Nach der Aufregung über verschärfte Prüfungsanforderungen in der geänderten Trinkwasserverordnung (TrinkwasserV) ist seit dem Zeitpunkt des Inkrafttretens Ende 2013 bei diesem Thema zunächst Ruhe eingekehrt, da Einzelheiten zum Vollzug bisher kaum öffentlich diskutiert werden.
Bisherige Artikel zu diesem Thema finden sich in den folgenden Ausgaben des Modernisierungs-Magazins: 3/2013, 12/2013, 4/2014 und 5/2014.
Noch Blei in der Leitung?
Auch für Blei wurde der schon seit dem 1. Januar 2003 geltende Grenzwert von 0,025 Milligramm pro Liter (mg/l) durch die Änderung der TrinkwasserV durch die zweite Änderungsverordnung vom Oktober 2012 zum 1. Dezember 2013 auf 0,010 mg/l abgesenkt. Vor 2003 lag er noch bei 0,040 mg/l. In der Grundwasserverordnung, die auf der Grundlage des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) die Bewirtschaftungsziele für Grundwasserkörper (unterirdische Wasserläufe) im Einzelnen festlegt, liegt gegenwärtig der die Risikogrenze für das Grundwasser beschreibende Schwellenwert bei Blei ebenfalls noch bei 0,010 mg/l, soll aber aufgrund neuer Erkenntnisse bei der geplanten Neufassung auf 0,007 mg/l abgesenkt werden. Daraus wird ersichtlich, dass sich das Bewusstsein über die Gefährdung durch Blei weiter verschärft. Die Verwendung von Blei in Trinkwasserinstallationen war nach 1974 nicht mehr üblich. Die Innenbeschichtung mit Epoxidharz oder Trinkwasserfilter ist keine geeignete Abhilfe. Seit Dezember 2013 besteht unter anderem bei Bleileitungen eine Meldepflicht gegenüber den Mietern und dem Gesundheitsamt. Die Vorgaben der TrinkwasserV müssen unverzüglich eingehalten werden. Die Kosten hat der Vermieter zu tragen, da es sich um Erhaltungsmaßnahmen handelt, die nicht wie Modernisierungen auf den Mieter umgelegt werden können. Außerdem kommt bei Bleibelastungen eine Mietminderung in Betracht, die in der Höhe davon abhängt, in welcher Konzentration die Belastung auftritt und welche Abwehrmaßnahmen dem Mieter möglich sind (nur kurzes Durchlaufenlassen des Wassers oder größere Reinigungsmenge, etwa 13 Liter, oder längere Reinigungszeit, mehr als 30 Sekunden).
Bei Umweltgiften wie hier im Trinkwasser ist die Rechtsprechung zur Mietminderung allerdings bei der dem Mieter obliegenden Beweislast teilweise recht streng und leitet die für einen Mangel erforderliche konkrete Gesundheitsgefährdung nicht allein aus der Überschreitung eines Grenz- oder Richtwerts ab. Ob diese teilweise auch ältere Rechtsprechung der zeitlichen Entwicklung des Umweltrechts noch entspricht, ist mehr als fraglich. Denn im Umweltrecht wird auf die jeweils aktuellen Grenzwerte abgestellt. Auf der anderen Seite stehen Entscheidungen, die einen Mangel beim Fehlen von verbindlichen Grenzwerten auch dann schon bejahen, wenn Schadstoffkonzentrationen vorliegen, die zumindest nach ernsthafter wissenschaftlicher Diskussion bereits zu Gefährdungen führen können. Der begründete Verdacht einer Gesundheitsgefährdung kann deshalb auch schon ausreichen. Speziell für die Legionellengefahr bei einer überhöhten Konzentration hat das Amtsgericht (AG) Dresden in einer Entscheidung vom 11. November 2013 die Möglichkeit einer Mietminderung bejaht. Darüber hinaus kommt bei einer erheblichen Gefährdung der Gesundheit auch die fristlose Kündigung durch den Mieter in Betracht.
Der in der TrinkwasserV neu eingeführte technische Maßnahmewert stellt demgegenüber keinen Grenzwert für die Anforderungen an die Wasserqualität dar. Auch wenn er überschritten wird, darf das Wasser weiterhin als Trinkwasser genutzt werden. Es müssen dann aber unverzüglich Maßnahmen zur Beseitigung der technischen Probleme eingeleitet werden. Außerdem bestehen dann die schon erwähnten Mitteilungspflichten gegenüber dem Gesundheitsamt und den betroffenen Verbrauchern.
Wegen der Aufmerksamkeit in der Fachpresse ist an dieser Stelle nochmals auf die zweite Entscheidung des AG Köln vom 1. März 2013 hinzuweisen. Mit dieser Entscheidung korrigierte das AG eine frühere Entscheidung vom 20. April 2011, nach der die Rohrinnensanierung durch eine Epoxidharzbeschichtung wegen der dadurch möglichen Gesundheitsgefahren zur Mietminderung berechtigte. Im zweiten Prozess verlangten die Mieter, nachdem sie gegenüber dem Vermieter der Duldung einer entsprechenden Sanierung nicht zugestimmt hatten, die Beseitigung der erfolgten Epoxidharzbeschichtung. Diese Klage wurde vom AG nach Einholung von zwei Sachverständigengutachten abgewiesen, da die behauptete Gesundheitsgefährdung von den Mietern nicht nachgewiesen werden konnte. Die erste Entscheidung hatte für große Aufregung insbesondere bei den Sanierungsunternehmen gesorgt, die sich für ihre Rechtsposition auch durch professorale Gutachten absicherten.
Neben möglichen zivilrechtlichen Sanktionen besteht aufgrund der Vorgaben durch die TrinkwasserV auch die Möglichkeit einer Verpflichtung zur Abhilfe aufgrund einer entsprechenden Verfügung der Gesundheitsbehörde. Im Beschluss vom 14. Juli 2014 hat das Verwaltungsgericht Würzburg die entsprechenden Maßnahmen eines Landratsamts gegen eine Wohnungseigentümergemeinschaft nach mehrfacher erheblicher Überschreitung der Grenzwerte gebilligt und die geforderten Maßnahmen zur Abwehr der Gefahr für zulässig erachtet.
Beweisfragen im Werkvertragsrecht
Aus der gerade zitierten zweiten Entscheidung des AG Köln ist festzuhalten, dass die Entscheidung alleine nach der Verteilung der Beweislast gefallen ist, weil der Mieter die Voraussetzung der Beseitigung – Gesundheitsgefährdung – nicht beweisen konnte. Im Werkvertragsrecht bei einem Streit zwischen dem Auftraggeber und dem beauftragten Unternehmer liegt die Beweislast für die Tauglichkeit des gelieferten Werks bis zur Abnahme beim Unternehmer. Im Zweifelsfall trifft ihn deshalb der Nachteil der nicht beweisbaren gesundheitlichen Unbedenklichkeit. Dass diese Diskussion nicht nur graue juristische Theorie ist, zeigt auch die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm vom 27. September 2012. Der Auftragnehmer hatte Wasserinstallationen im Neubau des Auftraggebers im Jahr 2003 vorgenommen. Im Jahr 2008 kam es zu drei Wasserschäden, die nach dem Ergebnis eines selbstständigen Beweisverfahrens dadurch verursacht wurden, dass die Chloridbelastung im Trinkwasser die Rohrverbindungen korrodierte. Der Auftragnehmer wies darauf hin, dass ihm diese hohe Belastung nicht bekannt gewesen sei. Das Gericht gab der Klage des Auftraggebers statt. Zwar hat der Auftragnehmer die aktuell bestehenden anerkannten Regeln der Technik beachtet. Er schuldet aber ein Werk, das den erkennbaren Bedürfnissen des Auftraggebers entspricht. Auf ein Verschulden kommt es hierbei nicht an. Deshalb spielt die Frage keine Rolle, ob der mögliche spätere Schaden für den Auftragnehmer im Zeitraum der Planung und Ausführung erkennbar gewesen war. Im vorliegenden Fall kam erschwerend hinzu, dass schon während der Bauausführung Chloridmessungen durchgeführt wurden, die aber Ergebnisse innerhalb der Grenzwerte der TrinkwasserV ergaben.
Dr. Hellmuth Mohr
Rechtsanwalt, Stuttgart