Keine Mobilitätswende ohne den Ausbau der Elektromobilität. Während private Ladeinfrastrukturen in Einfamilienhäusern durchaus umsetzbar sind, gestaltet sich die Lage in Mehrfamilienhäusern und Eigentümergemeinschaften eher schwierig. Hier braucht es eine passende Förderpolitik sowie Änderungen im Wohneigentumsgesetz.
Emissionsfrei, digtal, vernetzt und zu einem ganz gehörigen Grad elektrisch soll sie sein, die Mobilitätswende in Deutschland. Dementsprechend war es einst das erklärte Ziel der Bundesregierung, bis 2020 eine Million Elektroautos auf die deutschen Straßen zu bekommen. Eine Ambition, die letztes Jahr von der Realität eingeholt und auf 2022 nach hinten korrigiert wurde – die Entwicklung läuft einfach zu schleppend. In Zahlen: Von den 2016 deutschlandweit neu zugelassenen 3,4 Millionen Pkw waren knapp 60.000 (1,75 Prozent) Elektro- oder Hybridfahrzeuge – mit klarem Schwerpunkt auf letzteren. Die Neuzulassungen reiner E-Fahrzeuge sind zwar in den Folgejahren deutlich gestiegen und lagen 2018 bei etwas über 36.000. Von der gewünschten Million ist man allerdings immer noch meilenweit entfernt. Die Gründe dafür sind vielfältig, neben mangelnder Reichweite und meist langen Ladezeiten spielt vor allem die spärlich gesäte Anzahl der Ladestationen eine tragende Rolle.
| Private Infrastrukturen sind entscheidend
Von 2017 bis 2020 stellt die Bundesregierung 300 Millionen Euro für den Ausbau der öffentlich zugänglichen Ladeinfrastruktur zur Verfügung. Mit diesen Ladesäulen allein, von denen Ende 2018 bundesweit über 16.000 Stück in Betrieb waren und für die die Nationale Plattform Elektromobilität für 2020 einen Bedarf von 70.000 ermittelt hat, lässt sich die Herkulesaufgabe allerdings nicht stemmen. Schon heute setzen die meisten Nutzer auf private Lademöglichkeiten. Um den Ausbau auch hier voranzutreiben, hat die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag entsprechende Fördermöglichkeiten verabredet – Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer hofft hier auf eine zusätzliche Milliarde Euro im Bundeshaushalt 2020 sowie einen Programmstart noch im Sommer 2019.
| Mehrfamilienhäuser stehen vor speziellen Problemen
Dem Dachverband Deutscher Immobilienverwalter (DDIV) zufolge hat die geplante Förderung vor allem die Anschaffung von Ladestationen in Einfamilienhäusern im Visier. Was aber freilich die vom Verband geschätzten rund vier Millionen Stellplätze im Besitz von Wohnungseigentümergemeinschaften außen vor lässt. Soll der Ausbau privater Ladeinfrastruktur vorangehen, müssen laut DDIV Ein- und Mehrfamilienhäuser getrennt betrachtet werden: „Der Teufel liegt wie so häufig im Detail. Deswegen muss dafür Sorge getragen werden, dass die Besonderheiten von Mehrfamilienhäusern berücksichtigt werden”, betont Geschäftsführer Martin Kaßler. Denn während in Einfamilienhäusern entsprechende Maßnahmen mit vergleichsweise geringem Aufwand umgesetzt werden könnten, stünden Mehrfamilienhäuser vor gänzlich anderen technischen Herausforderungen. In diesen sei das hauseigene Stromnetz oftmals nicht dafür ausgelegt, mehrere Autos gleichzeitig zu laden. Hierfür müsse das gesamte Leitungsnetz kostenintensiv erneuert oder durch Lastmanagementsysteme optimiert werden. Vor diesem Hintergrund fordert der Verwalterverband ein millionenschweres Förderprogramm, das Eigentümer und Mieter in Eigentümergemeinschaften nicht nur bei der Anschaffung von Ladestationen unterstützt, sondern auch die Modernisierung des Stromnetzes im Blick hat.
| Zustimmung der Eigentümerversammlung erforderlich
Für Eigentümergemeinschaften stellen sich aber noch ganz andere Probleme – schließlich muss praktisch jeder bauliche Schritt in Richtung Elektromobilität gemeinschaftlich abgesegnet werden. Weshalb sich zunächst die Frage stellt, welche Veränderung eigentlich als Maßnahme welcher Art gilt: Während modernisierende Instandsetzungen mit einfacher Mehrheit beschlossen werden können, brauchen Modernisierungen eine qualifizierte Mehrheit. Und bei baulichen Veränderungen müssen gar alle Miteigentümer zustimmen. Wobei selbst das Best-Case-Szenario einer einfachen Mehrheit in der Praxis recht unrealistisch erscheint: Dass es in größeren Eigentümergemeinschaften ein ausreichend breites Interesse an einer kostenintensiven gemeinsamen Elektromobilitätslösung gibt, ist kaum vorstellbar.
| Gesetzesänderung soll für Vereinfachung sorgen
Was freilich nicht ausschließt, dass ein einzelner Miteigentümer für sich eine individuelle Lösung realisiert. Gemäß dem „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes und des Bürgerlichen Gesetzbuchs zur Förderung der Barrierefreiheit und Elektromobilität“, der dem Bundestag seit Ende 2016 vorliegt, bislang aber noch nicht beraten wurde, sollen entsprechende bauliche Veränderungen im Falle eines berechtigten Interesses sogar ohne Zustimmung der anderen Miteigentümer möglich werden.
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