„Noch mehr Energieeffizienz bei Wohngebäuden ohne Überbelastung von Vermietern und Mietern geht nur, wenn Bauherren und Immobilieneigentümer auf einen kosteneffizienten, technologieoffenen Maßnahmenmix zurückgreifen können.“ Das hat Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbands der Wohnungswirtschaft GdW am Ende des Monats November in Berlin anlässlich eines ersten öffentlichen Auftritts der neugegründeten „Allianz für einen klimaneutralen Wohngebäudebestand“ erklärt.
Der neue Zusammenschluss ist mit dem bisherigen Verlauf der Modernisierungspolitik unzufrieden und kritisiert, dass der Schwerpunkt einseitig auf der Verbesserung der Gebäudehülle, sprich auf Dämmmaßnahmen, liege. Das müsse sich ändern. „Statt wie bisher nur die teuersten Maßnahmen müssen diejenigen mit dem besten Kosten-Nutzen-Effekt von der Politik stärker adressiert werden.“ Den besseren Kosten-Nutzen-Effekt sieht die Allianz eindeutig bei der Haustechnik, die sie stärker im Fokus rücken möchte. „Ein Schlüssel für bezahlbaren Klimaschutz bei Wohngebäuden liegt nach Überzeugung der Allianzmitglieder in einer Effizienzsteigerung bei der Wärmeversorgung von Gebäuden.“ Dazu wolle man auch dazu beitragen, das Verbrauchsverhalten der Bewohner zu verbessern.
Ein „Weiter-so“ reicht nicht aus
Auch wenn die Wohnungswirtschaft seit 1990 mehr als zwei Drittel ihrer Bestände energetisch modernisiert habe, müsse man heute feststellen, dass die Klimaziele für das Jahr 2020 damit nicht erreicht würden. Stattdessen gefährdeten immer neue bauliche Anforderungen an die Gebäudehülle, aber auch Festlegungen im neuen Klimaschutzplan der Bundesregierung bezüglich der CO2-Einsparung, die Bezahlbarkeit des Klimaschutzes beim Wohnen. Ein schlichtes „Weiter-so“ werde nicht ausreichen, so die Botschaft des Bündnisses. Das Ziel müsse stattdessen sein, dass Immobilienbesitzer und Bauherren zukünftig die Wahl aus einem deutlich größeren Maßnahmenkatalog haben, als dies der aktuelle rechtliche Rahmen zulasse. Ohne direkt auf die Energieeinsparverordnung (EnEV) oder das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) einzugehen, wird damit unausgesprochen angekündigt, dass das Bündnis seine Positionen auch gegenüber dem Gesetzgeber einbringen wird. Kritisch gesehen wird von der Allianz wohl auch das Grünbuch Energieeffizienz des Bundeswirtschaftsministeriums, das dem gewünschten technologieoffenen Maßnahmenmix nicht genug Beachtung schenkt.
In der Allianz für einen klimaneutralen Wohngebäudebestand haben sich elf Unternehmen und Institutionen aus Wohnungswirtschaft, Industrie und Forschung zusammengeschlossen. Mitglieder sind der Spitzenverband der deutschen Wohnungs- und Immobilienunternehmen GdW, dessen Mitgliedsunternehmen über rund sechs Millionen Wohnungen verfügen, sowie die Firmen Vonovia, LEG, Dogewo 21 und der Spar- und Bauverein eG Dortmund. Von Seiten der Hersteller sind es die Firmen Danfoss, Techem, Bosch Thermotechnik und Ista. Als wissenschaftliche Partner sind die EZB Business School – University of Applied Sciences mit der Professur für Energiefragen der Immobilienwirtschaft und die Professur für Gebäudeenergietechnik und Wärmeversorgung der Technischen Universität Dresden engagiert.
Kontrapunkt gegenüber Politik gesetzt
Was die neue Allianz erst einmal an Empfehlungen auf den Tisch legt, ist ein Bündel „geringinvestiver Maßnahmen“, auf das sich das neue Bündnis geeinigt hat. Der technologieoffene, gleichberechtigte Maßnahmenmix, den die Allianz gewissermaßen schlagwortartig anmahnt, besteht im Wesentlichen aus drei Punkten: Zum ersten aus technischen Maßnahmen zur Verbesserung der Effizienz der Wärmeerzeugung und der Wärmeverteilung innerhalb der Gebäude und aus einem sparsameren Verbrauchsund Lüftungsverhalten. Zum Zweiten aus modernerer Anlagentechnik und an dritter Stelle aus der Verbesserung der baulichen Hülle. Damit soll gewissermaßen ein Kontrapunkt gegenüber der bisherigen Politik der energetischen Modernisierung, wie sie über viele Jahre von unterschiedlichen Bundesregierungen betrieben wurde, gesetzt werden. Das Ganze dürfe Wohnungswirtschaft und Mieter nicht über Gebühr finanziell belasten.
Einsparung und Komfortgewinn
Den ersten Punkt adressierte vor allem Frank Hyldmar, Geschäftsführer des Allianzgründungsmitglieds Techem. Eine große Rolle spiele für ihn die Optimierung der Wärmeverteilung im Gebäude, wie etwa der hydraulische Abgleich, aber auch die Unterstützung der Bewohner, um zu einem möglichst sparsamen Heizverhalten zu kommen. Das Mittel der Wahl bestehe hier in programmierbaren Heizkörperthermostaten, einer mobilen Steuerung der Heizkörper über vernetzte Technik, etwa über den Einsatz von Smartphones, sowie mehr und zeitnahe Informationen zum Wärmeverbrauch. Sinnvoll sei, so Hyldmar, etwa die Verwendung von Lüftungsassistenten. „Ich bin überzeugt, dass man mit solchen Maßnahmen für weniger als 10 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche viel Energie einsparen und damit bis zu 15 Prozent CO2 zusätzlich vermeiden kann“, sagt Hyldmar. Zudem bringe dies in vielen Fällen einen Komfortgewinn für die Bewohner.
Dass sich hinter dem geforderten offenen Technologiemix aber auch Sprengstoff verbirgt, offenbarte Uwe Glock, Vorsitzender der Geschäftsführung von Bosch Thermotechnik. Er sieht einerseits die Verbesserung bestehender Verbrennungstechnologien und andererseits den verstärkten Einsatz regenerativer Energiequellen, ohne die Kombination beider erst einmal ausschöpfen oder in den Vordergrund stellen zu wollen. Für ihn stehe erst einmal die Ablösung der veralteten Heizgeräte durch Brennwerttechnik an, antwortet er auf die Frage nach der Relevanz von Wärmepumpen und Fotovoltaik. Ob sich diese Position auf Dauer als konsensfähig erweist, wird sich noch zeigen.
Forschungsprojekt gestartet
Um ihrer Position Nachdruck verleihen zu können, will die Allianz, gewissermaßen als erste Aktivität, deutschlandweit ein mehrteiliges, praxisorientiertes Forschungsprojekt durchführen, bei dem die „Wirksamkeit verschiedener Effizienzmaßnahmen in über 500 Gebäuden untersucht“ und so zusätzliches Wissen zu Möglichkeiten und Vorteilen der Maßnahmen gesammelt wird. Im Rahmen des Projekts ist eine Datenanalyse von bereits durchgeführten Sanierungsmaßnahmen vorgesehen sowie eine Studie zu Möglichkeiten der Effizienzsteigerung von Heizkesseln. Zudem sei eine Pilotstudie geplant, bei der verschiedene technische Maßnahmen im praktischen Einsatz untersucht werden sollen. Ein explizites Einbeziehen regenerativer Wärmetechnologie, vor allem auch die Wirkung von Hybrid- und Kombisystemen, steht dabei nicht im Vordergrund. Trotzdem ist Professor Viktor Grinewitschus, der die Professur für Energiefragen der Immobilienwirtschaft an der EBZ Business School innehat und das Forschungsprojekt leitet, überzeugt, Erkenntnisse in einer Breite und Tiefe zu erhalten, die „bisher einzigartig sein wird“. Die Forschungsergebnisse sollen zeigen, welche Maßnahmen gemessen an der notwendigen Investition besonders hohe Einspareffekte bringen, so der Professor.
Klaus Oberzig
www.gdw.de
www.energieeffizient-wohnen.de