Bei der Gebäudesanierung des „Alten Zollhauses“ in Hamburg wurden professionelle Sturmsicherung am komplexen Steildach und Auflagen des Denkmalsschutzes vorbildlich aufeinander abgestimmt.
Das Quartier Brooktorkai/Ericus in Hamburg zeichnet sich durch sein maritimes Flair aus. Es wird von historischen Backsteinbauten der Speicherstadt, dem Brooktorhafen und dem Verbindungskanal zum Holländischbrookfleet eingerahmt. Heute prägen die moderne Architektur des Gebäudes der Verlagsgruppe Spiegel und das Enricus-Contor – beide geplant von Henning Larsen Architects (Kopenhagen) – städtebaulich die Ericusspitze. Allein der historische rote Backsteinbau des „Alten Zollamtes“, erbaut 1910, mit der angrenzenden denkmalgeschützten Ericusbrücke von 1870 lässt erahnen, dass hier vormals der maritime Zugang zur damaligen Speicherstadt war. Optisch stellt der Backsteinbau einen interessanten Kontrast zu der gläsernen Kulissenarchitektur des Ericus-Contor dar. Hier wird die städtebauliche und architektonische Entwicklung zwischen 1900 und 2015 anschaulich sichtbar.
Gebäudesanierung unter Vorgaben des Denkmalschutzes
Das Quartier am Ericus ist durch seine Lage zwischen Speicherstadt und Innenstadt als Unternehmensstandort besonders beliebt. Daher entschied sich der Eigentümer der Immobilie „Altes Zollamt“ das unter Denkmalschutz stehende Gebäude grundlegend zu sanieren und innen entsprechend technisch und räumlich anzupassen. Dabei durften sowohl die Backstein- wie auch die Dacharchitektur optisch nicht verändert werden. Auch mussten die gültigen Bauvorschriften, Normen und EnEV bezüglich des Schall- und Wärmeschutzes sowie der Windsogsicherung vom beauftragten Planer, dem Büro HS-Architekten, Hamburg, beachtet werden.
Sanierung der Dachfläche
Die aus mehreren kleinflächigen Walm- und Satteldächern zusammengesetzte Dachfläche dokumentiert die bei Gebäuden um 1900 übliche Architekturauffassung einer hochwertigen Immobilie – mit ein Grund, warum das Gebäude unter Denkmalschutz steht. Die Dachsanierung des „Alten Zollamt“ wurde von Jörg Bartels Holzbau aus Bothel ausgeführt.
„Die Ausführung der Dacheindeckung stellte besonders hohe handwerkliche Anforderungen an die Ausführung“, so Zimmermeister Jörg Bartels, „zumal aufgrund der neun Kleindachflächen mit unterschiedlicher Dachneigung zahlreiche Grate und Kehlen vorhanden sind.“ Denn auch bei unter Denkmalschutz stehenden Gebäuden müssen Bauvorschriften und Normung entsprechend berücksichtigt werden. Das gilt insbesondere bei der Windsogsicherung von Dachflächen, wie sie nicht nur entsprechend dem Stand der Technik den Richtlinien des Deutschen Dachdeckerhandwerks (ZVDH), sondern auch den Forderungen der Versicherungswirtschaft bei Gebäudeversicherungen entsprechen muss. Denn Gebäudeschäden durch Stürme nehmen zu, das haben nicht nur die Starkstürme im Sommer 2015 in Deutschland gezeigt, sondern auch eine Analyse von Sachschäden der Allianz für das Jahr 2013 belegt. Generell geht die Versicherungswirtschaft davon aus, dass in den kommenden 50 Jahren die bei Naturkatastrophen verursachten Schäden mit durch Starkstürme verursacht werden. Bei nicht vorhandener oder fehlerhaft ausgeführter Windsogsicherung der Dachfläche kann im Schadensfall eine Versicherung die Schadensregulierung abweisen.
Windsogberechnung
In Abhängigkeit von der Gebäudelage (in Deutschland gemäß Windzonenkarte), der Dachform und dem Eindeckmaterial muss grundsätzlich eine objekt- und produktabhängige Windsogberechnung durchgeführt werden. Die zirka 450 Quadratmeter große, neu einzudeckende Dachfläche des „Alten Zollamtes“ hat unterschiedliche Dachneigungen zwischen 44 Grad und 61 Grad sowie unterschiedliche Dachformen. Für die Dachsanierung wurden zunächst alle Objektdaten vom Dachdecker in einem Erfassungsbogen eingetragen. Der Sturmklammerhersteller Friedrich Ossenberg-Schule (FOS) ließ gemäß den genannten Daten eine statische Windsogberechnung nach DIN EN 1991-1-4: 20112-12 erstellen.
Entsprechend den geografischen Daten liegt das Baugebiet HafenCity Hamburg in der Windzone 2 Binnenland. Die genannten Werte der Einzelfallberechnung sind nur für das angegebene Deckmaterial Dachziegel Geradschnitt „Altstadt Vario“ von Meyer-Holsen und die dort genannte Sturmklammer FOS 456015 von Friedrich Ossenberg-Schule anwendbar. Werden andere Deckmaterialien oder Sturmklammern verarbeitet, muss dafür immer eine neue statische Berechnung erstellt werden.
Basis der Einzelfallberechnung waren die Angaben der Jörg Bartels Holzbau GmbH: Dachdeckung auf Brettschalung, Unterlagsbahn mit Meyer-Holsen Dachziegel Geradschnitt „Altstadt Vario“ auf Lattung 40 x 60 mm NH C24 (S 10), unterschiedliche Kleindachflächen 1. Hauptdach Walm mit 56 Grad, 2. Hauptdach Satteldach mit 61 Grad und 3. Nebendach Walm mit 50 Grad Neigung. Die Firsthöhen liegen zwischen 24,59 m und 25,70 m. Die genauen Angaben des Dachdeckers sind deshalb wichtig, weil die Berechnung nur für die genannten Komponenten (Dachneigung, Deckmaterial und Sturmklammer) der Ausführung gilt. Das Zusammenspiel der Einzelkomponenten ergibt das zur Dacheindeckung notwendige Windsogsicherungssystem. Dafür notwendig ist eine Systemprüfung nach DIN EN 14437, bei der die Kombination der Komponenten getestet wird.
Die Berechnung für die Neueindeckung der Dachfläche „Altes Zollamt“, Hamburg, ergab eine Sturmklammer FOS 456015, womit jeder Dachziegel geklammert wird. Dabei wurden bei den Graten und Kehlen die geklammerten Ziegel dicht an die Kehle beziehungsweise den Grat herangeführt, wodurch die kleinformatigen Schnittstücke mit gesichert sind. „Die Verarbeitung der Sturmklammern ist sehr wirtschaftlich“, so Jörg Bartels, „besonders die Verlegung an den großen Fledermausgauben lässt sich gut ausführen.“
Fazit
Die Sanierung von denkmalgeschützten Gebäuden ist nicht nur finanziell, sondern auch technisch recht aufwendig. Manchmal können die gesetzlich vorgeschriebenen bautechnischen Normen und Verordnungen nicht ausgeführt werden, weil die Denkmalschutzbehörde beispielsweise den Forderungen der EnEV widerspricht. Ein Grund mit, warum Planer und Handwerker sich frühzeitig mit dieser Behörde abstimmen sollten.
Das „Alte Zollamt“ in Hamburg ist davon nicht betroffen, da alle Beteiligten die Bauausführung frühzeitig abgestimmt haben: Behörde, Planer beziehungsweise Bauleiter, Klammerhersteller FOS und Handwerker. So ist das unter Denkmalschutz stehende Gebäude nicht nur gegen Witterungseinflüsse gerüstet, sondern das Dach auch gegen Starkstürme bautechnisch gesichert.
Bautafel: Umbau und Sanierung des denkmalgeschützten „Alten Zollamtes“, Hamburg |
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Bauherr | Niantic Grundstücksverwaltung, Hamburg |
Planung | HS-Architekten, Hamburg |
Dachdecker | Jörg Bartels Holzbau GmbH, Bothel |
System Windsogsicherung | Friedrich Ossenberg-Schule GmbH + Co.KG (FOS), Hemer |
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[tab title=“Der Autor“]Hans Jürgen Krolkiewicz
berat. Ing. BDB, Fachjournalist DJV
Mozartstr. 20, D-50674 Köln[/tab]
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