Gegen Naturgewalten wie das Hochwasser Anfang Juni 2013 oder die Überschwemmungen in den vergangenen Monaten ist man machtlos. Innerhalb kürzester Zeit werden Keller oder das Erdgeschoss überschwemmt, im schlimmsten Fall steht das Hochwasser bis unters Dach. Wenn Wasser erst einmal läuft, findet es immer einen Weg in poröse Materialien, Hohlräume und Öffnungen – durch Wände, Decken und Fußböden.
Neben dem schmerzlichen Verlust der Möbel, Einrichtungsgegenstände und persönlichen Dinge wird spätestens nach dem Ablauf des Wassers deutlich, dass auch die Bausubstanz starken Schaden genommen hat. Zurückgelassen werden durchfeuchtete, durchnässte und verschlammte Fußböden, Decken und Wände. Das Hochwasser hat zudem eine Vielzahl von Keimen im Gepäck gehabt und als mikrobiellen Belag zurückgelassen. Aus diesem Grund müssen bei der Sanierung von hochwassergeschädigten Gebäuden eine Vielzahl an Aspekten beachtet werden. Häufig wird sich hierbei nur auf die Trocknung konzentriert. In dem nachfolgenden Beitrag wird aufgezeigt, dass das Risikopotenzial jedoch zum Teil deutlich umfangreicher ist und eine umfassende und fachlich versierte Einschätzung der Situation elementare Grundvoraussetzung für eine nachhaltige Sanierung darstellt.
Es geht um mehr als nur durchnässte Baustoffe
Wie man Hochwassergeschädigte Gebäude „richtig“ saniert, wird in der Fachliteratur kaum beschrieben. Einer der Gründe hierfür ist zum einen, dass das Problem zu selten vorkommt und zum anderen Erfahrungen aus der Wasserschadensanierung vorliegen. Aber Vorsicht: Die massive Durchfeuchtung ganzer Gebäudekonstruktionen und über einen längeren Zeitraum kann mit Überflutungen nach starken Regenfällen und/oder Leitungswasserschäden nicht verglichen werden. Bei Hochwasser wirken große Kräfte, die zu einem Auftrieb von Gebäuden führen können. Wird die Auftriebskraft größer als die Summe aller Gebäudelasten, schwimmt das Gebäude im ungünstigsten Fall auf, was zu statischen Problemen an der Gebäudegründung oder innerhalb der Konstruktion führen kann. Im schlimmsten Fall droht der Totalverlust. Befinden sich Gebäude direkt am hochwasserführenden Fluss, kommt eine zusätzliche Belastung der Gebäude durch die Gewässerströmung hinzu. Gerade kleinere Gebäude mit einer geringen Gründungstiefe oder in erosionsgefährdeten Böden können dann mitgerissen und zum Einsturz gebracht werden. Treibgut im Hochwasser kann die Situation zusätzlich verschärfen und auch größere Gebäude an ihre Grenzen führen. Das Unter- oder Ausspülen von Gebäuden kann zu Hohlräumen und infolgedessen zu Setzungen führen.
Des Weiteren muss beachtet werden, dass Baustoffe und Bauteile, die im erdberührten Bereich ausgeführt werden, für eine dauerhafte Feuchtebelastung ausgelegt sind. Baustoffe und Bauteile oberhalb dieses Bereichs, also in der Fassade oder im Erdgeschoss, sind dies eben nicht, da hierfür keine Notwendigkeit besteht. Infolgedessen reagieren die dort verwendeten Materialien anders auf eine starke Durchfeuchtung. Einige Baustoffe sind nicht einmal für eine kurzzeitige Durchfeuchtung ausgelegt, geschweige denn für eine massive oder längere Durchfeuchtung. Dementsprechend muss man unterscheiden zwischen Baustoffen, die stark durchfeuchtet sind und einfach getrocknet werden können, und denen, die kaum oder nur sehr schwer und über einen längeren Zeitraum getrocknet werden müssen. Andere sind so beschädigt, dass sie einfach rückgebaut und entsorgt werden.
Mit dem Wasser kommen Pestizide, Chemikalien und Co
Außerdem hinterlässt das Hochwasser eine starke Verschmutzung unbekannter Herkunft und Zusammensetzung. Ein Punkt, der bei zu schneller Sanierung langfristige Folgen für die Bewohner haben kann. Bereits 2002 beim Hochwasser warnte das Umweltbundesamt in einer Pressemeldung: „Mit dem Hochwasser kommen die Keime.“ Eine Aussage, die an Aktualität und Bedeutung nichts verloren hat und aufzeigt, dass die Trocknung nasser Häuser auch unter mikrobiellen Gesichtspunkten gesehen werden muss. Schließlich überschwemmt das Hochwasser auch landwirtschaftliche Felder und wäscht Pestizide, Herbizide und Fungizide aus. Außerdem werden Fäkalien aus überschwemmten Kläranlagen, Toilettenanlagen und Tierställen mitgeführt wie auch Keime aus Abwasserleitungen oder mitgeführten Tierkadaver. Hinzu kommen Chemikalien aus überschwemmten Industrieanlagen sowie Heizöle und Kraftstoff aus Kellern, Garagen, Heizungsanlagen, Tankstellen und dergleichen.
Zusammengefasst müssen physikalische, chemische und mikrobiologische Schadensprozesse betrachtet und beachtet werden, die – und das macht die richtige Vorgehensweise so schwierig – sowohl bei zu schneller Sanierung als auch zu langem Warten auftreten können. Deshalb sind eine differenzierte Schadensanalyse und das Erstellen eines Sanierungskonzepts unerlässlich.
Schadensprozesse überlagern sich
Die physikalischen Schadensprozesse sind auf das Quellverhalten vieler Materialien beziehungsweise irreversibler Verformungen zurückzuführen und setzen in der Regel sofort ein. Die Folge sind Zugspannungen, die zu Rissen oder Abplatzungen und Ablösungserscheinungen führen. Bei Holz (Parkett, Schwingböden, Paneele, Türen, Möbel) sind solche Schäden besonders gravierend. Schon in den ersten Tagen nach dem Schadenseintritt können irreparable Schäden auftreten.
Chemische Schadensprozesse sind stark abhängig von der Art des betroffenen Materials. Die Stahlkorrosion nimmt bei Anwesenheit von Schadstoffen ab einer relativen Luftfeuchtigkeit von 65 Prozent exponentiell zu. Die Zersetzung von Teppich- und Papierklebern etc. setzt bereits nach wenigen Stunden ein und verursacht irreparable Schäden. Anhydrid, Gips und gipshaltige Baustoffe dekristallisieren schon nach wenigen Tagen, wodurch sie ihre Festigkeit verlieren. Da diese Baustoffe ohnehin keine Wasserfestigkeit aufweisen, müssen sie im Rahmen der Sanierung ausgebaut werden. Ausblühungen hingegen treten oft erst Wochen oder Monate nach der Trocknung auf. Bei Holzwerkstoffen kann die Durchfeuchtung gegebenenfalls zur verstärkten Freisetzung von Formaldehyd führen. Aus durchfeuchteten Klebern und Dämmstoffen können VOC (Volatile Organic Compounds) freigesetzt werden.
Wasser unter dem Estrich verlangt Spezialtrocknung
Ein besonderes Problem sind Parkettböden. Bei diesen Belägen ist zu klären, ob sie mit dem Untergrund verklebt sind. Schwimmend verlegte Mehrschichtplatten sind gesondert zu bewerten. Bei geklebten Parkettböden ist konstruktionsbedingt durch die technische Bautrocknung mit Abrissfugen zu rechnen, sodass die Funktionstauglichkeit der Böden nicht mehr gegeben ist. Bei einem schwimmend verlegten Bodenaufbau sind feuchtigkeitsbedingte irreversible Verformungen (Schüsselungen) deutlich stärker ausgeprägt als bei einem vollflächig verklebten. Eine Sanierung des Bodens ist auch bei intakter Nut-und-Feder-Verbindung in der Regel nicht mehr möglich. In dem Fall kommt nur ein kompletter Rückbau infrage. Bei stehendem Wasser wölben sich Parkettböden auf und zeigen erhebliche Quellerscheinungen. Weist der Estrich Risse und/oder eine weiche Oberfläche auf, muss der komplette Estrichaufbau entfernt werden.
Das Hauptproblem bei einem Wasserschaden besteht darin, dass nicht nur die Oberfläche durchfeuchtet ist, sondern zum Beispiel auch die Dämmschicht unter dem Estrich. Wasser, das unter die Dämmschicht eingedrungen ist und sich dort verteilt hat, kann auf normalem Wege nicht austrocknen, sodass eine spezielle Dämmschichttrocknung erforderlich ist. Besonders problematisch sind Hohlräume und schwimmender Estrich, weil eine Durchfeuchtung in diesem Bereich zur Ansammlung von stehendem Wasser führt, das sich unter der Dämmschicht ausbreiten kann. Das Problem besteht darin, dass die Ansiedlung und das Auskeimen von Mikroorganismen meist unbemerkt bleiben und erst sehr viel später erkannt werden. Gleiches gilt, wenn beispielsweise ein Wärmedämm-Verbundsystem hinterfeuchtet wurde. Je nachdem, ob eine mineralische Verklebung oder ein Dispersions- oder PU-Harzkleber verwendet wurde, muss das WDVS komplett rückgebaut werden. Diese Unterscheidung muss auch je Dämmstoff vorgenommen werden.
Technische Bautrocknung
Grundsätzlich sind bei der technischen Bautrocknung zwei wichtige Aspekte zu beachten: Zum einen handelt es sich in den seltensten Fällen um kompakte, homogene Baustoffe, die zu trocknen sind, sondern um miteinander verbaute Verbundbaustoffe, deren Komponenten in der Regel ein unterschiedliches Wasseraufnahme- und Austrocknungsverhalten haben. Aufgrund der unterschiedlichen Materialeigenschaften können im Verbundbaustoff durch behinderte Schrumpf- und Schwindvorgänge Spannungen induziert werden, die zu Rissen, Abplatzungen und Ablösungen führen können. Dies bedeutet: Selbst wenn eine Trocknung sichergestellt werden kann, ist nicht auszuschließen, dass als Folgeerscheinungen nachgelagerte Bauschäden auftreten können.
Schimmelpilze und Bakterien werden oft sowohl in ihrer Ausbreitungsgeschwindigkeit als auch in ihren Konsequenzen unterschätzt. Die Folgen der durch Mikroorganismen verursachten biologischen Schadensprozesse reichen einerseits von optischen Beeinträchtigungen bis zur vollständigen Materialzerstörung und andererseits von Geruchsbelästigungen bis zu ernsthaften gesundheitlichen Problemen. Die Entwicklung von Schimmelpilzbefall beginnt anfangs unsichtbar schon nach rund 36 bis 48 Stunden. Wärme und erhöhte Luftfeuchtigkeit können diesen Prozess erheblich beschleunigen. Nicht entdeckte und beseitigte Materialfeuchtigkeit bereitet zusätzlich den Nährboden für einen späteren Schädlingsbefall. Biologische Schadensprozesse können in Abhängigkeit von zahlreichen Faktoren wie zum Beispiel Feuchtigkeit, Temperatur, pH-Wert, Nährstoffangebote auch auf der Oberfläche von anorganischen Stoffen einsetzen. Die oft geäußerte Aussage, dass nur organische Stoffe von Schimmelpilz- und Bakterienbefall betroffen sein können, ist demzufolge unzutreffend.
Lesen Sie auf » Seite 2
- Sanierung hängt vom Baustoff ab
- Fertigteilhäuser erleiden oftmals Totalschaden
- Ablauf der Sanierung