Der ersatzlose Abriss eines Gebäudes stellt keine wirtschaftliche Verwertung im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB dar, die die Kündigung eines Mietverhältnisses rechtfertigen kann. Die Hinderung an der wirtschaftlichen Verwertung ist nur dann ein Kündigungsgrund, wenn dem Vermieter erhebliche Nachteile entstehen. Es kann zwar ein berechtigtes Interesse nach § 573 Abs. 1 BGB bestehen, die Anforderungen daran sind jedoch hoch.
Der Fall
Zwischen dem Vermieter und den Mietern eines ehemaligen Landarbeiterhauses in Braunschweig besteht seit mehreren Jahrzehnten ein Mietverhältnis. Ein schriftlicher Mietvertrag existiert nicht. Die monatliche Nettomiete beträgt 60 Euro. Das Badezimmer befindet sich in einem ansonsten ungenutzten Seitenflügel. Im Juni 2017 erklärte der Vermieter, der die Liegenschaft geerbt hatte, die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses. Zur Begründung führte er aus, dass der Seitenflügel aus wirtschaftlichen und statischen Gründen abgerissen werden müsse. Der Bereich, in dem sich auch das Badezimmer befinde, sei sehr baufällig und nur mit erheblichen Gefahren begehbar.
Da die Mieter die Kündigung nicht akzeptierten, klagte der Vermieter auf Räumung und Herausgabe des Hauses. Im Rechtsstreit sprach der Vermieter erneut die Kündigung aus und führte weiter aus, dass der Anbau eines neuen Badezimmers ca. 26.000 Euro koste und sich dies angesichts der geringen Miete wirtschaftlich nicht trage. Beide Vorinstanzen wiesen die Klage des Vermieters mangels eines wirksamen Kündigungsgrundes ab. Die vom Vermieter behauptete Notwendigkeit des Abrisses des Gebäudes stelle kein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses im Sinne des § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB dar. Auch seien die ausgesprochenen Kündigungen unter dem Gesichtspunkt einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks des Vermieters Im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB nicht gerechtfertigt.
Die Entscheidung
Der Bundesgerichtshof folgt der Entscheidung des Berufungsgerichts und führt aus, dass die Mieter nicht zur Rückgabe der Mietsache gemäß § 546 Abs. 1 BGB verpflichtet seien, weil das Mietverhältnis nicht durch die ausgesprochenen Kündigungen beendet worden sei.
Die Voraussetzungen einer Verwertungskündigung im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB seien auch nach Ansicht des BGH nicht erfüllt. Nach dieser Bestimmung hat der Vermieter ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses, wenn er durch dessen Fortsetzung an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert wäre und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde.
Nach der Rechtsprechung des Senats können durch den ersatzlosen Abriss eines Gebäudes oder Gebäudeteils zwar Unkosten vermieden werden. Er stelle jedoch keine Realisierung des dem Grundstück innewohnenden materiellen Werts und damit keine wirtschaftliche Verwertung im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB dar (Senatsurteile vom 24. März 2004 – VIII ZR 188/03 und vom 29. März 2017 – VIII ZR 45/16. In dem hier vorliegenden Fall seien danach die Voraussetzungen einer Verwertungskündigung nicht gegeben. Es fehlten bereits entsprechende Ausführungen des Vermieters, in welcher Weise er nach dem geplanten Abriss mit dem Objekt verfahren wolle.
Auch die Prüfung der Frage, ob der Vermieter ein berechtigtes Interesse an einer Kündigung im Sinne der Generalklausel des § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB habe, erfordere eine Würdigung aller Umstände des Einzelfalles. Hierzu hatte der Vermieter jedoch nicht dargelegt, dass ihm durch die Fortdauer des Mietverhältnisses erhebliche wirtschaftliche Nachteile entstehen. Selbst wenn bei einer Gesamtabwägung zu berücksichtigen sei, dass sich die Kosten für ein neues Bad nicht über die Miete amortisiere, sondern auch künftig nur eine geringe Miete zu erwarten sei, so müsse der Vermieter lediglich einmalig einen Betrag in überschaubarer Höhe aufbringen. Zudem würde der Anbau eines Bades den Wert des Grundstücks erhöhen, so dass sich der Aufwand hierfür in gewissem Umfang kompensiere. Die Anforderungen an die Voraussetzungen für eine wirksame Kündigung nach § 573 Abs. 1. Satz 1 BGB seien sehr hoch, so dass dem Vermieter bei einem Fortbestand des Mietverhältnisses Nachteile in einer ganz anderen Größenordnung als im hiesigen Fall entstehen müssten.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 16. Dezember 2020, Az. VIII ZR 70/19
Vorinstanzen:
LG Braunschweig, Urteil vom 26. Februar 2019, Az. 6 S 324/18 (139)
AG Braunschweig, Urteil vom 6. September 2018, Az. 112 C 2770/17