Die aktuelle juristische Diskussion um Legionellen im Trinkwasser wird durch folgende Urteile bestimmt: Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 6. Mai 2015 (VIII ZR 161/14), besprochen in » Der ImmobilienVerwalter 4/2015, Seite 12, zur Haftung des Vermieters beim Tod des Mieters durch eine Legionelleninfektion für Schadensersatz und Schmerzensgeld und Urteil des Landgerichts (LG) Mannheim vom 23. Oktober 2014 (3 O 17/14), besprochen in » Der Immobilien-Verwalter 2/2015, Seite 13, zur Unzulässigkeit einer Rohrinnensanierung durch Epoxidharz wegen der damit verbundenen Gesundheitsgefahr (Berufung beim Oberlandesgericht – OLG – Karlsruhe). Darüber beschäftigen sich die Gerichte mit weiteren Detailfragen zu Legionellen im Miet- und Wohnungseigentumsrecht.
Die Bedeutung des Grenzwerts für den Mietmangel
In einem Verfahren vor dem Amtsgericht (AG) München, Urteil vom 26. Juni 2014 (452 C 2212/14) ging es beim Streit um die Zulässigkeit einer Mietminderung durch den Mieter um die Frage, ab welcher Konzentration von Legionellen eine Mietminderung berechtigt ist. Die Hausverwaltung hatte zwar vor der Mietminderung durch den Mieter mitgeteilt, dass bei einer Untersuchung der zulässige „Grenzwert“ (richtigerweise: Maßnahmewert) überschritten worden sei. Tatsächlich wurde aber nur an einer anderen Entnahmestelle und nicht in der Wohnung des Mieters ein Legionellenbefall von 1700 kbE (kolonienbildende Einheiten)/100 Milliliter festgestellt, während der Grenzwert bei 10000 kbE/100 Milliliter liegt. Ab 100 kbE/100 Milliliter sind lediglich technische Maßnahmen zu treffen, um die Legionellenkonzentration zu vermindern.
Angesichts dieses Unterschieds zwischen den beiden Konzentrationen und der Tatsache, dass der Grenzwert wissenschaftlich abgesichert ist, konnte sich der Mieter nicht auf eine bloße Gefahr für seine Gesundheit berufen, die in anderen Fällen bei Umweltgiften für einen Mietmangel ausreicht. Ein solcher Fall liegt nur dann vor, wenn keine gesicherten Grenzwerte vorliegen und mit einer Gesundheitsgefährdung ernsthaft zu rechnen ist, die nicht außerhalb der Wahrscheinlichkeit liegt. In diesem Zusammenhang wird in diesem Urteil wie regelmäßig an anderer Stelle das Urteil des OLG Hamm vom 13. Februar 2002 (30 U 20/01) genannt. Das Gericht hatte entschieden, dass beim Vorhandensein von Asbeststaub in einem Kaufhaus auch bei wissenschaftlicher Ungewissheit über die für die menschliche Gesundheit maßgebliche Gefahrenschwelle allein schon die bei Asbest sicherlich gegebene mögliche Gesundheitsgefahr einen Mangel der Mietsache darstellt. Die rein subjektive Wahrnehmung einer Gefahr oder die Angst durch den Mieter reicht für einen Mangel nicht aus. Mit solchen Sachverhalten hat sich die Rechtsprechung in früheren Jahrzehnten beschäftigt, als häufiger als heute für einzelne Schadstoffe noch keine gesicherten Grenzwerte vorlagen.
Die Dauer der Mietminderung bei Legionellenbefall
Dem Urteil des AG Dresden vom 11. November 2013 (148 C 5153/13) lag folgender zeitlicher Ablauf zugrunde: 28. September 2012 Probenahme mit einer Konzentration von 14.000 kbE/100 Milliliter; 15. Oktober 2012 Mitteilung hierüber an den Vermieter und den Mieter; 16. Oktober 2012 Erklärung des Mieters über eine Mietminderung um 25 Prozent und Aufforderung zur Mängelbeseitigung; 19. Oktober 2012 Einbau eines Filters in den Duschkopf in der Wohnung des Mieters; 17. Dezember 2012 Probenahme mit einer Konzentration von 3700 kbE/100 Milliliter; 10. Januar 2013 Unterrichtung des Mieters über das Ergebnis der Probename und Ankündigung der Entfernung des Filters.
Der Mieter hielt eine Mietminderung um 25 Prozent vom 1. Januar 2012 bis zum 17. Dezember 2012 für gerechtfertigt, während der Vermieter einen Mangel nur für den Zeitraum vom 16. bis 19. Oktober 2012 annahm. Das AG bejahte die Mietminderung vom 15. Oktober (Kenntnis des Mieters von der Überschreitung des Grenzwerts) bis zum 17. Dezember 2012 (zweite Probenahme). Zunächst ist sicherlich richtig, dass der Einbau des Filters nicht auf sichere Weise die Gebrauchstauglichkeit wiederhergestellt hat. Hinsichtlich der Legionellengefahr braucht sich der Mieter nicht auf den Zustand der Mietsache im Bauzeitpunkt verweisen lassen (Gegenbeispiel hierzu: Trittschall, Fortentwicklung des Wohnstandards), sondern kann sich auf die veränderte Risikobeurteilung über Gesundheitsgefahren stützen.
Fraglich ist der Beginn der Mietminderung erst ab dem 15. Oktober 2012. Das AG stellte hierzu lediglich fest: Bei einer unerkannten Gefahr verwirklicht sich lediglich ein allgemeines Lebensrisiko. Denn zumindest seit der ersten Probenahme am 28. September 2012 stand der Mietmangel fest. Da die mietrechtliche Gewährleistung von Verschulden und deshalb auch von Kenntnis des Vermieters unabhängig ist, kommt es nur auf das objektive Vorliegen eines Mangels an. Wenn der Mieter die Miete bereits ab dem 1. Januar 2012 mindern wollte, hätte es bei der ihm hierzu obliegenden Beweislast eines Nachweises bedurft, dass die maßgebliche Legionellenkonzentration schon bereits zu diesem Zeitpunkt überschritten war. Hierzu hat der Mieter im Prozess offensichtlich nichts vortragen können. Sicherlich ist es zutreffend, dass die Mietminderung nicht erst mit der Mitteilung des Vermieters an den Mieter über die hohe Konzentration beginnt.
Dagegen ist, wie vom Gericht bejaht, die Beendigung der Mietminderung zum Zeitpunkt der zweiten Wasserentnahme (17. Dezember 2012) wegen der dabei festgestellten Konzentration unter dem Grenzwert zutreffend. Wie bereits dargelegt, kann auch die bloße Annahme einer Gesundheitsgefahr einen Mietmangel begründen, hier also bis zum 1. Januar 2013. Allerdings scheidet diese Möglichkeit angesichts des gesicherten Grenzwerts bei Legionellen aus.
Mietminderung bei Legionellenbefall
In einer Zahnarztpraxis kam es über einen Zeitraum von knapp vier Monaten zu einem Legionellenbefall an drei Entnahmestellen, darunter in zwei Behandlungsräumen. Für diesen Zeitraum billigte das Landgericht (LG) Stuttgart, Urteil vom 12. März 2015 (26 O 286/14), dem Mieter eine Mietminderung in Höhe von 50 Prozent zu. Für den Zeitraum von zwei Monaten danach wurden zwar nach einem abschließenden Prüfbericht keine Grenzwerte mehr erreicht. Es wurden aber weiterhin an drei Entnahmestellen, darunter einem Behandlungsraum, Legionellen festgestellt. Aus diesem Grund und weil die Prüfberichte nicht widerspruchsfrei waren – unter anderem traten nach dem abschließenden Bericht Legionellen an einer zuvor schadstofffreien Stelle auf – hat das LG für diesen Zeitraum eine Mietminderung wegen einer latenten Gefahr von 20 Prozent anerkannt.
Dies widerspricht zwar den bereits genannten Grundsätzen zum Vorliegen der Gefahr oder eines Gefahrenverdachts, ist aber aus der langen Leidensgeschichte des Mieters bei der Auseinandersetzung wegen der Legionellen im Einzelfall verständlich. Da der Vermieter auf die Mängelanzeige und die Fristsetzung des Mieters nicht in angemessener Frist reagiert hat, war auch die fristlose Kündigung des Mieters wirksam.
Die Kostenverteilung unter Wohnungseigentümern
Die Trinkwasser-Verordnung (TrinkwasserV) sieht in Paragraf 16 bei einer Neuinstallation Anzeige- und beim Überschreiten von Gefährdungsschwellen Handlungspflichten und in Paragraf 14 laufende Untersuchungspflichten vor, deren Zeitintervall durch die Änderungsverordnung vom 5. Februar 2012 geändert wurde. Aufgrund der tatbestandlichen Voraussetzungen in Paragraf 14, unter anderem eine gewerbliche Tätigkeit, wurde bisher nur auf der Ebene der Amtsgerichte und in der Literatur die Frage unterschiedlich beantwortet, ob die Kosten der regelmäßigen Legionellenuntersuchung nur den Wohnungseigentümern auferlegt werden können, die ihre Wohnung vermieten. Ausgangspunkt ist die Zuständigkeit des Verbands nach Paragraf 10 Absatz 6, Seite 3 WEG, da die Versorgungsleitungen innerhalb eines Gebäudes eine Einheit bilden, auch wenn einzelne Leitungsteile an den Entnahmestellen im Sondereigentum stehen.
Die Freiheit von Legionellen in Leitungen im Gemeinschaftseigentum nützt auch dem Sondereigentümer. In Paragraf 16 wird die genannte Pflicht nur an den Unternehmer oder Inhaber angeknüpft. Daher stellt sich die Frage hier nicht wie bei Paragraf 14. Für die praktische Handhabung spricht der Gleichlauf der Pflichten bei der Gemeinschaft in beiden Fällen. Für die Heranziehung nur der vermietenden Wohnungseigentümer wurde vorgebracht, dass nur durch diese die Pflichten aus Paragraf 14 TrinkwasserV begründet werden und die anfallenden Kosten auf den Mieter umgelegt werden können. Dies ist zwar für die laufenden Untersuchungen möglich, nicht aber für die Kosten der Erstinstallation und die Anzeige an die Behörde.
Nach dem Urteil des AG Heiligenstadt vom 20. Dezember 2013 (3 C 331/13) konnte ein betroffener Vermieter unter den Wohnungseigentümern den Beschluss der Gemeinschaft erfolgreich anfechten, nach dem die Kosten der Legionellenuntersuchung allein den Vermietern unter den Eigentümern auferlegt werden sollten. In einem Eilverfahren hat der Verwaltungsgerichtshof München, Beschluss vom 29. September 2014 (20 CS 14. 1663), die durch einen erhöhten Legionellenbefall ausgelöste Sanierungsanordnung an eine Wohnungseigentümergemeinschaft gebilligt, auch wenn die Maßnahmen teilweise das Sondereigentum betrafen. Aus dem Sachverhalt der Entscheidung ergibt sich, dass die Wohnungen teilweise vermietet worden waren. Das Gericht stellt ebenfalls auf die Beschlusskompetenz der Gemeinschaft aus Paragraf 10, Absatz 6, WEG ab.
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[tab title=“Der Autor“]Dr. Hellmuth Mohr
Rechtsanwalt, Stuttgart[/tab]
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