligung der möglichen Straftäter verwendet hatte. Der EuGH bestätigte die für das deutsche Recht nicht mehr überraschende Auslegung einer europäischen Richtlinie zum Schutz personenbezogener Daten schon aus dem Jahr 1995, nach der die hier vorgenommene Aufzeichnung möglicher Straftaten auch im Straßenraum zwar nicht der Ausnahme in der Richtlinie für ausschließlich persönliche oder familiäre Tätigkeiten entsprach. Für den konkreten Einzelfall ergibt sich aus der Entscheidung aber keine unmittelbare Konsequenz, weil der EuGH auch auf die in der Richtlinie vorgesehenen Ausnahmen für die berechtigte Datenverarbeitung verwies, zum Beispiel zum Schutz des Eigentums, der Gesundheit und des Lebens. Dabei müssen dann auch nicht die betroffenen Personen über die Bearbeitung der Daten unterrichtet werden. Hierzu lässt die Richtlinie ergänzende Regelungen auf nationaler Ebene zu.
Die Krux mit der Auslegung im Einzelfall
Ähnlich wie der EuGH nimmt auch der Bundesgerichtshof (BGH) nur eine Rechtsprüfung vor, ob die Feststellung und Bewertung der Tatsachen den Rechtsgrundsätzen entspricht. Deshalb ist in den Tatsacheninstanzen vom Amts- zum Landgericht weiterhin eine bunte Vielfalt der Auffassungen zur Zulässigkeit von Videoanlagen möglich. Wie bereits im vorausgegangenen Artikel belegt, zeigt sich dies erneut in den seither veröffentlichten Entscheidungen, die hier dargestellt werden sollen.
Das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen hat in einem Urteil vom 29. September 2014 die Videoüberwachung des Eingangsbereichs und der Treppenaufgänge zu den Geschäftsräumen in einem Bürogebäude durch Kameras in einem Streit des Eigentümers gegen den Landesbeauftragten für Datenschutz für zulässig erachtet. Die Montage erfolgte, nachdem in einem Büro im Erdgeschoss sechs Notebooks gestohlen worden waren. Die insgesamt zehn Kameras mit einem festen Sichtbereich ohne Zoommöglichkeit schalteten sich nur bei Bewegungen in ihrem Erfassungsfeld automatisch ein. Die Bilder wurden längstenfalls zehn Tage gespeichert und konnten auf PC-Monitore bei Bedarf übertragen werden. Zugang zu der Anlage hatte das Unternehmen, das die Anlage installiert hatte, und ein vom Eigentümer bestellter Datenschutzbeauftragter. Hinweisschilder im Eingangsbereich waren vorhanden, auch mit der Angabe der für die Maßnahme verantwortlichen Stelle. Damit war nach Auffassung des Gerichts der Datenschutz, insbesondere Paragraf 6 b, Absatz 1 Nummer 3 Bundesdatenschutzgesetz ausreichend beachtet.
Mietrecht – Darf der Mieter eigenmächtig Kameras installieren?
Zwar hat sich die Rechtsprechung schon in früheren Jahrzehnten mit der Frage beschäftigt, ob der Mieter zum Schutz seiner eigenen Sicherheit Maßnahmen des Vermieters verlangen kann, zum Beispiel die automatische Schließung der Hauseingangstüre zum Schutz gegen ungebetene Besucher wie Stadtstreicher und Drogenabhängige. Dies berechtigt einen Mieter aber nicht zur Installation einer Videoanlage mit einer Aufzeichnungsmöglichkeit. Dies kann nur jeder Mieter innerhalb der eigenen vier Wände tun. Auch die als solche nicht erkennbare Videokameraattrappe ist in den Flächen, die von den Mietern und dem Publikum betreten werden können, unzulässig. Dagegen sind reine Monitore, die lediglich ein Bild, üblicherweise des Hauseingangs, wiedergeben, aber nicht speichern, zulässig (die moderne Form des Türspions). Entsprechend den Ausführungen des EuGH ist beim Einsatz einer Videokamera zur Ermittlung von Straftaten eine Abwägung zwischen der Wahrscheinlichkeit und der Schwere der Eigentumsverletzung und dem Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der aufgezeichneten Personen erforderlich. Dabei kann es aber immer nur um eine offene Videoaufnahme gehen. Im Fall des Amtsgerichts München, Urteil vom 5. November 2013, ging der Streit unter auch schon bisher zerstrittenen Mietern um mehrere Videokameras, die zum einen auf die Mülltonnen gerichtet waren, zum anderen auf den Hauseingang, aber auch zum Schlafzimmerfenster des anderen Mieters gedreht werden konnten. Nach den dargelegten Grundsätzen ist offensichtlich, dass diese Maßnahmen nicht gerechtfertigt waren. Der Veranlasser dieser Maßnahme konnte nicht einmal Hinweise für einen Verstoß gegen das Gebot der Mülltrennung im Prozess vorgetragen. Die auf den Hauseingang gerichtete Kamera ermöglichte in unzulässiger Weise eine genaue Erfassung des Bewegungsprofils der Mieter und der Besucher.
Nur am Rande ist auf die Entscheidung des BGH vom 8. April 2014 hinzuweisen. Dabei ging es um die Frage, ob die bei einem Mieterfest entstandenen Fotografien über eine an diesem Fest beteiligte Familie, der Praxis in den vorausgegangenen Jahren folgend, in einer Zeitschrift an die Genossenschaftsmieter veröffentlicht werden durften, während die Betroffenen hierfür Schadenersatz verlangten. In der Abwägung zwischen dem Recht am eigenen Bild und dem auf Artikel 5, Absatz 1 Grundgesetz geschützten Anspruch, im Rahmen der Meinungsfreiheit über den Ablauf der Veranstaltung berichten zu dürfen, gab der BGH der Genossenschaft recht.
Wohnungseigentumsrecht
Die Installation einer Videoanlage ist nach gefestigter Rechtsprechung, auch des BGH, eine bauliche Veränderung. Eine Ausnahme wird in der Literatur lediglich bei einer konkreten Gefährdung diskutiert. Im Urteil des Landgerichts (LG) Düsseldorf vom 28. November 2013 ging der Streit um die Behinderung der Zufahrt zu einer Garage durch ein anderes dort abgestelltes Fahrzeug und der zur Dokumentation hierzu an der Außenwand der Garage angebrachten Videokamera. Diesen Zweck hat das Gericht nicht gebilligt und den Antrag auf Beseitigung in der Vorinstanz zuerkannt. Weitergehend hat das LG München I, Beschluss vom 11. November 2011, aber auch bei mehrfachen Diebstählen und Sachbeschädigungen in einer Tiefgarage, vermutlich begangen von Eindringlingen, die Videoüberwachung abgelehnt, weil auch Warnschilder (wohl unsinnig!) oder eine Attrappe ausreichen würden. Wie bereits für den Mieter dargelegt, besteht auch für den Bereich des Sondereigentums und des eigenen Sondernutzungsrechts die Möglichkeit zur Videoüberwachung ohne Abstimmung mit der Gemeinschaft, so erneut das Amtsgericht (AG) Hamburg-Blankenese im Urteil vom 9. Januar 2013. Konkret ging es hierbei bei einer Reihenhauswohnanlage um drei Kameras, die den Öleinfüllstutzen einer Eigentümerin, das Schlüsselloch an ihrer Haustür, nicht aber die davor liegende gemeinschaftliche Auffahrt, und ihr Garagenschloss überwachten. In diesem Fall fehlte es an dem Nachteil nach Paragraf 14, Nummer 1 WEG, der in Paragraf 22, Absatz 1 WEG bei einer baulichen Veränderung als Voraussetzung bei dem einstimmig zu treffenden Beschluss unter den betroffenen Eigentümer erforderlich ist. Ebenfalls wie im Mietrecht ist die nur kurzfristige Bildaufzeichnung bei Betätigung der Klingel – im Fall des AG Hamburg- Blankenese auch die Kamera gerichtet auf das Schlüsselloch der Haustür – mangels Nachteils zulässig. Nur für die insoweit informierten Wohnungseigentümer stellt die funktionsunfähige Kameraattrappe keinen Nachteil nach Paragraf 14, Nummer 1 WEG dar, so der Hinweisbeschluss des LG Frankfurt/Main vom 11. November 2013.
Wenn in der Gemeinschaft eine Entscheidung über die Einrichtung einer Videoanlage getroffen ist, kann die Gebrauchsregelung nach Paragraf 15, Absatz 2 WEG beim Fehlen einer Vereinbarung nach Absatz 1 durch Stimmenmehrheit getroffen werden, aber eben nicht der Einsatz einer neuen Anlage. Angesichts der genannten rechtlichen Rahmenbedingungen kann ausgeschlossen werden, dass durch einen Beschluss der Gemeinschaft einem einzelnen Wohnungseigentümer das Anbringen von Kameras erlaubt wird, wenn diese nicht nur sein Sondereigentum oder Sondernutzungsrecht berühren.
Dr. Hellmuth Mohr
(Rechtsanwalt, Stuttgart)