Die Ampelkoalition will den Glasfaseranschluss für alle durchsetzen, Telekom & Co. investieren und bauen daher wie noch nie. Wie verhalten sich Verwalter richtig, wenn der Netzbetreiber mit dem Bagger anrückt?
Kaum im Amt, lässt die Ampelkoalition keine Zweifel aufkommen, dass sie im Bereich Bauen, Wohnen und Digitalisierung große Veränderungen anstrebt: Ministerien werden neu geschaffen, umbenannt und neu zugeschnitten. Wohin die Reise für die Wohnungswirtschaft geht und was dies für die Immobilienverwaltung im Einzelnen bedeutet, deutet der Koalitionsvertrag meist nur in groben Zügen an. Mitunter sind es harmlos scheinende Formulierungen, die auf einen Paradigmenwechsel schließen lassen. Beim Thema Glasfaser ist die Ansage jedoch klar: „Unser Ziel ist die flächendeckende Versorgung mit Glasfaser (fiber-to-the-home, FTTH)“, so beginnt das Kapitel Digitale Infrastruktur. Ein Satz wie Dynamit. War unter Merkel, Altmaier und Scheuer noch schwammig von „Gigabit-Infrastrukturen“ die Rede, hat die Ampel den Begriff aus ihrem Vokabular gestrichen. Und das bedeutet im Klartext: Mit der politischen Rücksichtnahme auf Kabelnetzbetreiber ist Schluss. Die hatten es lange verstanden, ihre Netze mit Begriffen wie „Giga-Netz“ oder „Kabel-Glasfasernetz“ bei Politik und Wohnungswirtschaft im Spiel zu halten – vorbei. Dass die Zeit für den Kabelanschluss abläuft, deutete sich bereits im letzten Jahr bei der Novelle des Telekommunikationsgesetzes (TKG) an, die unter anderem die Umlagefähigkeit des Kabelfernsehanschlusses beendete. Hauseigentümer können seitdem ein Sonderkündigungsrecht ihres Gestattungsvertrags in Anspruch nehmen, um den Bewohnern die Wahl zu lassen, ob sie ihr Fernsehprogramm lieber über Kabel, DSL oder Glasfaser empfangen wollen. Bis Juni 2024 muss diese Umstellung passiert sein. Das war spätestens das Signal für den Aufbruch der Glasfasernetzanbieter, die seither fieberhaft investieren und bauen. Allen voran die Telekom, die den größten Beitrag leisten will, bis 2030 alle Wohnungen und Unternehmen per Lichtleiter zu versorgen. Einen Großteil hat sie schon geschafft: Weil die ihre Netze schon vor Corona weitgehend auf Glas umgerüstet hatte, steht vielerorts nur noch die Erschließung der Straßen, Häuser und Wohnungen an. Oft ist auch ein regionaler Partner, etwa ein Citynetzbetreiber oder die Kommune mit von der Partie, nicht selten im Schulterschluss mit der Telekom. Das bedeutet für Verwalter: der Glasfaser-Bautrupp steht schneller vor der Tür als man denkt. „Die meisten Immobilienverwalter stehen dem Glasfaserausbau grundsätzlich positiv gegenüber“ berichtet Rafael Shnitzer, der für die Telekom Wohnungseigentümergemeinschaften und ihre Verwalter berät; „viele von ihnen kennen die Studie von Haus & Grund, die durch den Glasfaseranschluss Hausstich ansteht, werden sie vom Netzbetreiber gebeten, eine entsprechende Gestattung zu unterschreiben. Dürfen sie das? Müssen sie bei einer Wohnungseigentümergemeinschaft nicht erst eine Beschlussfassung einholen? Das Dilemma: Der Hausanschluss ist kostenlos – aber nur in dem Zeitraum, während der ganze Straßenzug erschlossen wird. Das ist meist ein Zeitfenster von ein bis drei Wochen. Oft ist dann die nächste Wohnungseigentümerversammlung (WEV) in weiter Ferne. Doch ist der Bautrupp erst weitergezogen, wird es schmerzhaft teuer, wenn Straße und Bürgersteig eigens erneut aufgerissen werden müssen. Was tun? Muss der Verwalter trotzdem die WEV abwarten und die Kosten für einen nachträglichen Anschluss in Kauf nehmen? Oder verstößt er gerade dann gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung? eine Wertsteigerung von bis zu acht Prozent prognostiziert“ Dennoch kommen selbst erfahrene Verwalter ins Grübeln, wenn der Anschluss der Liegenschaften – der sogenannte Hausstich – unmittelbar ansteht, berichtet Shnitzer: Muss der Verwalter erst einen Beschluss der WEG-Versammlung herbeiführen, bevor überhaupt ein Glasfaser-Hausanschluss gelegt wird? Wenn der
Für Dr. Georg Jennißen, namensgebender Partner der auf Immobilienrecht spezialisierten Kanzlei W.I.R. in Köln ist der Fall sonnenklar: „Der Verwalter kann alle Maßnahme nach Paragraf 27 Absatz 1 Nummer 1 WEG durchführen, die nicht zu erheblichen Verpflichtungen führen. Alles was unentgeltlich ist, kann und sollte der Verwalter auch ohne Beschlussfassung veranlassen, sofern er zeitnah keine Versammlung mehr durchführen kann.“
Keine erheblichen Verpflichtungen? Tatsächlich ist die Nutzung des Glasfaseranschlusses – anders als der Kabelanschluss bisher – für die Bewohner völlig freiwillig. Da der Glasfaseranschluss in der Regel anbieteroffen ist, geht der Verwalter auch kein sogenanntes Dauerschuldverhältnis ein. Verpflichtungen gibt es aber durchaus: Der Hauseigentümer ist laut Paragraf 134 TKG gesetzlich verpflichtet, dem Netzbetreiber den Zugang zu Grundstück und Haus zwecks Erstellung eines Hausanschlusses für ein „Netz mit sehr hoher Kapazität“ zu gewähren, und zwar unentgeltlich. Wenn der Netzbetreiber also den Verwalter bittet, vor der Installation des Glasfaser-Hausanschlusses einen Vertrag zu unterschreiben (je nach Netzbetreiber Herstellungsauftrag Glasfaseranschluss oder Grundstücksnutzungsvertrag genannt), handelt es sich dabei nur um einen Akt der Höflichkeit – rechtlich notwendig ist er nicht.
Viele Verwalter haben sich ohnehin bei ihrer WEG vertraglich abgesichert: Michael Petr, Geschäftsführer der Kölner Wohnungs- verwaltung Münch, verweist auf das Leistungsverzeichnis des vom VDIV NRW empfohlenen WEG-Verwaltervertrags, der ausdrücklich den „Abschluss und Kündigung von Lieferungs- und Entsorgungs-, Wartungs- und sonstigen Dienstleistungsverträgen“ vorsieht. Das schafft Handlungs- und Entscheidungsfreiheit, gerade bei zeitkritischen Aufgaben. Darauf ausruhen sollte man sich jedoch nicht, empfiehlt Michael Petr: „Verwalter sollten nicht abwarten, bis der Bagger vor der Tür steht, sondern sich frühzeitig mit dem Glasfaserausbau befassen und aktiv auf die Betreiber zuzugehen.“ Petr hatte sich bereits 2020 sowohl mit der Telekom als auch mit dem Kölner Regionalnetzbetreiber Netcologne in Verbindung gesetzt und mit beiden Betreibern Rahmenvereinbarungen ausgehandelt, die den von ihm verwalteten Eigentümergemeinschaften vorteilhafte Konditionen beim Ausbau der Glasfaser-Wohnungsanschlüsse sichern.
Die zwei Phasen des Glasfaserausbaus
Der Glasfaser-Ausbau läuft in der Regel in zwei Phasen ab: Zunächst erschließt ein Bautrupp ganze Straßenzüge und verlegt in den anliegenden Liegenschaften ein Glasfaser-Hausanschluss. Sobald ein Bewohner eines derart angeschlossenen Objekts ein Endkundenprodukt wie zum Beispiel einen Internetanschluss bucht, rückt ein zweiter, spezialisierter Monteurtrupp an und verlegt ein Glasfaserkabel in diese eine Wohnung. Das ist für den Bewohner und den Hauseigentümer kostenlos. Allerdings bringt diese Art der Einzel-Wohnungsvernetzung immer wieder Unruhe ins Haus und wird daher von Verwaltern und Eigentümern kritisiert. Auch Wohnungseigentümer können den Anschluss ihrer Wohnung nach Paragraf 20 Absatz 2 Nummer 4 WEG von den anderen Wohnungseigentümern verlangen und Netzbetreiber haben nach Paragraf 145 Absatz 1 TKG grundsätzlich das Recht ihr Netz in der Wohnung abzuschließen. Schon vor der TKG-Novelle urteilte das Amtsgericht Plön (Az 75 C 11/19 vom 3. April 2020): Ein Glasfaseranschluss eines Bewohners bedarf nicht der Zustimmung aller Eigentümer. Anderslautende Beschlüsse sind nichtig.
Vollausbau sichert die ruhe im Haus
Die Alternative zum Einzelanschluss ist der Vollausbau; in diesem Fall wird das ganze Haus mit allen Wohnungen in einem Aufwasch mit Glasfaser modernisiert. Der Bewohner muss in diesem Fall keinen Vertrag mit dem Netzbetreiber abschließen; für ihn ist die Nutzung des neuen Anschlusses freiwillig. Zudem ist er, anders als beim Kabelanschluss, bei der Glasfaser nicht an einen einzelnen Anbieter gebunden. Durch den Vollausbau lässt sich die Leitungsführung im Haus sorgfältig planen und den Bauaufwand auf wenige Tage reduzieren. Danach ist das Thema für die Bewohner und Eigentümer erledigt – und das für viele Generationen. Die Datenübertragung in Lichtgeschwindigkeit ist nach Einstein so schnell wie die Zeit selbst und bietet damit physikalisch nahezu unendliche Leistungsreserven, weit über das Giga- und Terabit-Spektrum hinaus.
Ein solcher Vollausbau lässt sich zeitlich vom Bau des Hausanschlusses entkoppeln, da er ohnehin von einem gesonderten Monteurtrupp verlegt wird. Auf diese Weise kann der Verwalter also notfalls auch nach dem bereits erfolgten Hausanschluss einen WEV-Beschluss über den Vollausbau herbeiführen. Dabei ist auch über die Finanzierung zu beschließen. Dank der Reform des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMog) ist die Beschlussfassung einfacher denn je: Nach den Paragrafen 23 bis 25 WEG kann der Verwalter auch online oder im Umlaufverfahren in Textform herbeiführen; jede Versammlung ist automatisch beschlussfähig; unabhängig davon, wie viele Wohnungseigentümer anwesend oder vertreten beziehungsweise online zugeschaltet sind.
Deutliche Wertsteigerung ohne Eigeninvestition
Die gute Nachricht: Ein Vollausbau kostet zwar Geld – aber nicht das der Eigentümer. Der Gesetzgeber sieht für die Finanzierung zwei verschiedene Möglichkeiten vor: Entweder über eine dauerhafte Erhöhung der Nettokaltmiete um bis zu 8 Prozent (Modernisierungsumlage) oder um eine Nebenkostenumlage von bis zu 60 Euro pro Jahr über eine Laufzeit von bis zu 5 Jahren (Glasfaserbereitstellungsentgelt).
Michael Petr konnte jedoch noch bessere Konditionen aushandeln. Seine Hausverwaltung Münch verwaltet rund 9500 Miet- und Eigentumswohnungen in mehr als 300 Objekten, darunter Stadtbild-prägende Architekturikonen wie das Colonia-Hochhaus – das verschafft ihm eine starke Verhandlungsposition. Resultat: Sowohl die Telekom als auch Netcologne sicherten jeweils einen kostenlosen Vollausbau für die von Münch verwalteten Objekte zu. Außerdem versprechen beide Netzbetreiber, dass keine vorhandenen DSL/Telefon- oder Kabelnetze abgeschaltet werden, solange die Hausbewohner sie nutzen. Michael Petr: „Ich kann Verwaltern nur empfehlen, sich jetzt zu informieren und möglichst vorsorglich WEG-Beschlüsse über einen Vollausbau und dessen Finanzierung herbeizuführen. Bei Objekten über 50 Wohneinheiten lassen die Netzbetreiber über viele Konditionen mit sich reden. Das reicht von der Leitungsführung im Haus bis zur Unterstützung bei der Information der Bewohner. Bei rechtzeitiger Vorbereitung kann der Verwalter Eigentümer und Mieter über ihre Möglichkeiten, Rechte und Pflichten in Ruhe aufklären und Missverständnisse im Vorfeld ausräumen.“
Der Autor
Stefan Susbauer ist freier Autor und Berater im Bereich Medien und Kommunikation sowie E-Mobilität. Er gilt als Experte für Innovationsthemen, insbesondere im Themenfeld Kabel- und Glasfasernetze.