Was war passiert?
Im Ausgangsfall, der vor dem Amtsgericht (AG) Pforzheim spielt, will die Mehrheit der Wohnungseigentümer eine aufwändige Fassadensanierung mit einer förderfähigen Wärmedämmung stemmen. Da es sich um eine Großwohnanlage mit gut 200 Wohnungseigentümern handelt, sind Kosten von zirka 2 Millionen Euro veranschlagt: Gut 1,3 Millionen Euro sollen über ein KfW-Darlehen, der Rest von zirka 900.000 Euro soll aus der Instandhaltungsrücklage finanziert werden. In erster Instanz wird die Beschlussmängelklage abgewiesen, vor dem Landgericht (LG) Karlsruhe hat sie Erfolg.
Die Meinung des Gerichts
Auch der BGH teilt die Sicht der LG-Richter. Zwar scheitere die Beschlussfassung nicht zwingend an der Frage, ob leistungswilligen und -fähigen Wohnungseigentümern das Aufbringen ihres Anteils an der Finanzierung jenseits der gemeinschaftlichen Kreditaufnahme zu ermöglichen sei. Denn bei der Darlehensaufnahme handele es sich um ein eigenständiges – und mehrheitsfähiges – Finanzierungsinstrument der Wohnungseigentümergemeinschaft, dem sich eine Minderheit gegebenenfalls beugen müsse. Individuelle Präferenzen müssten gegenüber der gemeinschaftlichen Finanzierung zurücktreten und könnten überdies mit Hilfe der auszuhandelnden Darlehenskonditionen aufgefangen werden. Denn diesen Wohnungseigentümern könne, im Ausgangsfall war auch ein jederzeitiges Sondertilgungsrecht vorgesehen, ein Sondertilgungsrecht vorbehalten werden. Von etwaigen Nachschusspflichten könnten aber auch diese Wohnungseigentümer nicht befreit werden, denn insoweit sei das zwischen den Wohnungseigentümern bestehende Finanzierungsband unauflöslich. Allerdings sei Grundvoraussetzung jeder zu beschließenden Darlehensaufnahme durch den Verband, dass die Nachschusszusammenhänge – protokollweise festgehalten – erläutert würden, um die entsprechenden finanziellen Lasten angemessen zu spiegeln.
Ratschlag für den Verwalter
Das Ergebnis der BGH-Entscheidung klingt ein wenig nach „zwei Schritte nach vorn, einen zurück“ oder nach der berüchtigten Frage an und nach der Antwort von Radio Eriwan. Im Ausgangsfall störte den BGH offenbar nicht nur die unterbliebene Instruktion der Wohnungseigentümer über ihre bestehen bleibende Nachschusspflicht, sondern auch eine Klausel in der Beschlussvorlage, wonach „Das Land Baden- Württemberg eine Ausfallhaftung für Zahlungsausfälle von Miteigentümern (übernimmt).“ Denn diese Kautele sichere nur die Bank und folglich das Außenverhältnis ab, ändere aber an der internen anteiligen Nachschusspflicht – als Beteiligung an der ungeschmälert bestehen bleibenden Verbindlichkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft als der Darlehensnehmerin – nichts.
Der Fachverwalter wird, wenn er die gut 40 Randnummern starke Grundsatzentscheidung des BGH liest, und das muss er gründlich und mit viel Ruhe, achselzuckend zurückbleiben und sich spontan vor eine Herkulesaufgabe gestellt fühlen, wenn er Wohnanlagen mit zu finanzierendem Sanierungs- oder Modernisierungsbedarf hat. In der Tat ist das Terrain schwierig zu begehen, aber das Durcharbeiten der Entscheidung mündet, legt man Zettel und Stift parat oder tippt gleich ins Laptop, unweigerlich in eine ausführliche Gliederung mit all den in diesen Fällen notwendig „abzuhakenden“ und den Wohnungseigentümern zu erläuternden Punkten beziehungsweise alternativen Verhaltensweisen. Jedenfalls wenn keine unaufschiebbare Eilentscheidung getroffen werden muss, was der BGH fest im Blick hat (Randnummer 26 am Ende: Dann darf die Instandhaltungsrücklage nicht ausreichen und muss eine Sonderumlage die finanzielle Leistungsfähigkeit der Wohnungseigentümer übersteigen, soll ein Darlehen aufgenommen werden [müssen]).
Über eine Folge der neuen BGH-Entscheidung indes muss sich der Fachverwalter im Klaren sein: Der BGH verabschiedet sich von der gesetzlich vorgesehen Form der Niederschrift zur Eigentümerversammlung, dem reinen „Beschlüsse-Protokoll“ nach § 24 Abs. 6 Satz 1 WEG. Das mag verfahrensrechtlich deshalb richtig sein, weil sich Gerichte auf andere Weise kaum zuverlässig über die Geschehnisse rund um eine Darlehensaufnahmediskussion und über die gegebenen Hinweise informieren können.
Dokumentation: BGH, Urteil vom 25. 9. 2015 – V ZR 244/14, Entscheidungsabdruck in NZM Heft 21 vom 10. 11. 2015.
Von Rechtsanwalt Dr. Andreas Kappus, Frankfurt a.M.,
Schriftleiter der Neuen Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht (NZM),
Verlag C. H. Beck, München und Frankfurt a.M.
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