In diesem Beitrag von Rechtsanwalt Dr. Hellmuth Mohr werden die für die Praxis des Verwalters wichtigen Regeln für die Durchführung der Wohnungseigentümerversammlung dargestellt. Es geht um die dabei zu beachtenden Regeln und um neuere Urteile aus der Praxis.
Zunächst steht dem Verwalter das Recht zu, die Versammlung einzuberufen (Paragraf 24 Absatz 1 und 2 WEG). Grundlage hierfür ist seine Bestellung durch einen Eigentümerbeschluss. Dagegen kommt es für die Berechtigung zur Einberufung nicht auf das Bestehen eines Verwaltervertrags an. Auch dem gerichtlich bestellten Verwalter steht die Befugnis zur Einberufung zu. Zum Antrag eines Wohnungseigentümers auf gerichtliche Ermächtigung zur Einberufung einer Wohnungseigentümerversammlung zur Verwalterwahl, siehe Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken, Beschluss vom 16. September 2010 – 3 W 132/10 und DIV 1/2011, Seite 9: Verfahren nach Paragraf 43 Nummer 1 WEG. Der zeitliche Rahmen (mindestens einmal im Jahr) ergibt sich aus der Notwendigkeit eines Wirtschaftsplans und der Jahresabrechnung (Paragraf 24 Absatz 1 und 28 WEG). Der Verwalter kann die Versammlung wieder absagen oder verlegen, allerdings nicht mehr auflösen, wenn sie bereits begonnen hat.
Einberufung der Versammlung
Die Befugnis des Verwalters in Paragraf 24 Absatz 1 WEG ist abdingbar. Deshalb kann die Gemeinschaftsordnung dieses Recht den Wohnungseigentümern und/ oder den Verwaltungsbeiräten unabhängig von der Möglichkeit des Paragrafen 24 Absatz 3 WEG zuerkennen, was in der Praxis allerdings selten geschieht. Wenn alle Wohnungseigentümer übereinkommen können, eine Versammlung abzuhalten, kann diese auch nur im Einverständnis aller Eigentümer wieder abgesagt werden.
Der Anspruch der Minderheit auf Einberufung kann allerdings nicht beseitigt werden, wohl aber die Anforderung für die Einberufung auf ein Schriftformerfordernis (Paragraf 24 Absatz 2 Alt. 2 WEG). Die Abdingbarkeit des Einberufungsrechts durch den Verwalter hat Folgen für die Frage, welche Folgen eine Einberufung durch einen Wohnungseigentümer, der hierzu nicht berechtigt ist, oder durch den Vorsitzenden des Verwaltungsbeirats, ohne dass hierzu die Voraussetzungen des Paragrafen 24 Absatz 3 WEG gegeben sind, hat. Die in einer solchen Versammlung gefassten Beschlüsse sind wegen der genannten gesetzlichen Möglichkeit nicht nichtig, sondern lediglich anfechtbar und somit nach Ablauf der Anfechtungsfrist gültig (Paragraf 23 Absatz 4 Satz 2 WEG).
Unabhängig von dieser Gesetzesfolge eines solchen Beschlusses handelt ein Wohnungseigentümer, der weder Verwalter noch Vorsitzender des Verwaltungsbeirats oder dessen Vertreter ist, oder der Verwaltungsbeiratsvorsitzende oder dessen Vertreter, wenn die Voraussetzungen des Paragrafen 24 Absatz 3 WEG nicht vorliegen, pflichtwidrig mit der Folge eines Schadenersatzanspruchs. Jeder Miteigentümer kann gegen eine solche unzulässige Einladung schon vor dem Versammlungstermin gerichtlich vorgehen, durch einen Antrag auf eine einstweilige Verfügung (Paragraf 935 Zivilprozessordnung).
Selbst wenn die Abdingbarkeit des Paragrafen 24 Absatz 1 WEG nur zur Anfechtbarkeit eines auf die Einladung eines nicht berechtigten Eigentümers oder des Vorsitzenden des Verwaltungsbeirats führt, muss ein solcher Beschluss dennoch darüber hinaus die Voraussetzungen der Rechtssicherheit erfüllen: Alle Wohnungseigentümer und der Verwalter, sofern vorhanden, müssen unter Angabe des Grunds und des Zwecks geladen werden. Wenn der Verwalter nicht geladen worden ist, können – nach allerdings streitiger Auffassung – keine Beschlüsse gefasst werden, auch nicht anfechtbare.
Die Rechtsstellung des Verwalters
Wenn der durch einen Beschluss der Eigentümer abgewählte Verwalter, der seine Abwahl angefochten hat, eine Eigentümerversammlung einberuft, auf der seine Abwahl und die beschlossene Bestellung eines neuen Verwalters rückgängig gemacht werden sollen, gilt Folgendes. Der dann gefasste Beschluss ist nicht nichtig, sondern nur anfechtbar. Ebenfalls nur anfechtbar sind Beschlüsse in einer Eigentümerversammlung, die von einem fehlerhaft bestellten Verwalter einberufen worden ist. Wenn sich dagegen erst nach (!) der Einberufung der Eigentümerversammlung durch eine gerichtliche Entscheidung nach entsprechender Anfechtung herausstellt, dass die Bestellung des Verwalters unwirksam war, so sind die in der Eigentümerversammlung vor (!) dem Beschluss des Gerichts über die Unwirksamkeit der Verwalterbestellung gefassten Beschlüsse der Gemeinschaft wirksam und nicht einmal anfechtbar. Das Recht zur Einladung hat auch ein Verwalter, der zum Zeitpunkt der Einladung noch Verwalter ist, auch wenn er zum Zeitpunkt der Versammlung dies wegen einer inzwischen erfolgten Anfechtung nicht mehr ist. Der Schwebezustand durch die erfolgte Anfechtung der Verwalterbestellung wird dadurch gemildert. Dagegen kann ein Verwalter, dessen Bestellzeit im Zeitpunkt der Einladung abgelaufen ist, in einer Eigentümerversammlung nur anfechtbare Beschlüsse fassen lassen. Abhilfe ist dadurch möglich, dass die Wohnungseigentümer den Verwalter zur Einberufung der Versammlung ausdrücklich ermächtigen. Wenn allerdings ein Eigentümer in der Versammlung sein Einverständnis mit der Einberufung durch den bisherigen Verwalter ausdrücklich erklärt hat, fehlt ihm für eine spätere Beschlussanfechtung das Rechtsschutzbedürfnis.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 10. Juni 2011 – V ZR 222/10: Eigentümer sind berechtigt, eine Eigentümerversammlung einzuberufen, sofern die Einberufung einvernehmlich durch alle Wohnungseigentümer erfolgt. Eine Eigentümerversammlung kann nur vom Einberufenden abgesagt oder zu einem anderen Ort einberufen werden – Fall einer Anlage mit nur zwei Eigentümern ohne Verwalter. Allerdings hatte nicht der einladende Eigentümer, sondern der andere Eigentümer die ursprüngliche Sitzung abgesagt und an einen anderen Ort verlegt, der nicht dem in der ursprünglichen Einladung entsprach. Folge: Ungültigkeit der Beschlüsse.
Amtsgericht Niebüll, Beschluss vom 25. Mai 2008 – 18 C 38/08: Wird die Wohnungseigentümerversammlung von einer unberechtigten Person einberufen, kann den Wohnungseigentümern im Wege der einstweiligen Verfügung untersagt werden, diese abzuhalten und Beschlüsse herbeizuführen – Fall eines abberufenen Verwalters und Wohnungseigentümers, der nach seiner Abberufung und Bestellung eines neuen Verwalters zu einer Eigentümerversammlung mit den Tagesordnungspunkten Abberufung und Neubestellung eingeladen hatte.
Die Ursächlichkeit des Einladungsmangels
Bei der Anfechtbarkeit eines Beschlusses spielt die Frage der Ursächlichkeit des Verstoßes gegen Vorschriften des WEG eine wichtige Rolle, weil nur der ursächliche Einberufungsmangel zum Erfolg der Anfechtung führt. Wenn feststeht, dass der angefochtene Beschluss auch ohne Verstoß gegen die Verfahrensvorschrift zustande gekommen wäre, fehlt die Ursächlichkeit. Allerdings besteht eine Vermutung für die Ursächlichkeit. Dieser Grundsatz gilt für alle formellen Einberufungsmängel. Alle (!) in einer Eigentümerversammlung erschienenen Eigentümer können auf die Einhaltung der Formvorschriften verzichten. Folgende Einzelfälle spielen in der Praxis eine Rolle.
Die Einberufung durch einen Nichtbefugten (Paragraf 24 Absatz 1 und 2 WEG, siehe vorausgegangen Abschnitt): Wenn feststeht, dass der Beschluss auch bei ordnungsgemäßer Einberufung ebenso gefasst worden wäre, entfällt die Anfechtbarkeit. Im Sinne der erwähnten Vermutung ist von dem Erfahrungssatz auszugehen, dass sich ein formeller Beschlussmangel tatsächlich ausgewirkt hat. Zum notwendigen Beweis des Gegenteils ist der Nachweis zu führen, dass der Beschluss mit Sicherheit und nicht nur mit hoher Wahrscheinlichkeit auch ohne den Verstoß inhaltsgleich gefasst worden wäre. Diese Beweislast liegt bei den beklagten Wohnungseigentümern.
Ordnungsmäßigkeit der Ladung: Hierzu bedarf es des Nachweises des Zugangs der Einladung bei dem jeweiligen Eigentümer, Beweislast bei den beklagten Eigentümern. Wenn ein Wohnungseigentümer seine ladungsfähige Anschrift nicht oder falsch mitteilt und seine Ladung aus diesem Grund ohne Verschulden des Verwalters misslingt, muss er die Folgen dieser Obliegenheitsverletzung tragen. In der Versammlung gefasste Beschlüsse können dann von dem nicht ordnungsgemäß geladenen Eigentümer nicht wegen der unterbliebenen Ladung angefochten werden.
Unterbliebene Ladung
Die unterbliebene Ladung: Im Regelfall führt dies ebenfalls nur zur Anfechtbarkeit der in der Versammlung gefassten Beschlüsse. Eine Ausnahme macht die Rechtsprechung nur für schwerwiegende Fälle mit der Folge der Nichtigkeit, wenn etwa ein Wohnungseigentümer in böswilliger Weise von der Teilnahme ausgeschlossen worden ist. Die bewusste Nichtladung reicht für die Nichtigkeit deshalb nicht aus. Die Trennungslinie zwischen beiden Sachverhalten ist in der Rechtsprechung allerdings umstritten, wie folgende Beispiele zeigen:
Bundesgerichtshof, Urteil vom 20. Juli 2012 – V ZR 235/11 und DIV 7/2012, Seite 357: Die unterbliebene Einladung eines Wohnungseigentümers zu einer Eigentümerversammlung führt regelmäßig nur zur Anfechtbarkeit der in der Versammlung gefassten Beschlüsse, nicht zu deren Nichtigkeit.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 20. Mai 2011 – V ZR 99/10: Fehler in der Einladung zu einer Eigentümerversammlung sind Mängel, die nur zur Anfechtbarkeit führen können.
Landgericht Düsseldorf, Urteil vom 3. November 2011 – 19 S 5/11: Soll in einer vom Beirat einberufenen Versammlung der Verwalter abberufen und sein Vertrag gekündigt werden, muss der Verwalter grundsätzlich geladen werden. Der Verwalter kann sich auf sein Teilnahmerecht jedoch dann nicht berufen, wenn er pflichtwidrig die Einberufung einer außerordentlichen Wohnungseigentümerversammlung dadurch verweigert, dass er unangemessen lange untätig geblieben ist.
Zum Fall des Streits zwischen dem Verwalter und dem Beirat wegen einer vom Beirat einberufenen Eigentümerversammlung siehe Amtsgericht Berlin-Charlottenburg, Urteil vom 25. September 2012 – 73 C 1005/12 und DIV 3/2013, Seite 10. Die Bezeichnung des Beschlussgegenstands (Paragraf 23 Absatz 2 WEG): Die gesetzlich vorgesehene Ungültigkeit eines nicht ordnungsgemäß bezeichneten Beschlussgegenstands ist unschädlich, wenn sich sämtliche Wohnungseigentümer an der Beratung und Abstimmung über diesen Beschlussantrag beteiligen.
Landgericht München I, Urteil vom 16.Mai 2011 – 1 S 5166/11 und DIV 3/2012, Seite 141: Ein Miteigentümer hat einen Anspruch gegen den Verwalter auf Aufnahme eines Tagesordnungspunkts in die Einladung für die nächste Eigentümerversammlung, wenn dessen Behandlung ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht, weil sachliche Gründe für eine Erörterung und Beschlussfassung sprechen. Der Anspruch entfällt, wenn die Ladungsfrist des Paragrafen 24 Absatz 2 Satz 2 WEG im Zeitpunkt des Antrags durch den Miteigentümer an den Verwalter nicht mehr gewahrt und auf diese Frist nicht ausnahmsweise verzichtet werden kann. Wenn der Verwalter die rechtzeitige Aufnahme eines Tagesordnungspunkts aus von ihm vertretbaren Gründen verbummelt hat, besteht ein Schadenersatzanspruch des betroffenen Wohnungseigentümers auf Abhaltung einer Hausordnungsversammlung auf Kosten des Verwalters.
Die Einhaltung der Ladefrist (Paragraf 24 Absatz 4 Satz 2 WEG): Hier gilt ebenfalls die bereits erläuterte Regel zur Ursächlichkeit. Die Ungültigkeit scheidet auch hier aus, wenn feststeht, dass der angefochtene Beschluss auch bei ordnungsgemäßer Einberufung ebenso gefasst worden wäre. Die Berechnung der Frist erfolgt nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Paragraf 187 ff.
Fehlerhafte Stimmabgabe und Zeitpunkt der Versammlung
Fehlerhafte Stimmabgabe: gleiche Regel. Unerheblichkeit, wenn der Beschluss auch ohne den Mangel ebenso zustande gekommen wäre und der Mangel deshalb für die Beschlussfassung nicht kausal geworden ist.
Versammlung zur Unzeit: Für die mangelnde Kausalität des Einberufungsmangels sind die beklagten Eigentümer beweispflichtig. Der Verwalter kann die Versammlung grundsätzlich jederzeit einberufen. Die Grenze zur Unzeit ist dabei vom Einzelfall abhängig. Eine einmal im Jahr stattfindende Versammlung kann deshalb auch zur üblichen Geschäftszeit, bereits am Nachmittag (aber nicht am Vormittag) eines Werktags (bestritten, teilweise erst ab 18 Uhr), stattfinden. Ein Anspruch auf Beginn der Versammlung erst am Abend besteht nicht. Ob der Sonntag als Versammlungstermin in Betracht kommt, ist strittig, falls ja, erst ab 11 Uhr. Eine Eigentümerversammlung nach einem Feiertag am Freitag (Brückentag) an einem Samstagabend ist möglich. Zum Ort der Versammlung besteht, wenn die Gemeinschaftsordnung keine Angaben hierzu macht, die Wahlmöglichkeit zwischen der politischen Gemeinde, in der sich die Wohnanlage befindet, und der Gemeinde, in der die Mehrheit der Wohnungseigentümer lebt (siehe nachfolgend Oberlandesgericht Köln). Der offene Gastraum einer Gaststätte, die Wohnung eines Wohneigentümers oder die des Verwalters kommen je nach dem Platzbedarf in Betracht.
Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 6. Januar 2006 – 16 Wx 188/5: Wohnungseigentümerversammlungen haben, und zwar auch dann, wenn die Mehrheit der Wohnungseigentümer außerhalb des Orts der Anlage wohnhaft ist, im näheren Umkreis der Wohnanlage stattzufinden, also dort, wo ein redlicher Wohnungseigentümer sie billigerweise erwarten darf.
Landgericht Karlsruhe, Urteil vom 25. März 2013 – 11 S 16/13 und DIV 2/2014, Seite 10: Die Ladung im Zeitraum der Sommerschulferien in Baden-Württemberg widersprach der Vorgabe in der Teilungserklärung (erstes Quartal des Jahres). Sie war nach Auffassung des Gerichts zwar grundsätzlich dennoch zulässig, aber nicht wie hier nur mit der gesetzlich vorgesehenen Mindestfrist nach Paragraf 24 Absatz 4 WEG wegen der Möglichkeit der Abwesenheit der Wohnungseigentümer während der Schulsommerferien. Die Anfechtungsklage war deshalb erfolgreich.
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[tab title=“Der Autor“]Dr. Hellmuth Mohr
Rechtsanwalt, Stuttgart[/tab]
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Dieser Fachbeitrag von Dr. Hellmuth Mohr ist zuerst in der Zeitschrift „Der ImmobilienVerwalter“, Ausgabe 05/2016 erschienen. Weitere Informationen zur Zeitschrift, auch zu einem möglichen Bezug, finden Sie » hier.