Dr. Hellmuth Mohr hat zuletzt bereits praxisrelevante Fragen zur Durchführung der Versammlung der Wohnungseigentümer, zunächst zur Einladung durch den Verwalter, geschildert. Dieser Beitrag beschäftigt sich in Ergänzung hierzu mit der Möglichkeit der Einladung durch Minderheiten unter den Wohnungseigentümern und durch einzelne Wohnungseigentümer unter Berücksichtigung aktueller Gerichtsentscheidungen.
Die Berechnung der Minderheit nach Paragraf 24 Absatz 2 WEG
Nach dem zweiten Halbsatz dieser Vorschrift ist der Verwalter – neben seiner Pflicht zur Einladung aufgrund einer Vereinbarung der Wohnungseigentümer nach dem ersten Halbsatz – zur Einladung verpflichtet, wenn dies schriftlich unter Angabe des Zwecks und der Gründe von mehr als einem Viertel der Wohnungseigentümer verlangt wird. Da es sich hierbei um eine Schutzvorschrift für die Minderheit handelt, kann die Voraussetzung für die Einberufung nicht weiter eingeschränkt werden, auch nicht durch eine Vereinbarung. Die vom Gesetzgeber vorgesehene Quote (1/4) kann deshalb nicht erhöht werden, zum Beispiel auf ein 1/3 oder sogar 1/2 oder vollständig abgeschafft werden. Dagegen ist eine Erleichterung für das Verlangen auf Einberufung möglich, zum Beispiel auf ein 1/5. Es wird auch vertreten, dass das Minderheitenforum nicht nach Köpfen, sondern nach Miteigentumsanteilen berechnet wird oder nach der Anzahl der Einheiten des Wohnungs- und Teileigentums, wobei das letztere allerdings strittig ist. Der Regelfall der Berechnung nach Kopfanteilen gilt – vorbehaltlich einer ausdrücklichen Regelung in der Gemeinschaftsordnung gerade zu dem Minderheitenquorum – auch dann, wenn die Gemeinschaftsordnung für die Kostenverteilung oder für die Stimmrechte einen anderen Schlüssel, etwa wiederum nach Miteigentumsanteilen, vorsieht.
Wenn mehrere Personen, zum Beispiel ein Ehepaar, Eigentümer einer (!) Wohnung nach Bruchteilen sind, gilt dies für das Minderheitenquorum als ein Kopf. Strittig ist dagegen die Frage, wenn ein Ehepaar entweder ebenfalls im hälftigen Miteigentum oder als Gesellschafter einer GbR mit gleichen Anteilen Eigentümer mehrerer (!) Wohnungen ist. Teilweise wird hier ebenfalls für die mehreren Wohnungen nur ein Kopf gezählt. Diese strittige Auffassung ist aber sicherlich dann nicht mehr gerechtfertigt, wenn die Eigentumsverhältnisse an den mehreren Wohnungen unterschiedlich sind: eine Wohnung im Miteigentum der Eheleute, eine zweite im Alleineigentum eines Ehepartners. Bei der Zählung nach Köpfen können auch diejenigen Miteigentümer berücksichtigt werden, die in der Versammlung selbst nach Paragraf 25 Absatz 5 WEG kein Stimmrecht haben.
Die Dringlichkeit der Einberufung
Das Erfordernis der Dringlichkeit wird in Paragraf 24 Absatz 2 WEG zwar nicht ausdrücklich genannt. Es ergibt sich aber aus dem Erfordernis der ordnungsgemäßen Verwaltung nach Paragraf 21 Absatz 4 WEG im Zusammenhang mit der vorrangigen Zuständigkeit des Verwalters zur Einladung nach Paragraf 24 Absatz 1 WEG zur Beschlussfassung über alle Maßnahmen zur Sicherstellung dieser Verwaltung, wenn er selbst hierzu allein nicht zuständig ist.
Die Dringlichkeit einer Maßnahme kann sich durch den Fristenablauf ergeben, etwa bei der Verjährung von Mängelansprüchen, oder aus Sachgründen wie bei dem Beweissicherungsverfahren zur Feststellung von Baumängeln, der Kündigung eines Hausmeisters wegen Vertragsverletzungen, der Berufung eines Verwalters aus den gleichen Gründen oder wegen dringlichen Sanierungsmaßnahmen mit den dazu erforderlichen Sonderumlagen. Hinsichtlich der Dringlichkeit steht dem Verwalter ein Prüfungsrecht zu. Er muss dem Verlangen nach Einberufung einer Versammlung deshalb nicht nachgeben, wenn die gewünschte Angelegenheit einen Aufschub bis zur nächsten ordentlichen Versammlung duldet. Zusätzliche Angebote für die Gemeinschaft, zum Beispiel eine Bank oder Spielgeräte für die Kinder auf der Gemeinschaftsfläche, sind nicht dringend. Dasselbe gilt für eine Änderung der Hausordnung, wenn der gewünschte Regelungszustand nicht einem akuten und gefahrdrohenden Mangel abhilft. Wenn die Durchführung einer Instandhaltungsmaßnahme gewünscht wird, kann es bei einem früher gefassten Beschluss verbleiben, wenn nicht neue und zunächst nicht erkannte Gefahren für das Gemeinschaftseigentum nachträglich auftreten. Heikel ist die Prüfungspflicht des Verwalters wegen seiner eigenen Betroffenheit, wenn die Minderheit die Kündigung des Verwaltervertrags aus wichtigem Grund erreichen will. Um hier keine Manipulationsmöglichkeit zu eröffnen, besteht die Einberufungspflicht des Verwalters uneingeschränkt. Im Übrigen hat der Verwalter ein Prüfungsrecht, ob ein offensichtlicher Missbrauch des Minderheitenrechts vorliegt.
Das gleiche Antragsrecht hat die Minderheit für die Ergänzung einer Tagesordnung, die der Verwalter bereits einberufen hat. Da der Versammlungstermin bereits feststeht, muss die Minderheit nicht die Dringlichkeit der Beratung darlegen. Die Grenze liegt hier deshalb nur bei einem Rechtsmissbrauch, etwa bei der Beratung über Sachverhalte, über die bereits beschlossen worden ist.
Die gerichtliche Durchsetzung
Es gibt mehrere Möglichkeiten, das Recht der Minderheit durchzusetzen, wenn der Verwalter dem Ersuchen nicht folgt. Nach Paragraf 43 Nummer 3 WEG kann jeder Wohnungseigentümer vom Richter die Entscheidung beantragen, dass der Verwalter zur Einberufung verpflichtet wird. Diese Möglichkeit steht jedem Wohnungseigentümer offen, auch wenn er sich nicht an dem Minderheitenquorum beteiligt hat. Nach Paragraf 43 Nummer 1 WEG kann sich ein einzelner Wohnungseigentümer mit einem gegen die übrigen Wohnungseigentümer zu richtenden Antrag an das Gericht ermächtigen lassen, eine Eigentümerversammlung einzuberufen. Denn die Gemeinschaft kann in ihrer Gesamtheit, also bei Zustimmung aller Wohnungseigentümer, zu einer Versammlung einladen. Eine solche von der Gemeinschaft einberufene Versammlung kann nur von den Einberufenden, also der gesamten Gemeinschaft, abgesagt oder zu einem anderen Ort verlegt werden.
Wenn ein Verwaltungsbeirat besteht, kann dessen Vorsitzender oder sein Stellvertreter eine Eigentümerversammlung nach Paragraf 24 Absatz 3 WEG einberufen. Auf die genaue Bezeichnung der Personen des Verwaltungsbeirats ist zu achten, da die Einladung nicht vom Verwaltungsbeirat als solchem oder von einem weiteren Mitglied des Beirats vorgenommen werden kann.
Die drei aufgezeigten Möglichkeiten zur Durchsetzung einer Versammlung bestehen nicht nur bei der Nichtbeachtung des Minderheitenquorums durch den Verwalter nach Paragraf 24 Absatz 2 WEG, sondern auch zur Durchsetzung der Pflicht zur jährlichen Durchführung der Versammlung nach Absatz 1 derselben Vorschrift. Außerdem besteht nach Paragraf 21 Absatz 4 WEG der Anspruch eines jeden Wohnungseigentümers auf eine Verwaltung unter Beachtung des Interesses der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen. Soweit erforderlich, richtet sich dieser Anspruch – neben dem Verband – auch gegen den Verwalter. Bei Eilbedürftigkeit ist unverzüglich zu laden. Fehlt es an dieser, ist der Antrag auf der nächsten regelmäßigen Eigentümerversammlung zu beraten, wobei die Beachtung der Ladungsfrist nach Paragraf 24 Absatz 4 Satz 2 WEG eine Rolle spielt.
Bei der Verletzung der Pflicht des Verwalters, einen Antrag auf die Tagesordnung einer Versammlung zu setzen, besteht bei Verschulden des Verwalters hierbei ein Schadenersatzanspruch gegen den Verwalter auf Einberufung einer außerordentlichen Eigentümerversammlung auf Kosten des Verwalters. Bei der Verweigerung der Einberufung einer Versammlung durch den Verwalter bei einem Minderheitenvotum kann dieser Schaden nicht entstehen, da eine Versammlung auch bei rechtmäßigem Verhalten des Verwalters notwendig geworden wäre. Eine andere Frage ist, welcher zusätzliche Schaden den Wohnungseigentümern durch die verspätete Beschlussfassung entstanden ist.
Die Möglichkeiten des Beiratsvorsitzenden
Im Gegensatz zu Paragraf 24 Absatz 2 WEG ist der Absatz 3 abdingbar. Dann ist jeder Wohnungseigentümer zur Einberufung berechtigt.
Dieser Weg empfiehlt sich aber nicht wegen des damit verbundenen Risikos einer Mehrzahl von Einberufungen. Bei der Abbedingung könnten die Beteiligten des Minderheitenquorums ohne die bei Absatz 2 erforderliche Anrufung des Gerichts die Versammlung einberufen. Die auf diese Weise gefassten Beschlüsse wären mangels einer Anfechtung gültig. Wegen des möglichen Interessenwiderstreits wird die Anfechtung durch den Verwalter oft erfolgreich sein.
Der praktische Vorteil des Paragrafen 24 Absatz 3 WEG liegt darin, dass der Verwaltungsbeiratsvorsitzende ohne Anrufung des Gerichts handeln kann. Wenn kein Vorsitzender bestellt ist, kann nur das komplette Gremium einladen, nicht aber ein Mitglied, das nicht Vorsitzender oder Stellvertreter ist. Diese Möglichkeit besteht zum einen beim Fehlen eines Verwalters. Ein Fehlen liegt nicht nur im objektiven Sinne des Worts vor, sondern auch bei einer längeren Verhinderung der Ausführung des Amts durch den Verwalter, zum Beispiel bei Krankheit. Ist der Verwalter durch einen Beschluss abberufen worden, ist dieser Beschluss selbst bei Anfechtung gültig, solange er nicht rechtskräftig für ungültig erklärt worden ist. Solange fehlt der Verwalter, sofern nicht gleichzeitig ein neuer bestellt wurde. Wenn der Abberufungsbeschluss später rechtskräftig für ungültig erklärt wird und der Verwaltungsbeiratsvorsitzende zuvor eine Einberufung ausgesprochen hat, liegt dennoch kein Einberufungsmangel vor, auch wenn die Ungültigkeitserklärung des Abberufungsbeschlusses zurückwirkt.
Wenn der Verwaltungsbeiratsvorsitzende von der zweiten Möglichkeit Gebrauch macht, weil der Verwalter sich pflichtwidrig weigert, die Versammlung der Wohnungseigentümer einzuberufen (Tatfrage!), ergeben sich folgende Rechtsfolgen, wenn tatsächlich keine Pflichtwidrigkeit des Verwalters vorlag. Die vom Verwalter oder einem Wohnungseigentümer aus diesem Grund angefochten Eigentümerbeschlüsse einer vom Verwaltungsbeiratsvorsitzenden einberufenen Versammlung können vom Gericht für ungültig erklärt werden. Der Streit ist hier also programmiert. Wenn es lediglich darum geht, die bereits bestehende Tagesordnung zu ergänzen, besteht wegen der hier nur denkbaren Grenze bei Rechtsmissbrauchsfällen ein geringeres Risiko für die spätere gerichtliche Ungültigkeitserklärung der vom Verwaltungsbeiratsvorsitzenden einberufenen Versammlung.
Mit dem Recht zur Einladung durch den Beiratsvorsitzenden ist das Recht verbunden, die Tagesordnung zu bestimmen. Der Verwalter hat zwar grundsätzlich ein Teilnahmerecht an der Versammlung, muss wegen seiner pflichtwidrigen Weigerung jedoch nicht eingeladen werden. Wenn der Grund für die Abberufung des Verwalters gerade darin liegt, dass er pflichtwidrig die Einberufung einer Versammlung unterlassen hat, bei der es um seine Abberufung gehen sollte, wäre die Berufung auf sein Teilnahmerecht treuwidrig und damit unzulässig.
Für die eben erläuterte Klage durch jeden Wohnungseigentümer nach Paragraf 43 Nummer 3 WEG zur Verpflichtung des Verwalters zur Einberufung fehlt nicht deshalb das Rechtsschutzbedürfnis, weil auch der Verwaltungsbeiratsvorsitzende die Möglichkeit zur Einberufung hat. Maßgeblich hierfür sind die erläuterten rechtlichen Probleme, wenn der Verwaltungsbeiratsvorsitzende bei seiner Einberufung zu Unrecht die pflichtwidrige Weigerung des Verwalters angenommen hat.
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[tab title=“Der Autor“]Dr. Hellmuth Mohr
Rechtsanwalt, Stuttgart[/tab]
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Dieser Fachbeitrag von Dr. Hellmuth Mohr ist zuerst in der Zeitschrift „Der ImmobilienVerwalter“, Ausgabe 01/2017 erschienen. Weitere Informationen zur Zeitschrift, auch zu einem möglichen Bezug, finden Sie » hier.