Brandschutzkonzept der Elbphilharmonie
Der bauliche Brandschutz ist ein zentraler Baustein, um Gebäude und Menschenleben vor Brand und Rauch zu schützen – das wurde durch den Hochhausbrand in London einmal mehr deutlich.
Deshalb kamen Ende Juni nahezu 300 Teilnehmer zum IFT-Brandschutzforum nach Rosenheim, um einen aktuellen Überblick über geänderte Anforderungen, Normen sowie die internationale Marktentwicklung zu erhalten. Der detaillierte Einblick in das Brandschutzkonzept der Elbphilharmonie zeigte, wie wichtig Planung, Nachweise sowie Prüfungen sind – insbesondere bei Sonderkonstruktionen. Deshalb spielen zuverlässige, normkonforme und reproduzierbare Brandprüfungen inklusive aussagekräftiger Prüfberichte eine wichtige Rolle. Die Live-Prüfung einer Hueck-Brandschutzfassade auf dem 8 mal 5 Meter großen Brandofen zeigte eindrucksvoll, wie auch Sonderkonstruktionen realitätsnah und zuverlässig geprüft werden können.
Institutsleiter Professor Ulrich Sieberath eröffnete das 11. IFT-Brandschutzforum und berichtete über die Brandschutznorm EN 16034. Die ersten Monate zeigten bereits, dass brauchbare Klassifizierungen nur durch eine detaillierte Kenntnis des gesamten Normungswerks inklusive aller Exap-Regeln1, nationaler und internationaler Anforderungen sowie eine umfangreiche Produktkenntnis und langjährige Prüferfahrungen möglich sind. Hierzu braucht es auch Prüfstände, mit denen Sonderkonstruktionen und große Probekörper sicher, reproduzierbar und normkonform geprüft werden können. Ansonsten sind weitere ungeplante Prüfungen notwendig, oder es gibt Schwierigkeiten mit den Klassifizierungsberichten und der Anerkennung durch die Baubehörden.
Weiterhin skizzierte Sieberath den Ausbau des Technologiezentrums mit einem Decken- und Säulenprüfstand, einem Kleinbrandofen sowie einem SBI-Teststand. Gemeinsam mit einem Kooperationspartner können somit alle notwendigen Brand- und Rauchprüfungen in Rosenheim ausgeführt werden. Ganz nach dem Motto „Getestet in Europa – zertifiziert für die Welt“.
Brandprüfung mit beeindruckendem Ergebnis
Die Live-Brandprüfung ist traditionell einer der Höhepunkte des IFT-Brandschutzforums. In diesem Jahr wurde eine Hueck-Vorhangfassade inklusive Eckausbildung mit verschiedenen Winkeln geprüft. Die Fassade erreichte im neuen 8 mal 5 Meter großen Brandofen sicher die EI30-Klassifizierung und erreichte sogar einige Minuten Überzeit, die wichtig für die Anwendung verschiedener Exap-Regeln ist. Der Brandofen hatte eine beeindruckende Performance in Bezug auf die Temperaturentwicklung und -verteilung sowie die Druckverhältnisse im Ofen – wichtige Kriterien für normkonforme Prüfungen und die Interpretation der Ergebnisse. Durch die Kooperation mit der Firma UL sind die Prüfergebnisse auch in den USA, Middle East und wichtigen Märkten in Asien verwendbar.
Weitere Highlights waren die Fachvorträge der externen und IFT-Referenten. Die Feinheiten und Fallstricke der verschiedenen Brandschutznormen bezeichnete Dr. Gerhard Wackerbauer (IFT) als Brandschutz- Puzzle. Er informierte kompetent nicht nur über die grundlegenden Anforderungen, sondern auch über relevante Details der Normen und erklärte, was sich hinter unscheinbaren Fußnoten verbirgt, beispielsweise der Hinweis auf die notwendige Schließung durch einen Fallenriegel in den Ausführungen der Musterbauordnung (MBO) beziehungsweise Landesbauordnung (LBO). Die Kenntnis solcher Details ist wichtig und sollte im Klassifizierungsbericht vermerkt werden, damit es bei der Anwendung und Prüfung durch die Baubehörden keine Probleme gibt. Der Hersteller von feuerwiderstandsfähigen Bauteilen übernimmt mit seiner Unterschrift in der Leistungserklärung die volle Haftung für die Richtigkeit der Werte und Angaben. Deshalb ist die Kompetenz und Erfahrung seiner Prüfund Zertifizierungsstelle sehr wichtig.
Details von Brandschutzwänden sind wichtig
Als langjähriger „Fire Fighter“ berichtete Sean DeCrane (UL) über die Entwicklungsprüfungen für eine neue Norm für massives Kreuzlagenholz (KLH), das auch in den USA immer beliebter wird und für Hochhäuser eingesetzt werden soll. Zahlreiche Videoaufnahmen von Prüfungen zeigten eindrucksvoll, wie wichtig die Details von Brandschutzwänden, beispielsweise Fugen, Verbindungsmittel, Fenster und andere Öffnungen, sind. Es war teilweise besorgniserregend wie ein Brand innerhalb von drei Minuten von einem Raum zum anderen Raum überschlägt und zu einer Feuerwalze führt, wenn die Zimmertür offen steht oder keinerlei Brandhemmung hat. Auch die Brandlasten werden durch synthetische Baustoffe auf Mineralölbasis immer größer und führen deutlich schneller zum gefürchteten Flashover.
Martin Langen (B+L Marktdaten) zeigte in kompetenter Weise mittels Diagrammen und Statistiken die Chancen und Risiken IFT Rosenheim Verbrannte Länge als Bewertungskriterium für das Brandverhalten von Dichtprofilen IFT Rosenheim/Tagungsband Brandschutzforum Live-Prüfung einer Hueck-Brandschutzfassade als Sonderkonstruktion mit Eckwinkeln auf dem 8 mal 5 Meter großen Brandofen im IFT-Technologiezentrum unterschiedlicher Märkte für Bauteile mit Feuer- und/oder Rauchschutz. Im Fokus stand die Marktentwicklung von Nicht- Wohngebäuden für Industrie und öffentliche Hand sowie von Hochhäusern, die gerade in den dynamischen Märkten Asiens und Middle East, aber auch in Osteuropa die Mehrheit der Wohngebäude ausmachen. Bei anspruchsvollen technischen Produktbereichen, zu denen auch der Brandschutz zählt, genießt Made in Germany einen hervorragenden Ruf und eröffnet den Herstellern gute Marktchancen. Projekte wie der Berliner Flughafen zeigen, dass der Brandschutz in vielen Fällen ein Nadelöhr ist, das oft durch einen Mangel an geeigneten Fachkräften entsteht. Produkte, die sich einfach und unkompliziert einsetzen und montieren lassen, bieten deshalb Vorteile. Neben der Anzahl der Baugenehmigungen und Kennzahlen wie Pro-Kopf-Einkommen und BIP-Wachstum sind für Langen auch der „Zuversichts-Index“ und die Anzahl der Zuwanderungen wichtige Kriterien zur Bewertung der Bauentwicklung.
Klaus-Dieter Wathling (Senatsverwaltung Berlin, Oberste Bauaufsicht) brachte Licht in den Dschungel der neuen Regularien. Ausführlich und detailreich erklärte er die für Brand und Rauch relevanten Passagen der Musterverwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB), der Musterbauordnung und diverser Sonderbauvorschriften.
Freie Kapazitäten zur Intensivierung der Marktaufsicht
Im Anschluss stellte Maja Tiemann (DIBt) das European Assessment Document (EAD, deutsch: Europäisch Technisches Bewertungsdokument) detailliert vor. Dieses Verfahren kann genutzt werden, wenn es noch keine harmonisierte Produktnorm (HEN) gibt oder das Produkt nicht von einer HEN vollständig abgedeckt wird. Auch wenn dieser Weg nicht einfacher ist, ist er doch schneller und wird deshalb von Innentürherstellern genutzt, die nicht länger auf die EN 14351-2 warten wollen. Neue EAD dauern zirka ein Jahr, weitere Bemühungen zur Beschleunigung der formalen Abläufe mit der Kommission sind angestoßen. Wichtig im ganzen Prozess ist auch eine kompetente Prüfstelle, die das Verfahren kennt und deren Prüfungen zweifelsfrei normkonform und reproduzierbar sind. Durch die Einführung und CE-Kennzeichnungen gemäß EN 16034 entfällt der Zeitaufwand für die Prüfung nationaler Zulassungsanträge, sodass im DIBt erhebliche Kapazitäten frei werden, die dann für eine Intensivierung der Marktaufsicht genutzt werden sollen.
Elbphilharmonie Lehrstück für Fortgeschrittene
Zehn Jahre Brandschutzplanung, die Abstimmung mit 300 Projekt- und Fachplanern, eine baubegleitende Detailplanung und die Bauüberwachung des Brandschutzkonzepts machen Michael Juch (Hahn Consult) zum intimen Kenner der Elbphilharmonie. Das Vorzeigeprojekt ist nicht nur architektonisch herausragend, sondern auch konstruktiv und damit ein ideales Lehrstück beim Brandschutz für Fortgeschrittene, bei dem der Teufel im Detail steckt. Es mussten viele Sonderbauteile entwickelt werden, die über eine Zustimmung im Einzelfall genehmigt wurden. Hilfreich für die Abstimmung mit der obersten Baubehörde und der Feuerwehr waren Prüfberichte mit detaillierten Produkt- und Anwendungsbeschreibungen. Auch die enge und frühzeitige Abstimmung notwendiger Zusatzprüfungen mit der obersten Baubehörde und der Feuerwehr ermöglichten Genehmigungen innerhalb von sechs Wochen. Eine große Herausforderung war die Bauüberwachung, da viele Brandschutzwände in Trockenbauweise ausgeführt wurden, bei denen das Innenleben den Brandschutz bestimmt und nach der beidseitigen Beplankung nicht mehr einsehbar ist. Deshalb waren die Schulung und Sensibilisierung der Bauleiter zu Brandschutzthemen sowie eine effiziente Dokumentation wichtig, um die Länge der Mängelliste im Rahmen zu halten und den Überblick nicht zu verlieren.
Die IFT-Referenten nahmen sich in kompetenter Weise der Aufgabe an, die einfache und normkonforme Anwendung der vielen Normen zu zeigen, um damit das Brandschutzpuzzle zu lösen. Durch die Exap-Regeln werden die Anwendungsmöglichkeiten eindeutig für ganz Europa beschrieben – das gibt es so für andere Eigenschaften nicht und ist damit ein Vorteil für Hersteller, die ihre Produkte EU-weit verkaufen wollen.
Die Rauchexpertin Christine Schmaus erklärte ausführlich anhand von Beispielen, wie man die optimalen Probekörper findet, um alle Übertragungsregeln zu nutzen und dennoch mit möglichst wenigen Prüfungen für Rauch, Brand und Dauerfunktion auskommt.
Neues IFT-Forschungsprojekt
Dr. Odette Moarcas zeigte detailliert, wie für Produkte und Materialien in Abhängigkeit vom Anwendungszweck das Brandverhalten geprüft, klassifiziert und nachgewiesen wird. Selbst kleine Details wie das Abtropfverhalten im Brandversuch können über Leben und Tod entscheiden. Beispielsweise beschleunigte das Abtropfen brennender Teile einer Deckverkleidung in einer rumänischen Diskothek die Brandausbreitung und führte zum Tod vieler Besucher. Weiterhin berichtete Moarcas über ein neues IFT-Forschungsprojekt, in dem geeignete Prüfverfahren für das Brandverhalten von Dichtprofilen entwickelt wurden, die nahezu in allen Fenstern, Fassaden und Türen verwendet werden.
Keine bloße Papier- und Dokumentenprüfung
David Hepp berichtete über die ersten Erfahrungen mit der EN 16034, insbesondere die Einführung einer werkseigenen Produktionskontrolle (WPK), CE-Kennzeichnung und Leistungserklärung. Als Grundlage für die CE-Kennzeichnung ist bei Brand- und Rauchschutzelementen zwingend auch eine Fremdüberwachung der WPK notwendig. In der Praxis macht den meisten Betrieben nicht die Produktion Schwierigkeiten, sondern das Brandschutz-Puzzle mit vielen Dokumenten. Klassifizierungsund Exap-Berichte haben oft 100 Seiten oder mehr, und die Anwendung ist für die Hersteller schwierig. Dennoch sind gerade der Abgleich zwischen geprüftem und gefertigtem Produkt sowie die Kenntnis und Anwendung der Anwendungsgrenzen (Abmessungen, Materialien) eine zentrale Forderung an die WPK. Das IFT hat deshalb ein System entwickelt, bei dem gemeinsam mit dem Systemgeber und dem Herstellbetrieb für dessen Produktion die Informationen so aufbereitet werden, dass bei jedem Planungs- und Produktionsschritt genau die notwendigen Informationen und Dokumente vorliegen. Eine Überwachung durch IFT-Auditoren ist deshalb keine bloße Papier- und Dokumentenprüfung, sondern eine aktive Unterstützung bei der Verbesserung der Qualität. Das gibt Sicherheit bei der normkonformen Umsetzung der WPK und schützt vor Schadenersatzansprüchen wegen falscher Kennzeichnung.
Interessant waren auch die verschiedenen Saalumfragen, mit denen die IFT-Referenten via App die Meinung der Teilnehmer in Echtzeit ermitteln konnten. Beispielsweise wussten nur 33 Prozent, dass die Leistungserklärung auch nur online zur Verfügung gestellt werden kann, wenn diese eine eindeutige Zuordnung zum Produkt ermöglicht und sicher für zehn Jahre online verfügbar bleibt.
IFT Rosenheim
Das IFT Rosenheim ist eine europaweit notifizierte Forschungs-, Prüf-, Überwachungs- und Zertifizierungsstelle und international nach DIN EN ISO/IEC 17025 akkreditiert. Im Mittelpunkt steht die praxisnahe, ganzheitliche und schnelle Prüfung und Bewertung aller Eigenschaften von Fenstern, Fassaden, Türen, Toren, Glas und Baustoffen. Ziel ist die nachhaltige Verbesserung von Produktqualität, Konstruktion und Technik sowie Normungsarbeit und Forschung. Die Zertifizierung durch das IFT sichert eine europaweite Akzeptanz. Das IFT ist der Wissensvermittlung verpflichtet und genießt als neutrale Institution deshalb einen besonderen Status – die Publikationen dokumentieren den aktuellen Stand der Technik.