Sanierung des Dachs zur Energieeinsparung
Wer die Energiebilanz seines Gebäudes verbessern will, wird bei Berücksichtigung der Rentabilität der Maßnahme durch den Rückfluss der Investitionskosten über die eingesparten Energiekosten zunächst auf Maßnahmen am Dach verwiesen. Allerdings führt die Maßnahme nur dann zum erwünschten Erfolg, wenn die vertraglichen Regelungen zum Inhalt und Umfang der Arbeiten eindeutig sind und die Arbeiten fachkundig unter entsprechender Aussicht ausgeführt werden.
Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile: Was der Handwerker seinem Auftraggeber schuldet, wird im Werkvertrag entweder durch eine ausdrückliche Regelung oder durch das übliche Verständnis über den Umfang und Inhalt der Leistung festgelegt. Wie jede Willenserklärung ist dabei die vom Handwerker versprochene Leistung im Angebot und im Vertrag aus der Sicht des Auftraggebers als dem Empfänger dieser Willenserklärung auszulegen. Besondere Fachkenntnisse über den Umfang und Inhalt der Leistung, insbesondere über zwangsläufige Nebenarbeiten, kann der Handwerker daher gerade gegenüber einem fachlich unkundigen Auftraggeber nicht erwarten (Stichwort zur Bestimmung des Leistungsinhalts: Funktionserfüllung, Zweckentsprechung der angebotenen Leistung). Insbesondere wenn Komplettleistungen (Rundum-Paket) vom Handwerker genannt werden, kann auch eine vollständige Lösung des anstehenden werkvertraglichen Auftrags erwartet werden ohne spätere zusätzliche Rechnungen. Aufgrund des überlegenen Fachwissens ist der Handwerker auch verpflichtet, auf mögliche Lücken im Auftrag des Bauherrn hinzuweisen und hierzu ein zusätzliches Angebot abzugeben.
Wozu sorgloses Vorgehen eines Handwerkers führen kann, zeigt der Fall des Oberlandesgerichts (OLG) Nürnberg in einer Entscheidung vom 18. März 2014. Der Auftraggeber hatte den Handwerker mit Zimmerer-, Dachdecker- und Wärmedämmarbeiten am Dach seines Anwesens beauftragt. Danach kam es zu Feuchteschäden und Zuglufterscheinungen in den Dachgauben. Die Beweisaufnahme ergab, dass hierfür mangelhafte Anschlüsse an Fenstern und Gauben ursächlich waren. Nicht nur nach der Auffassung der Vorinstanz, sondern auch des OLG konnte der Auftraggeber bei einer Auslegung des Angebots des Handwerkers aus dem objektiven Empfängerhorizont erwarten, dass das Dach seine elementare Funktionsfähigkeit, nämlich die Dichtigkeit, nach Durchführung der Arbeiten erfüllen wird.
Zu Prozessen dieser Art ist noch darauf hinzuweisen, dass die Frage, in welchem Umfang der Handwerker seinem Auftraggeber eine Aufklärung über Risiken und Nebenwirkungen des Auftrags schuldet, regelmäßig verbindlich erst durch das Gericht und auch dort je nach Sachkenntnis der Richter (Spezialzuständigkeit für Baurecht oder allgemeine Zuständigkeit?) nach Beurteilungen durch einen Gerichtssachverständigen – wie auch im Falle des OLG Nürnberg – entschieden werden kann. Zur Vermeidung von oft nicht vorhersehbaren Prozessrisiken ist deshalb eine sorgfältige vorherige Unterrichtung über den Umfang des Auftrags erforderlich. Im Falle des OLG Nürnberg war die Entscheidung des Prozesses maßgebliche Sachverhaltsfrage klar und wurde von dem OLG auch mit kurzen Ausführungen in der Urteilsbegründung entschieden. Der verurteilte Handwerker wollte dies aber nicht einsehen, seine Beschwerde wegen der Nichtzulassung der Revision wurde aber vom Bundesgerichtshof (BGH) abgewiesen.
Architekten in der Pflicht
Darüber hinaus ist auch zu beachten, dass für die Energiebilanz eines Gebäudes maßgebliche Bauarbeiten wegen der damit verbundenen langfristigen Auswirkungen auf die Energiekosten und damit auf den Wert eines Gebäudes einer besonderen Überwachung bedürfen. Dies hat die Rechtsprechung mehrfach für den zur Bauüberwachung verpflichteten Architekten festgestellt, was sich aus den nachfolgenden Beispielen ergibt. Die gleiche Sorgfalt ist aber auch vom beauftragten Handwerker und vom zur Überwachung beauftragten Energieberater zu fordern. Im Falle des OLG Hamm, Urteil vom 6. März 2013, ging es in einem sogenannten Punktefall mit einer längeren Liste von Mängeln um den Schadensersatzanspruch gegen den Architekten noch vor der Abnahme, also mit der Beweislast für die ordnungsgemäße Erfüllung des Architektenvertrags beim Architekten. Ein Punkt betraf die lückenhafte Dämmung in Teilbereichen der Fassade, was der Gerichtssachverständigen durch eine Thermografie festgestellt hatte. Da Sanierungsarbeiten nach Auffassung des Gerichts zu gewichtigen Ausführungsarbeiten gehören, die einer besonderen Aufsicht durch den bauleitenden Architekten bedürfen, genügte die stichprobenartige Kontrolle des Architekten hierbei nicht.
Im Urteil des OLG Koblenz vom 13. Juni 2012, ebenfalls mit einer erfolglosen Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH, ging es um Mängel bei den ausgeschriebenen Dachabdichtungsarbeiten. Der Architekt berief sich erfolglos darauf, dass es keine Hinweise auf Mängel hierbei bei der Bauausführung gegeben habe. Der Architekt konnte aber nicht darlegen, welche Maßnahmen er wann ergriffen habe, um der geschuldeten Bauüberwachungspflicht nachzukommen. Insbesondere konnte er kein Bautagebuch vorlegen. Für die Vergütung spielt das Bautagebuch zwar keine Rolle, kann aber bei Haftungsfragen entscheidend werden.
In gleicher Weise hat das OLG Nürnberg in einem Urteil vom 20. Juni 2012 für die Anbringung eines Wärmedämm-Verbundsystems eine intensive Pflicht zur Überwachung und Überprüfung durch den Architekten verlangt.
Bei mangelhafter Werkleistung im Bereich des Dachs besteht nach dem Urteil des OLG Stuttgart vom 8. Februar 2011 auch noch ein besonderes Risiko für den Handwerker wegen des sogenannten merkantilen Minderwerts. Dieser wird von der Rechtsprechung anerkannt, wenn trotz der Mangelbeseitigung wegen der fehlenden Möglichkeit einer 100-prozentigen Überprüfung ein wirtschaftliches Risiko beim Auftraggeber verbleibt. Im vorliegenden Fall ging es um Sanierungsarbeiten an einem Pultdach, bei dem wegen einer mangelhaften Abdichtung Feuchtigkeitsschäden aufgetreten sind. Insgesamt beliefen sich die Sanierungskosten auf 15.000 Euro, zu denen das OLG noch einen merkantilen Minderwert in Höhe von 3000 Euro zuerkannte. Maßstab ist hierbei aber nicht der Betrag zur Schadenbeseitigung, sondern wegen der potenziellen Wertminderung des Dachs dessen wirtschaftlicher Wert. Auch hier stützte sich das Gericht auf die Aussage des Sachverständigen, dass das hier sanierte Pultdach zwar üblicherweise zirka 25 Jahre ohne Reparaturen hält, dass aber Käufer bei Kenntnis von umfangreichen Arbeiten im Dachbereich hieran Zweifel haben, weil die vollständige Überprüfung der Sanierungsarbeiten mit erheblichen Kosten verbunden ist und damit neue Risiken geschaffen werden können.
Dr. Hellmuth Mohr
(Rechtsanwalt, Stuttgart)