Vollzugsprobleme als ein „heißes“ Eisen
Die Verpflichtung zum Brandschutz betrifft nicht nur den Neu- oder Umbau eines Gebäudes. Er ist auch im Gebäudebestand aktuell. Allerdings können sich hier Probleme beim Vollzug ergeben, die nachfolgend dargestellt werden.
Die Landesbauordnungen (LBO) der Länder enthalten zwar an unterschiedlichen Stellen, aber im inhaltlichen Gleichklang Vorschriften zum Brandschutz (Zum Beispiel Paragraf 15 LBO Baden-Württemberg Brandschutz, ebenso Paragraf 17 LBO Nordrhein-Westfalen im nachfolgenden Urteilsfall). Diese gelten nicht nur für die Errichtung oder Umnutzung von Gebäuden, sondern auch im Bestand, da auch hier die menschliche Gesundheit zu schützen ist. Dass diese Pflicht rechtlich unproblematisch durchgesetzt werden kann, zeigt ein Beschluss des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Nordrhein-Westfalen vom 20. Februar 2013, Aktenzeichen 2A 239/12. Die Klägerin, Eigentümerin einer Wohnung im zweiten Obergeschoss, von dem noch eine schmale Treppe zum nicht bewohnten Dachgeschoss führte, in einem Mehrfamilienhaus, dessen Treppenhaus aus Holz gebaut worden war, hatte einen Schuhschrank mit einer Tür aus Holz, einen Holzschrank sowie zwei Sitzkissen vor ihre Wohnung auf den Flur gestellt. Wohl durch eine Information aus dem Haus hatte die Baubehörde der Eigentümerin mit einer Ordnungsverfügung, Grundlage die allgemeine Ermächtigung der Baubehörde (Paragraf 47 LBO Baden-Württemberg, Paragraf 61 LBO Nordrhein-Westfalen) aufgegeben, die Holzmöblierung auf dem Flur zu entfernen. Entgegen des Urteils in der ersten Instanz (!) bejahte das OVG nach einem Ortstermin des Berichterstatters des Gerichts (!) die Rechtmäßigkeit dieser Verfügung.
Juristisch bietet der Fall keinen Grund zum langen Nachdenken. Eingriffsvoraussetzung ist im Bauordnungsrecht, da spezielles Polizeirecht, das Vorliegen einer Gefahr. Hierzu ist naturgemäß eine Prognose über den künftigen Eintritt der gegenwärtigen Gefahr erforderlich, bei der der Maßstab der dabei zu fordernden Wahrscheinlichkeit von der Schwere der möglichen Rechtsgüterverletzung, hier der menschlichen Gesundheit, abhängt. Deshalb setzte das Gericht die Anforderung an diese Prognose relativ niedrig an. Bei der Frage der möglichen Gefahr eines Brandes setzte sich das Gericht mit zwei Gesichtspunkten auseinander. Zum einen stellte die Holzmöblierung im Flur, auch wegen der Holzbauweise im Treppenhaus, eine eigene mögliche Brandgefahr dar. Zum anderen konnten die Gegenstände auf dem Flur den Rettungsweg versperren, insbesondere wenn sie unter Brandeinwirkung umfallen. Ein Feuerwehrmann hatte diese Beurteilung bei dem Ortstermin mit dem Gericht bestätigt. Als zulässiges Austauschmittel hat das OVG in seinem Beschluss einen Stahlschrank in Betracht gezogen, wenn dieser von seiner Größe her den Fluchtweg nicht beeinträchtigt. Die Klägerin als Eigentümerin der Gegenstände auf dem Flur, deshalb polizeirechtlich Zustandsstörerin, und Aufstellerin der Gegenstände, deshalb Handlungsstörerin, war auch nach dem von der Polizeibehörde zu beachtenden Gebot der effektiven Auswahl des Störers die richtige Adressatin der Verfügung. Unerheblich für das Gericht war auch der Hinweis der Klägerin, dass an anderer Stelle ähnliche Verstöße vorliegen würden. Es spielte angesichts der polizeirechtlichen Beurteilung der Gefahr auch keine Rolle , ob das Verfahren durch eine Meldung aus der Nachbarschaft im Haus eingeleitet worden ist. Die Baubehörde muss grundsätzlich nicht sämtliche vergleichbare andere mögliche gefährliche Nutzungen auf ihre Baurechtswidrigkeit hin überprüfen und stets flächendeckend bekämpfen. Sie kann die einzelnen Fälle im Laufe der Zeit abarbeiten, wenn die Reihenfolge dabei plausibel ist. Ein Hinweis auf eine willkürliche Maßnahme gegenüber der betroffenen Eigentümerin lag nicht vor, was die Rechtmäßigkeit der Verfügung hätte infrage stellen können.
Was tun, wenn die Behörde nichts tut?
So eindeutig die Rechtslage zulasten der betroffenen Eigentümerin im geschilderten Fall ist, so mühsam ist es für einen besorgten Eigentümer, beim behördlichen Nichtstun entsprechende Brandgefahren durch einen anderen Eigentümer oder einen Mieter beseitigen zu lassen. Auch Kinderwagen, Roller und andere Kinderspielzeuge haben in Fluchtwege nichts zu suchen, selbst wenn sie selbst keine Brandgefahr darstellen, aber den Fluchtweg versperren können. Auch die Lagerung von Kartons und anderem Hausrat in Tiefgaragenplätzen ist ein häufiger Streitpunkt hinsichtlich des Brandschutzes. Die Schwierigkeit liegt darin, dass bei der Frage, ob eine Behörde zum Eingreifen verpflichtet ist, zunächst für diese ein Ermessensspielraum besteht, der mit einem Antrag an die Behörde und nach Widerspruch dann einer Verpflichtungsklage zum Verwaltungsgericht im Regelfall nur insoweit überprüft werden kann, als die Behörde die maßgeblichen Ermessensgesichtspunkte vollständig erfasst und nicht sachwidrig bewertet hat. Einen verbindlichen Anspruch auf ein Eingreifen hat der Bürger aber nur dann, wenn sich das Ermessen auf null reduziert. Üblicherweise lautet die Behördenreaktion ja: Wir haben Wichtigeres zu tun und dafür keine Zeit.
Der zitierte Beschluss des OVG Nordrhein-Westfalen gibt wenigstens Argumente für einen entsprechenden Antrag an die Behörde. Ein weiteres Argument für die Verpflichtung der Baubehörde zum Tätigwerden ist das bekannte Vorgehen der Polizei beim Abschleppen von verbotswidrig in einer Brandschutzzone abgestellten Fahrzeugen. Hier handelt die Polizei mit der sogenannten Ersatzvornahme (eigene Ausführung eines Verwaltungsakts an den Kraftfahrzeugführer), was die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung immer gebilligt hat, ohne die Wahrscheinlichkeit einer tatsächlichen Brandgefahr und eines Feuerwehreinsatzes im konkreten Fall zu überprüfen. Als Druckmittel gegen die Behörde ist ein entsprechender Verpflichtungsantrag zumindest insoweit geeignet, weil dessen Bearbeitung, der spätere Widerspruch und die mögliche Klage zumindest den gleichen Verwaltungsaufwand erzeugen wie die tatsächliche Durchführung einer Brandschau mit anschließender Verfügung gegen den Störer.
Ein weiteres Problem speziell beim Vorgehen gegen einen sorglosen Mieter liegt im Schutzumfang des Mieters. Denn mietrechtlich haftet der Mieter bei der Beschädigung der Mietsache durch einen Brand dem Vermieter nur bei grober Fahrlässigkeit und Vorsatz. Dies liegt darin begründet, dass nur in diesem Fall der Versicherungsschutz des Vermieters durch die Gebäudeversicherung ausgeschlossen ist. Da die Kosten der Gebäudebrandversicherung auf den Mieter umgelegt werden können, hat dieser einen Anspruch auf Freistellung gegenüber seinem Vermieter in gleichem Umfang, wie die Versicherung zahlt, deshalb auch bei einfacher Fahrlässigkeit. Außerdem gibt es zur Abgrenzung zwischen den Verantwortungsbereichen des Mieters und des Vermieters zur Brandursache wie generell bei jeder Beschädigung der Mietsache von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) entwickelte Beweisregeln, die allerdings im Falle der verbleibenden Unklarheit über die Entstehung des Brands die Beweislast beim Vermieter belassen. Im Ergebnis braucht sich der Mieter deshalb aus den beiden genannten Gründen um das Risiko der Brandverursachung durch seine Materialien, die er zum Beispiel auf seinem Stellplatz lagert, im Regelfall nicht kümmern. Denn auf die Frage der groben Fahrlässigkeit des Mieters bei der Brandverursachung kommt es schon aus den genannten Gründen des fehlenden Nachweises der Brandverursachung gerade durch die Materialien des Mieters beispielsweise auf seinem Stellplatz regelmäßig nicht an. Umgekehrt besteht natürlich ein Risiko für den Vermieter, wenn er bei eigener grober Fahrlässigkeit – etwa Kenntnis der Verstöße gegen die Brandschutzvorschriften – den Beweis für die Haftung des Mieters nicht führen kann. Allerdings reicht das bloße Unterlassen der eigenen Nachprüfung durch den Vermieter wegen möglicher Verstöße gegen Brandschutzvorschriften durch den Mieter im Regelfall nicht aus, um bereits zur groben Fahrlässigkeit des Vermieters zu führen. Das übliche Besichtigungsrecht des Vermieters, das aber nur bei möglichen Verstößen innerhalb der Wohnung, nicht auf dem Flur oder auf einem offenen Stellplatz eine Rolle spielen kann, ist nach einer neuen Entscheidung des BGH auf einen zeitlichen Abstand von etwa von zwei Jahren eingeschränkt worden. Mietrechtlich kann der Vermieter bei der Gefahr eines Wohnungsbrands infolge der Nichtbeachtung von Brandschutzvorschriften außerordentlich kündigen.
Neben dem bereits erwähnten Antrag an die Baubehörde auf Verpflichtung durch eine bauordnungsrechtliche Verfügung kommt die direkte Unterrichtung der Gebäudeversicherung in Betracht, wenn das sorglose Verhalten eines anderen Versicherungsnehmers, also eines Eigentümers, vorliegt. Versicherungsrechtlich spielt die oft gewählte Verteidigung keine Rolle, dass nämlich andere Gegenstände, etwa Fahrzeuge auf einem Stellplatz, das gleiche Gefährdungspotenzial haben. Der Vorwurf der Verletzung einer Obliegenheit kann damit nicht ausgeschaltet werden.
Dr. Hellmuth Mohr
(Rechtsanwalt, Stuttgart)