Von Dipl. Wirt. Ing. (Bau) (FH) Frank Steffens |
Schneller, nachhaltiger und mit festen Kostenrahmen: Die Planung und Abwicklung von Bauvorhaben gerät zunehmend unter Effizienzdruck. Zugleich wirken sich Themen wie Building Information Modeling (BIM) und der demographische Wandel auf die Herangehensweise an Bauprojekte aus. Heute und auch zukünftig ist eine veränderte Denkweise gefordert, die diesen Themen Rechnung trägt. In diesem Kontext bietet die Vorfertigung von Bauteilen – insbesondere als hybride Konstruktion im System – Lösungsansätze für komplexe Herausforderungen.
Der Gedanke der Vorfertigung ist im Bauwesen zunächst nichts Neues. Vorgefertigte Häuser aus Holz, Betonfertigteile, Stahlskelettsysteme sowie Plattenbauten sind nur einige Beispiele in der Bau- und Architekturgeschichte. Lange galten Gebäude mit einem hohen Vorfertigungsgrad als monoton; jedoch weisen sie einen hohen Differenzierungsgrad auf, der die Gestaltungsfreiheit der Architektur stützen kann. Heute ist Vorfertigung ein hochaktuelles Thema, das Lösungsansätze für die vielfältigen Herausforderungen des Bauens unserer Zeit bietet.
Herausforderung: Wohnraum in kurzer Zeit
In den letzten Jahren hat sich die Wohnungslage in Deutschland weiter verschärft. Besonders in Ballungsgebieten und Universitätsstädten ist der Bedarf an bezahlbarem Wohnraum stark gestiegen. Das derzeit knappe Wohnungsangebot und die hohen Mietpreise sind die Folgen. Hinzu kommt eine starke Zuwanderung. Die aktuelle Entwicklung erfordert ein Umdenken im Bauen und im Hinblick auf die Flüchtlingsthematik ein schnelles und zugleich umsichtiges Handeln.
Herausforderung: Demographischer Wandel und veränderte Bauaufgabe
Die veränderte Altersstruktur der Bevölkerung, eine zunehmende Abwanderung aus dem ländlichen in den urbanen Raum und nicht zuletzt der Bevölkerungszuwachs aufgrund von Migration: Die Rahmenbedingungen des Planen und Bauens befinden sich in einem steten Wandel. Bedarfsänderungen sind die Folge. Die Herausforderung der derzeitigen Situation besteht für Bauwirtschaft und Politik darin, in kurzer Zeit kostengünstigen und qualitativ hochwertigen Wohnraum für möglichst viele Menschen zu schaffen.
Herausforderung: Fachkräftemangel und Qualität
Der demographische Wandel hat bereits heute zu einem Fachkräftemangel in der Bauwirtschaft geführt. Diese Entwicklung war schon länger abzusehen, wird zukünftig jedoch noch deutlicher spürbar werden. Ausgebildetes Fachpersonal wird zur Mangelware und die entsprechenden Kosten für verfügbares Personal steigen. Die Konsequenzen sind nicht nur von ausführenden Firmen und Bauunternehmen zu tragen. Betroffen sind auch Auftraggeber und Planende. Denn mit dem Fachkräftemangel steigt auch das Risiko von Qualitätsmängeln auf der Baustelle und Terminverzögerungen.
Herausforderung: BIM – auch politisch gefordert
Nach Plänen des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) soll Building Information Modeling bis 2020 für die Durchführung von Infrastrukturprojekten in Deutschland Pflicht werden. Denkbar ist, dass sich diese Planungsmethode dann mit der Zeit auch bei anderen öffentlichen Auftraggebern durchsetzen wird. Architekten müssen sich daher in Zukunft noch stärker mit dem Thema BIM auseinander setzen. Für die Praxis bedeutet dies eine engere Zusammenarbeit zwischen Architekten, Fachplanern, Bauunternehmen oder sogar Generalunternehmern.
Vorfertigung als Lösungsansatz
Unter Vorfertigung wird die stationäre Produktion von Bauelementen in einem überdachten, geschützten Umfeld verstanden. Moderne Maschinen im Werk arbeiten mit hoher Präzision und Schnelligkeit. Dies ermöglicht mitunter einen bedarfsgerechten Materialeinsatz und unterstützt eine nachhaltige und ressourceneffiziente Bauweise. Zugleich werden eine regelmäßige Qualitätskontrolle und ein hoher Qualitätsstandard gewährleistet. Dank Vorfertigung werden aus einzelnen Komponenten Bauteile, die mehr Funktionen, Eigenschaften und Möglichkeiten aufweisen. Auch die Kombination von unterschiedlichen Materialien wie Holz, Stahl, Beton als hybride Systeme schaffen einen Mehrwert.
Vorfertigung ist auf nahezu jede Bauaufgabe anwendbar – egal ob es sich dabei um Neubau, Bauen im Bestand oder Sanierung handelt. Innerstädtische Bauaufgaben, die eine Vielzahl von Anforderungen mit sich bringen, eignen sich ideal und zeichnen sich aus durch:
- kurze Bauzeiten
- enge Baustellensituationen
- und möglichst geringe Emissionen.
Durch die effiziente Vorproduktion der Bauelemente im Werk lassen sich die Montagezeiten auf der Baustelle auf ein Minimum reduzieren. Die Bauzeit verkürzt sich so um etwa 30 bis 50 Prozent. Enge Terminpläne können dank planmäßiger und witterungsunabhängiger Produktion konsequent eingehalten werden. Darüber hinaus werden keine großen Flächen zur Lagerung von Baumaterialien benötigt, da die vorgefertigten Elemente unmittelbar nach der Anlieferung auf der Baustelle montiert werden. Dies hat den positiven Effekt, dass die Anwohner weniger Baulärm und Schmutz ausgesetzt sind.
Ein hohes Potenzial der Vorfertigung steckt außerdem in Bauvorhaben, bei denen ein besonderer Bedarf an standardisierten Elementen und Fertigteilen besteht, wie beispielsweise im seriellen Wohnungsbau. Sie kann somit ein Lösungsansatz für die aktuelle Wohnungsnot in Ballungsgebieten sein. Ein weiterer Vorteil der Vorfertigung: Es werden weniger Spezialkräfte für die Arbeiten auf der Baustelle benötigt, da viele Prozesse schon in der Produktion abgeschlossen wurden.
Vorteile der Vorfertigung
Das geschlossene System der Vorfertigung ermöglicht eine konsequente Qualitätsüberwachung. Anders als auf der Baustelle ist die werkseitige Herstellung unabhängig von der Witterung. Im Werk herrschen kontrollierte klimatische Bedingungen in Bezug auf Temperatur und Feuchtigkeit.
Die Ablaufgeschwindigkeit kann deutlich effizienter sein, als beim konventionellen Bauen. Hinzu kommt, dass vorproduzierte Elemente mit geringem Personalaufwand in vergleichsweise kurzer Zeit montiert werden können. Beide Aspekte machen es leichter, den gesteckten Zeit- und Ablaufplan einzuhalten.
Da Gebäudedetails bereits in einem frühen Stadium der Planung geklärt werden, verringert dies den Aufwand der baubegleitenden Planung. Zugleich werden Kosten frühzeitig kalkulierbar – in der Argumentation mit dem Bauherrn kann dies ein wichtiger Zusatznutzen sein. Klare Kostenstrukturen schaffen Transparenz und Vertrauen.
Material und Konstruktion
Vorfertigung eignet sich sowohl für die Herstellung von Außen- und Innenwänden mit tragender oder nicht-tragender Funktion wie auch für Decken. Es sind auch Halbfabrikate möglich, die an einem anderen Standort fertigmontiert werden. Vorgefertigte Bauteile können auch Verbundprodukte sein – frei in der Wahl. Zu nennen sind hier zum Beispiel Holz-Beton- oder Stahl-Beton-Verbunddecken. Auch im Wandbereich werden heute Bauteile im Holz-Stahl-Verbund oder Holz-Aluminium-Verbund hergestellt. Neben Fensterelementen können sogar technische Installationen in das jeweilige Bauteil integriert werden.
Hybridkonstruktionen
Hybridkonstruktionen zeichnen sich durch einen intelligenten Verbund von zwei oder mehr Materialien auf Bauteil- oder Materialebene aus. Durch die gezielte Kombination lassen sich Werkstoffeigenschaften erzielen, die mit nur einem Material alleine nicht erreichbar wären. Dadurch können Baustoffe, wie zum Beispiel Holz, erstmals dort eingesetzt werden, wo sie bislang aus statischen oder brandschutztechnischen Gründen ausgeschlossen waren. Um Hybridkonstruktionen mit optimalen Bauteileigenschaften herzustellen, benötigt es eine moderne und präzise Produktionstechnologie. Die Basis der werkseitigen Fertigung bietet hierfür optimale Bedingungen und eine gleichbleibend hohe Produktionsqualität.
Die Planung im Fokus
Bei einer Bauweise mit hohem Vorfertigungsgrad benötigen Bedarfsanalyse und Planung mehr Zeit als beim konventionellen Bauen. Im Schnitt machen die Entwurfs- und die Planungsphase etwa 50 Prozent der gesamten Bauzeit aus. Die Risiken auf der Baustelle und die eigentliche Bauzeit nehmen hingegen ab. Die veränderte Bauweise hat zur Folge, dass das Gebäude bereits in einem frühen Stadium komplett durchdacht sein muss. Mit dem geänderten Bauablauf wächst auch die Bedeutung des Austausches zwischen den Projektbeteiligten.
Fachübergreifendes Denken und Koordination
Bei komplexen Bauaufgaben mit hohem Vorfertigungsgrad sind die Herausforderungen im Hinblick auf den technischen Anspruch und die Koordination der Fachplaner und Spezialisten besonders groß. Wesentlich erleichtert wird diese Aufgabe durch eine BIM-gestützte Planungsweise. Hier zahlt sich aus, dass alle Projektbeteiligte an einem gemeinsamen Gebäudemodell arbeiten. Die integrative Arbeitsweise verbessert den Kommunikationsaustausch zwischen allen Projektpartnern und schafft eine ganzheitliche und ständig aktuelle Arbeitsgrundlage. Kostenintensive Planungsfehler – wie Kollisionen zwischen einzelnen Bauteilen – können mittels BIM frühzeitig erfasst und beseitigt werden. Dies steigert die Planungssicherheit während des gesamten Bauprozesses. Auch der Kostenrahmen lässt sich mit dieser fortschrittlichen Planungsmethode besser überwachen. So kann beispielsweise die Materialbedarfsplanung auf Basis der bauteilorientierten Modelldaten exakt kalkuliert werden.
Vorfertigung ist ein Lösungsansatz für die vielfältigen Herausforderungen unserer Zeit: Gerade im Bereich des Wohnungsbaus ergeben sich durch Vorfertigung und serielles Bauen viele wertvolle Potenziale, die zum heutigen Zeitpunkt noch nicht annähernd ausgeschöpft sind. Seriell produzierte Fertigteile können beispielsweise zum Bau von mehrgeschossigen Wohnbauten eingesetzt werden. Auch angesichts der vielen offenen Stellen im Bauhandwerk ist der verstärkte Einsatz vorproduzierter Bauteile eine logische Konsequenz. Vorfertigung fördert – im Zusammenhang mit BIM – zudem ein gewerkeübergreifendes und kompetenzorientiertes Denken und Handeln und kann damit als zukunftsweisende Herangehensweise an Bauprojekte unserer Zeit angesehen werden.
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[tab title=“Der Autor“]Frank Steffens, Jahrgang 1979, studierte Wirtschaftsingenieurwesen mit speziellem Fokus auf die Bauwirtschaft an der Fachhochschule Oldenburg. Seit 2008 ist er dort Lehrbeauftragter mit Fokus auf Unternehmensprozesse und -organisation von Unternehmen mit Projektleistungstätigkeit. Nach dem Studium fokussierte er sich auf das Konzerncontrolling in verschiedene Branchen (Telekommunikation, Handel); seit 2008 ist er zudem beratend in der systemischen Organisationsentwicklung tätig. Ab 2009 ist Steffens in leitenden Positionen für das Familienunternehmen Brüninghoff aus dem münsterländischen Heiden aktiv – seit 2013 als Geschäftsführer sämtlicher operativen Gesellschaften der mittlerweile entstandenen Unternehmensgruppe. Aus der industriellen Vorfertigung mit Beton, Stahl, Holz und Aluminium heraus entwickelt Brüninghoff an vier Standorten Konzepte für hybride Tragwerksysteme und hybride Elemente.[/tab]
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