Unzufriedenheit ist ein guter Antreiber, auch wenn sie kein angenehmes Gefühl ist. Nagende Unzufriedenheit wird das Gefühl manchmal genannt. Und das ist eine gute Beschreibung, denn tatsächlich erleben viele solche Gemütszustände einerseits als andauernd, stets präsent, und wenn vielleicht auch nur irgendwie, irgendwo im Hintergrund, an der Grenze der Wahrnehmung. Andererseits: spätestens, wenn das Nagen endet, passiert meist etwas. Oft setzt dann eine stärkere Bewegung ein, findet eine größere Veränderung statt.
Wer bekommt mehr Gehalt? Wer mehr Verantwortung? Wer probiert Neues, Anderes? Vor allen die Unzufriedenen. Wer dagegen es sich in seiner Ecke der Welt, in der er oder sie sich vermeintlich wohlfühlt, in seiner Komfortzone, mit Gewohnheiten, Routinen und Bekanntem, gemütlich gemacht hat, wer stets glücklich und zufrieden ist, der kommt kaum auf die Idee, aktiv etwas an dieser Situation zu ändern. Diese Komfortzonenbewohner übersehen dabei zumeist, dass auch sie stetig Anpassungsleistungen erbringen. Ihre Zone und sich selbst andauernd angleichen müssen.
Weil unsere Umgebung, weil unsere Umwelt stets in Bewegung ist: Menschen kommen, Menschen gehen. Menschen, Moden und Geschmäcker verändern sich. Wirtschaftliche Rahmenbedingungen wandeln sich. Um es also in der Komfortzone weiterhin gemütlich zu haben, muss deren Schöpfer sie andauernd irgendwie irgendwo verändern. Das bedeutet für die Zone und deren Bewohner in vielen Fällen, dass sie beständig kleiner wird. Schrumpft.
Die Welt außerhalb der Komfortzone, die so genannte Realität, wird dabei erlebt als volatil, unsicher, komplex und vieldeutig. Die Anfangsbuchstaben der englischen Begriffe dafür ergeben die Abkürzung VUCA, die seit ein paar Jahren auch in der Betriebswirtschaft zur Beschreibung der Phänomene benutzt wird. Denn VUCA spiegelt ebenfalls die Herausforderungen, denen sich komplette Unternehmen gegenübersehen: Auch sie müssen sich immer schneller wandeln, auch sie müssen auf die Herausforderungen der VUCA-Welt reagieren. Weil sonst ihr Handlungsspielraum – ihre Komfortzone – immer kleiner wird. Für diese Wandlungen brauchen Sie Mitarbeiter, die diese Wege mit- oder sogar vorangehen. Pfadfinder im besten Sinne.
Diese innere Haltung der Scouts ist vor allem auch eine Frage der Gewohnheit. Veränderung als Chancen zu sehen kann ebenso antrainiert werden wie die Angst davor abgewöhnt. Durch Entwicklung. Persönliche Entwicklung. Durch regelmäßiges Infragestellen und Erweitern der Komfortzone. Hierbei ist es nahezu egal, ob dazu eine neue Sprache gelernt wird, neue Fachkenntnisse angeeignet oder Gewaltfreie Kommunikation, Design Thinking oder Tango tanzen.
Entwicklung an sich ist ein derart hohes Gut, dass sie um jeden Preis gefördert werden muss. Davon profitieren nicht nur die Mitarbeiter, sondern auch die Personalarbeit eines Unternehmens, die ihnen dadurch Entwicklung
und Perspektive bietet. Fühlen sich Mitarbeiter gefördert, ist das ein zentraler Anreiz, sich einzubringen und langfristig im Unternehmen zu bleiben. Ein weiterer Vorteil für das Unternehmen: Mit geistig flexiblen – weil vielseitigen – Mitarbeitern kann es auch ungewisse Zeiten durchleben, in denen die klassische Methodik von Zielen und davon abgeleiteten Strategien und Maßnahmen ungeeignet ist.
Der Autor
Markus Drewes ist Interim Manager in Unternehmenskommunikation und professioneller Veränderungsermöglicher. Wesentliche Elemente seiner Coaching-Ausbildungen erfuhr er unter anderem bei Klaus Grochowiak und Gunther Schmidt.