Niederschlagsgebühren und Baugenehmigungen nötigen Haus- und Grundstücksbesitzer zunehmend, das anfallende Regenwasser vor Ort zu bewirtschaften. Ziel ist, von den natürlichen Verhältnissen, wie sie vor der Bebauung waren, nicht mehr als 10 Prozent abzuweichen. Als Voraussetzung gehört dazu, dass die infrage kommenden Maßnahmen technisch und finanziell angemessen sind. Verfahren, Produkte und technische Regeln sind ausreichend vorhanden.
Das genannte und im Wasserhaushaltsgesetz 2009 definierte Ziel zu erreichen und den natürlichen Verhältnissen weitgehend zu entsprechen, setzt Kenntnis der Situation am jeweiligen Ort voraus. In der Regel kümmern sich die Verantwortlichen von Bebauungsplänen darum und machen Vorgaben – sogenannte Festsetzungen. Alternativ gibt es für Bund, Länder und Gemeinden auch die Möglichkeit, Zwang durch Belohnung zu ersetzen. Das heißt aber, finanzielle Mittel bereitzustellen und ein Förderprogramm mit klaren Bedingungen aufzulegen. Als indirekte Förderung gilt die Ermäßigung von örtlichen Niederschlagsgebühren – wenn bestimmte, in der jeweiligen Gemeinde erwünschte Maßnahmen des Regenwassermanagements realisiert werden.
Ein Ziel – viele Möglichkeiten
Alle Komponenten des Regenwassermanagements, in der Summe auch Regenwasserbewirtschaftung genannt, lassen sich in drei Gruppen einteilen:
- Die Verdunstung: Regenwasser bewegt sich bei Änderung seines Aggregatzustands nach oben und bildet Luftfeuchtigkeit, Kondensat, Verdunstungskühlung, Wolken, Niederschläge. Beispiel einer solchen Verdunstungsmaßnahme ist neben der Fassaden- vor allem die Dachbegrünung. In der extensiven Version, pflegeleicht mit 8 bis 10 Zentimetern Substrat, werden durchschnittlich 50 Prozent der auftreffenden Niederschläge verdunstet. Als Intensivbegrünung mit mehr als 20 Zentimetern Substrat sind es sogar 70 bis 95 Prozent.
- Der verzögerte Oberflächenabfluss: Regenwasser bewegt sich in Richtung von Rinnsalen, Bächen und Flüssen. Dies sollte mit zeitlicher Verzögerung erfolgen, um Hochwasser zu vermeiden. Beispiel einer solchen Verzögerungsmaßnahme ist die Regenwassernutzung, also das Sammeln in Regenspeichern und Nutzen für Toilettenspülung oder Waschmaschine. Das Regenwasser nimmt dann den Umweg über Speicher, Abwasserkanalisation und Kläranlage zum Fluss.
- Die Versickerung: Regenwasser wird vom Boden aufgenommen und bewegt sich in Richtung Grundwasser. Oder es speist eine Quelle beziehungsweise bildet unterirdische Rinnsale, die gelegentlich in Baugruben zutage treten und als Schichtenwasser bekannt sind. Beispiel einer solchen Versickerungsmaßnahme ist neben der bewachsenen Sickermulde der wasserdurchlässige Flächenbelag.
Ortstypische Einschränkungen
Die Realität besteht aus Mischformen dieser drei Gruppen. Jede Landschaft, jede Region hat andere klimatische, geografische und geologische Besonderheiten, sodass die angemessene Form des Regenwassermanagements von Ort zu Ort unterschiedlich sein muss. In Deutschland wurden in den letzten 25 Jahren viele Möglichkeiten entwickelt und erfolgreich erprobt. So kann festgestellt werden, dass es kaum einen Landstrich oder ein Siedlungsgebiet gibt, in dem Regenwasserbewirtschaftung nicht möglich ist. Innerhalb einer Region müssen allerdings Kompromisse bei der Auswahl der angemessenen Methoden gemacht werden – je nach Art der Topografie, Flächengröße und Grundstücksnutzung:
- Wohnbebauung in Hanglage: Hier scheidet die Versickerung im Privatgarten aus, wenn Gefahr besteht, dass das Wasser bei Unterliegern wieder zutage treten könnte. Dachbegrünung und/oder Regenwassernutzung sind machbar.
- Bestandsgebäude in historischer Altstadt: Hier scheidet die Dachbegrünung wegen Denkmalschutz beziehungsweise zu steilen Dachneigungen aus. Die Kombination Regenwassernutzung und Versickerung des Speicherüberlaufs können im Zuge einer Modernisierung unter Umständen ermöglicht werden.
- Verkehrs- und Gewerbeflächen mit Potenzial an wassergefährdenden Stoffen: Hier muss vor der Versickerung die Oberflächenentwässerung mit einer technischen Regenwasserbehandlung kombiniert werden. Unabhängig davon sind an Gebäuden Dachbegrünung und Regenwassernutzung möglich.
Das Los großer Liegenschaften
Der Paradigmenwechsel weg vom Kanalanschluss, hin zu einer dezentralen Regenwasserbewirtschaftung, also Regenwassermanagement auf den Grundstücken oder in unmittelbarer Nähe davon, kam für viele überraschend. Industrie- und Gewerbebetriebe sowie Kirchengemeinden und Vereine mit großen Liegenschaften gehören zu den am stärksten Betroffenen. Sie gelten neben den Kommunen mit ihren großen öffentlichen Flächen und Gebäuden als hauptsächliche Verursacher der Regenabflüsse in die Kanalisation, jedoch zugleich auch als Leidtragende der in den letzten Jahren eingeführten Niederschlagsgebühr.
Diese Gebühr ist aber keine Zusatzeinnahme für die Kommunen, denn die Schmutzwassergebühr wurde als Ausgleich gesenkt. Wie viel kassiert werden darf, bestimmt das Kommunalabgabengesetz. Tatsächliche Kosten müssen regelmäßig festgestellt und durch die insgesamt vorhandenen versiegelten Flächen geteilt werden, sofern diese am Kanal angeschlossen sind. Es geht hier um Gerechtigkeit – eine Forderung, resultierend aus Urteilen der Verwaltungsgerichtshöfe beziehungsweise Oberverwaltungsgerichte der Bundesländer. Wer Regenwasser ableitet, bezahlt nun verursachergerecht wie bei Schmutzwasser auch. Und bei Neubauvorhaben wird die Ableitung von Regenwasser ohnehin per Baugenehmigung untersagt oder eingeschränkt. Grundlage dafür sind die novellierten Landeswassergesetze, auf Basis des deutschen Wasserhaushaltsgesetzes (WHG 2009). Alle Haus- und Grundbesitzer haben durch diese Änderungen also über kurz oder lang Anlass, ihr Regenwasser vor Ort zu bewirtschaften.
Aktuelle Regelwerke
Das Ziel muss sein, 100 Prozent Niederschlagswasser auf den Grundstücken zu bewirtschaften. In der Praxis wird oftmals voreilig behauptet, es funktioniere im speziellen Fall nicht. Doch selbst in schwierigen Situationen können in bestimmtem Umfang „maßgeschneiderte“ Kombinationen aus Verdunstung, Nutzung und Versickerung realisiert werden. Die Regeln der Technik dazu sind vorhanden und aufeinander abgestimmt:
- Verdunstung: FLL-Dachbegrünungs- Richtlinie, März 2008
- Nutzung: DIN 1989-1, April 2002
- Versickerung: DWA-A 138, April 2005 (außerhalb von Verkehrsflächen) und FGSV MVV R2, 2013 (innerhalb von Verkehrsflächen)
- Behandlung: DWA-M 153, August 2012
Synergie bei Fotovoltaik und Verdunstung
Wer auf Dachflächen durch Fotovoltaik Strom erzeugen möchte, sollte wissen, dass die Stromausbeute sich erhöht, wenn die Umgebung bei gleicher Einstrahlung möglichst kühl ist. Man wird also den Verdunstungsprozess des Gründachs nutzen, um den Ertrag zu steigern. Die Kombination Fotovoltaik und Dachbegrünung wurde schon vielfach umgesetzt, oft mit auflastgehaltenen Trägersystemen, um Dachdurchdringen zu vermeiden.
Kombiniert verdunsten, Gründach und offene Wasserfläche
Wenn sich der Untergrund für Versickerung nicht eignet, kann der Abfluss durch begrünte Dachflächen minimiert und der gelegentliche Überlauf des Dachs in attraktiv gestalteten offenen Wasserflächen verdunstet werden. Beispiele sind das Debis-Areal am Potsdamer Platz in Berlin und das Bürohausquartier der Nürnberger Versicherung in Nürnberg. Beim Institut für Physik der Humboldt Universität zu Berlin auf dem Campus Adlershof wird der Dachabfluss im Regenspeicher gesammelt und daraus die (das Gebäude im Sommer beschattende und durch Verdunstung kühlende) Fassadenbegrünung bewässert.
Fazit
Durch die Verknüpfung modularer Bautechnik mit naturnahen Verfahren wird das Regenwassermanagement eine selbstverständliche Komponente unserer gebauten Umwelt – in der Verkehrs- und Siedlungsplanung ebenso wie auf dem privaten Grundstück.
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[tab title=“Der Autor“]Klaus W. König
Diplom-Ingenieur Klaus W. König lebt in Überlingen am Bodensee. Er ist Fachjournalist sowie von der Industrie- und Handelskammer Bodensee-Oberschwaben öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Bewirtschaftung und Nutzung von Regenwasser. Klaus W. König ist Mitarbeiter im DIN-Ausschuss NA 119-05-08 AA Wasserrecycling/ Regenwasser- und Grauwassernutzung. Seit 2006 lehrt er Regenwasserbewirtschaftung in englischer Sprache an der Hochschule Reutlingen (ESB Business School) und seit 2011 an der Universität Stuttgart.[/tab]
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Die Literatur
König, K. W.: Ratgeber Regenwasser, für Kommunen und Planungsbüros. Rückhalten, Nutzen, Versickern und Behandeln von Regenwasser. Herausgeber: Mall GmbH, Donaueschingen, 6. Auflage, 2016 Konzepte der Regenwasserbewirtschaftung. Gebäudebegrünung, Gebäudekühlung. Leitfaden für Planung, Bau, Betrieb und Wartung. Broschüre, 1. Auflage. Herausgeber: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin, 2010 |