Brandschutz im Bestandsbau
Im Bestandsbau ist es häufig schwierig, im Zuge von Umnutzungen oder Sanierungen den baulichen Brandschutz sicher, aber auch nicht übertrieben und teuer umzusetzen. In vielen Fällen gibt es keine oder keine auf den Istzustand zutreffende Baugenehmigung geschweige denn detaillierte Planungsunterlagen oder Brandschutzkonzepte. Diese auf Basis aktueller Gesetzgebungen und Normen zu erstellen ist aufwendig und bedarf großer Erfahrung des Gutachters. In solchen Fällen sollten die Ersteller auf zertifizierte/akkreditierte Brandprüfstellen zurückgreifen. Wie im Fall des 1912 erbauten denkmalgeschützten Rathauses einer sächsischen Kleinstadt.
Muss bei alten Gebäuden ein Brandschutzkonzept erstellt werden, ist es äußerst wichtig, den Bestand sehr sorgfältig zu erfassen und konstruktiv zu bewerten. Dabei ist neben den statischen Eigenschaften auch der Feuerwiderstand jedes einzelnen relevanten Bauteils zu ermitteln, was mit einem sehr großen Aufwand verbunden ist. Häufig darf man nicht einfach so Gebäudeteile öffnen. In solchen Fällen ist eine sehr große Erfahrung des Gutachters sowohl in baukonstruktiver als auch in brandschutztechnischer Hinsicht erforderlich. Gutachter besitzen im Regelfall allerdings nur theoretische Kenntnisse, die Besonderheiten vieler Konstruktionen im Vollbrand erschließen sich jedoch nur während Brandprüfungen beziehungsweise beim Erleben von Schadfeuern. Das ist nicht jedem möglich.
Auf nachträglich anzubringenden Schutz konnte verzichtet werden
Die historischen Stahlsteindecken des Rathauses aus dem Jahr 1912 waren durch die Experten des eigenen Ingenieurbüros der MPA Dresden hinsichtlich des Feuerwiderstands einzustufen. Dabei ergaben sich diverse Probleme. Es wurden nur sehr kleinteilige Deckenöffnungen erlaubt, da das Gebäude in Nutzung ist und die Deckengefüge nicht beschädigt werden durften. Damit wurde es sehr aufwendig, den Deckenaufbau validiert für die gesamte Decke aufzunehmen. Die in solchen Fällen gern herangezogene DIN4102 Teil 4 war zur Bauzeit noch nicht existent, die historischen Stahlsteindecken in der vorgefundenen Ausführung demzufolge in dieser umfangreichen Sammlung nicht auffindbar. Es galt weitere Quellen zu recherchieren. In der Literatur zu historischen Bauweisen fand man weitere Hinweise. Das alles in Verbindung mit den Brandprüferfahrungen der eigenen Prüfstelle, aber auch Veröffentlichungen und Erfahrungen anderer Brandprüflabore ermöglichte eine Einstufung des Feuerwiderstands der alten Gebäudedecken. Die erreichten Feuerwiderstandswerte erlaubten den Erhalt der wertvollen alten Decken. Ein nachträglich anzubauender Schutz, der die wunderschöne Optik komplett verschandelt hätte, konnte vermieden werden. In Kombination mit weiteren, auf den Feuerwiderstandswerten basierenden brandschutztechnischen Maßnahmen wurde die schöne alte Bausubstanz erhalten und gleichzeitig ein sicherer Zustand erreicht. Zudem wurden dem Bauherrn Kosten in erheblichem Umfang eingespart.
Fachliche Abstimmung ist wichtig In einem anderen Fall sollten bei einem Gebäude aus dem Jahr 1998 vorhandene Brandschutzverglasungen in Verbindung mit leichten Trennwänden und Türanlagen hinsichtlich des Feuer- und Rauchschutzes bewertet werden. In der technischen Dokumentation des Bauherrn gab es keine Verwendbarkeitsnachweise zu den vorhandenen Konstruktionen. Das erforderte eine aufwendige Suche nach den Herstellern und den zugehörigen allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassungen. Aus einzelnen vorhandenen Kennzeichnungen konnte in Verbindung mit bauzeittypischen Modellen in intensiver Recherchearbeit eine recht gute Zuordnung vorgenommen werden. Das war zwingend notwendig, da seitens des Bauherrn eine zerstörungsfreie bis -arme Untersuchung unter Voraussetzung der Kenntnis vergleichbarer Tür- und Verglasungsobjekte vorgegeben wurde. Die Bewertung der Feuerwiderstände wurde anhand der Prüferfahrung der MPA Dresden an leichten Trennwänden und Verglasungen mit Feuerwiderstandsanforderungen vorgenommen. Dabei wurden auch Verwendbarkeitsnachweise, Begutachtungen, Literatur und Erkenntnisse aus nationalen und europäischen Erfahrungsaustauschkreisen der Brandprüflabore berücksichtigt. Auch in diesem Fall gab es für den Bauherrn erhebliche Kosteneinsparungen, da der Austausch der Türanlagen nicht erforderlich war. Der Feuerwiderstand der bewerteten Bauteile ist höher, als die Evakuierungszeit des Gebäudes beträgt. Auch bei diesem Projekt war die fachliche Abstimmung mit dem Ersteller des Brandschutznachweises sehr wichtig.
Fazit: Diese beiden Beispiele zeigen, dass es bei entsprechendem brandschutztechnischen und baukonstruktiven Fachwissen in Verbindung mit der Kenntnis von Bauordnungsrecht bei historischen Gebäuden häufig möglich ist, auch bei fehlenden Verwendbarkeitsnachweisen den Feuerwiderstand von vorhandenen Gebäudekonstruktionen – auch bei nachträglich vorhandenen Veränderungen – zu bewerten. So können Sanierungsvorschläge erarbeitet und damit dem Ersteller des Brandschutznachweises eine solide Grundlage für sein Brandschutzkonzept an die Hand gegeben werden. www.mpa-dresden.de