Moderne Technik ermöglicht es, bei der Modernisierung des Aufzugs größere Kabinen und neue Haltestellen zu realisieren. So wie in Herrenberg (Baden-Württemberg), wo Hersteller Kone einen der deutschlandweit ersten Aufzüge des Typs Nanospace installierte, ein speziell für den Komplettaustausch konzipierter Aufzugtyp. Damit konnte das Wohn- und Geschäftshaus durchgehend barrierefrei erschlossen werden.
Ein Fall wie viele andere: Das Haus ist in die Jahre gekommen, soll modernisiert werden – und der Aufzug gleich mit, der mit Kinderwagen oder Rollstuhl kaum genutzt werden kann. Vor diesem Hintergrund entscheidet sich die Eigentümerin des Wohn- und Geschäftshauses in der Herrenberger Bahnhofstraße gemeinsam mit ihrem Architekten für den Nanospace, der speziell für den Komplettaustausch konzipiert ist. Er ermöglicht deutlich größere Kabinen in bestehenden Schächten.
Die Kabine ist größer
Tatsächlich wächst die Kabinenfläche gegenüber der Altanlage Baujahr 1977 um 41 Prozent von 1,06 auf 1,5 Quadratmeter. Zugleich verdoppelt sich die Beförderungskapazität von vier auf acht Personen, die statt mit 0,8 nun mit 1,0 Meter pro Sekunde transportiert werden können. Wichtiger aber ist der Raumgewinn: Die Kabinenbreite steigt von 100 auf 107, die Tiefe von 106 auf 140 Zentimeter. Die lichte Türbreite beträgt wie zuvor 80 Zentimeter. Damit erreicht die Kabine zwar nicht ganz die Vorgaben der Barrierefrei-Norm DIN EN 81-70. Dennoch kann sie nun von Rollstuhlfahrern genutzt werden. „Das ist vor allem für die Patienten der chirurgischen Praxis im ersten Obergeschoss wichtig“, sagt Architekt Eberhard Gutmann.
Doch auch die Bewohner der obersten Etage profitieren. Da der neue Aufzug keinen Maschinenraum mehr benötigt, kann dieser in eine Haltestelle umgewandelt und der Aufzug ins zweite Obergeschoss verlängert werden. Damit werden alle Etagen des Hauses barrierefrei erschlossen.
Technische Neuerungen
Die Konstruktion des Aufzugs weist grundlegende Neuerungen auf. Erstmals in der Aufzugtechnik werden Antrieb und Aufhängung getrennt: Gehalten wird die Kabine von Stahlseilen, bewegt aber wird sie von Zahnriemen, die auf der Unterseite des Fahrkorbs befestigt sind. Dabei erfolgt die Fahrbewegung immer über Zug: für die Abwärtsfahrt am Fahrkorb selbst, für die Aufwärtsfahrt an den Ausgleichsgewichten, die über die Stahlseile mit der Kabine verbunden sind.
Die Riemen selbst werden durch den Antrieb bewegt, der in der Schachtgrube platziert ist; seine Befestigung erfolgt indirekt über die Wandhalterungen der Führungsschienen. Damit können Geräuschbelästigungen minimiert oder ganz vermieden werden. Denn oft grenzen die Aufzugschächte in Altbauten mit ihren eher dünnen Wänden an Schlafzimmer und andere schutzbedürftige Räume.
Der Schaltschrank für die zugehörige Steuerungstechnik wird im Bereich der untersten Haltestelle installiert, zum Beispiel in einem angrenzenden Kellerraum. Damit entfällt, wie gesagt, der Maschinenraum.
Das aus Seilen und Riemen bestehende, daher „hybride“ Antriebssystem verbindet neben Kabine und Antrieb auch zwei Ausgleichsgewichte. Sie bewegen sich seitlich im Schacht und sind für die Traktion nicht notwendig. Diese wird bereits durch das Ineinandergreifen der Zahnriemen mit der Treibscheibe am Antrieb sichergestellt.
Obwohl doppelt vorhanden, nehmen die beiden Ausgleichsgewichte im Vergleich zum Gegengewicht wenig Raum ein. Das schafft Platz für größere Kabinen. So lautet die Faustformel: Schachtbreite minus 2 mal 150 Millimeter = Nanospace-Kabine. Die 2 mal 150 Millimeter werden für Ausgleichsgewichte, aber auch Schienen und Halterung benötigt. Eine weitere Optimierung ist nach Schachtaufmaß möglich.
Anderes wirkt sich ebenfalls raumsparend aus: der Wegfall des seitlich im Schacht platzierten Antriebs, dazu die Konstruktion der Schachttüren: Mit vier statt zwei Flügeln sind sie im geöffneten Zustand nur noch unwesentlich breiter als die Kabine.
Alles zusammengenommen ergibt sich rechnerisch eine bis zu 50 Prozent größere Kabine. Die konkreten Werte hängen vom jeweiligen Schachtquerschnitt ab, liegen aber, wie Herrenberg zeigt, in ähnlicher Größenordnung. Bei einer weiteren Anlage, die 2015 im Stuttgarter Hotel Astro installiert wurde, wuchs die Kabine um 37 Prozent. Auch sie ist damit barrierefrei – wiederum nicht nach Norm, aber in der praktischen Nutzung.
Noch in einem weiteren Punkt gleichen sich das Stuttgarter Hotel und das Haus in Herrenberg: Da das Gegengewicht der Altanlage gegenüber des Kabinenzugangs lag, wuchs die Kabinenfläche stärker in der Tiefe als in der Breite. Liegt das Gegengewicht der Altanlage hingegen seitlich, fällt der Zuwachs in der Breite größer aus.
Hohe Leistung
Der Nanospace, der Anfang 2014 erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, erschließt mit der maximalen Geschwindigkeit von 1 Meter/Sekunde und 240 bis 630 Kilogramm Nennlast bis zu 16 Haltestellen bei maximal 40 Metern Förderhöhe. Er kann als Zweiergruppe betrieben werden. Damit deckt er ein breites Spektrum von Anlagenmodernisierungen im Wohn- und Geschäftshaussegment ab. Das ist durchaus dringlich. Immerhin ist schätzungsweise mehr als die Hälfte aller Aufzüge in Deutschland älter als 20 Jahre und daher technisch überholt.
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