Mit der umfassenden energetischen Modernisierung des denkmalgeschützten Glaßbrennerblocks in Prenzlauer Berg setzt die Gewobag Wohnungsbau-Aktiengesellschaft Berlin neue Maßstäbe. Aus einem Gebäudeensemble mit Geschichte ist eine Wohnanlage mit Zukunft entstanden, deren nachhaltige Sanierung eine deutliche Senkung der Energiekosten, aber keine unverhältnismäßige Mieterhöhung zur Folge hatte. So sind die meisten Mieter geblieben.
Werteorientierte Unternehmensphilosophie
Die Gewobag Wohnungsbau-Aktiengesellschaft Berlin wurde 1919 gegründet und ist eine der sechs kommunalen Wohnungsbaugesellschaften des Lands Berlin. In seinen über neun Jahrzehnten Bautätigkeit erarbeitete das Wohnungsunternehmen neue städtebauliche Leitbilder und Stadtentwicklungskonzepte. Als Sanierungsträger erfüllt die Gewobag öffentliche Aufgaben der Stadt Berlin und verwirklicht Ziele der behutsamen Stadterneuerung. Zum Gewobag-Konzern gehören neben der Gewobag sechs Tochtergesellschaften. Alle zusammen bieten den kompletten Service rund um die Immobilie, vom Verkauf von Eigentumsobjekten in verschiedenen Lagen, der Verwaltung von Eigentumsimmobilien über die Mieterberatung bis hin zum modernen Energiemanagement. Bei der werteorientierten Unternehmensführung stehen Professionalität, Transparenz, Integrität und Nachhaltigkeit im Vordergrund.
Hauptanliegen des Wohnungsunternehmens ist die Schaffung und Erhaltung bezahlbaren Wohnraums in Berlin für breite Bevölkerungsschichten. Es gilt dabei, einen sozioökonomischen Strukturwandel der Mieter innerhalb der Wohnviertel zu verhindern, was gerade im Zusammenhang mit notwendigen Sanierungen einiges an strategischer und wirtschaftlicher Planung abverlangt. Wichtige Eckpfeiler einer sozial orientierten Stadtentwicklung wurden im Mai 2012 von allen städtischen Wohnungsbaugesellschaften und dem Land Berlin durch das Bündnis für Soziale Wohnungspolitik und bezahlbare Mieten gesetzt.
Soziales Management spielt bei der Gewobag eine große Rolle. Dazu zählt die Bewohnerpartizipation durch verschiedene Maßnahmen in allen Belangen der Wohnraum- und Wohnumfeldverbesserung, aber auch die Planung gemeinschaftlicher Aktionen und Aktivitäten. Mit aktiver sozialer Quartiersentwicklung will das Unternehmen gute Nachbarschaften fördern und für zufriedene Mieter sorgen. So werden Investitionen in soziale Projekte getätigt, als Maßnahmen zur nachhaltigen Mieterbindung und zur Schaffung sozialer Stabilität in den Wohnvierteln.
Geschichte des Glaßbrennerblocks
Der Glaßbrennerblock wurde nach einer der vier karreebildenden Straßen benannt, die ihn einrahmen. Im Jahre 1929 entstand das Gebäudeensemble in geschlossener Blockrandbebauung. Diese für die Gründerzeit typische Art der Bebauung wird charakterisiert durch direkt an den Straßenraum grenzende Gebäudekanten und einen großzügigen, lichten Innenhofbereich, der durch die Baukörper von der Straße abgetrennt und lärmgeschützt ist.
Bauherr des Glaßbrennerblocks im nördlichen Prenzlauer Berg war die Gemeinnützige Aktiengesellschaft für Angestellten-Heimstätten, kurz Gagfah genannt, die auf die Wohnbedürfnisse der Mittelschicht reagieren und modernen Wohnraum für Angestellte schaffen wollte. Geplant wurde der Glaßbrennerblock von den Architekten Mebes & Emmerich, die bereits vor dem Ersten Weltkrieg als Vorreiter für den sozialen Wohnungsbau galten und deren Architektur durch die Klassische Moderne geprägt war.
Entstanden ist ein Gebäudeensemble nach den Vorgaben Le Corbusiers für helles und grünes Wohnen, mit dem der zur Verfügung stehende urbane Raum baulich komprimiert und effizient ausgenutzt wurde. Zugleich bietet der von der Bebauung umrahmte und geschützte Innenhof einen großzügigen grünen Außenraum mit besonderer Aufenthaltsqualität. Damals wie heute dient er als Treffpunkt für die Bewohner und bietet Raum für gemeinschaftliche Aktivitäten und Erholung. Die Architektur des Glaßbrennerblocks ist ein typisches Beispiel für eine sozial verantwortliche Bauweise, die das Wohl der Bewohner in den Mittelpunkt stellt.
In die Jahre gekommen
Die über 80-jährige Nutzung des im Jahr 1929 erbauten Gebäudeensembles hinterließ ihre Spuren, innen wie außen. Von zeitgemäßem Wohnen waren die Wohnungen des Glaßbrennerblocks weit entfernt. Viele der Wohnungen wurden mit einem Kohleofen beheizt. In punkto Wärmedämmung und Energieverbrauch ließ die Bausubstanz zu wünschen übrig. Der Energieausweis von 2008 deklarierte das Gebäudeensemble als reine Energieschleuder. Undichte alte Fenster entließen die Wärme nach draußen und sorgten für ein unbehagliches Raumklima. Außerdem waren sämtliche Leitungen in einem schlechten Zustand.
Auch von außen sah der Block ziemlich marode aus. Großflächig bröckelte der graue, verwitterte Putz von der Fassade ab, die im Sockelbereich zahlreiche Graffiti aufwies. Das Dach mit den alten Ziegeln und den vielen Schornsteinen war ebenso sanierungsbedürftig. Alles in allem herrschte dringender Handlungsbedarf, zumal 40 der rund 200 Wohnungen leer standen und zu befürchten war, dass im Laufe der nächsten Zeit immer mehr Bewohner das Gebäude verlassen würden. Die Gewobag beschloss, den Glaßbrennerblock im nördlichen Prenzlauer Berg von Grund auf zu sanieren und damit wiederzubeleben, um ihren Mietern neuen, modernen Wohnraum in einem geschichts – trächtigen Gebäudekomplex bieten zu können.
Milieuschutz sichert Bewohnerstruktur
Dabei konnte das Wohnungsunternehmen nicht völlig frei handeln und entscheiden, denn der Glaßbrennerblock steht unter Denkmalschutz und befindet sich zudem in einem Milieuschutzgebiet. Milieuschutz ist ein städtebauliches Instrument, das zur Erhaltung der Bevölkerungsstruktur in einem Stadtviertel dient und durch strikte Sanierungsvorgaben die Entscheidungsund Handlungsfähigkeit der Immobilieneigentümer zugunsten der Hausbewohner einschränkt.
Damit sollen sogenannte Luxussanierungen vermieden werden, die stark ansteigende Mieten zur Folge haben und damit die weniger betuchten Bewohner zum Verlassen ihres Quartiers zwingen würden. Es gibt keine Richtlinien für eine Luxussanierung. Was eine solche definiert, liegt im Ermessen der Gemeinden beziehungsweise der Bezirke. Das Prinzip ist einfach: Es sollen solche Maßnahmen verhindert werden, die eine überdurchschnittliche Mietsteigerung nach sich ziehen.
Ziel der Einrichtung von Milieuschutzgebieten, die auf Paragraf 172 des Baugesetzbuches (BauGB) beruhen, ist zum einen der Schutz der ansässigen Wohnbevölkerung vor Verdrängung. Zum anderen soll die städtebauliche und architektonische Struktur des Viertels erhalten bleiben. Die Gemeinden oder Bezirke entscheiden im Einzelfall, welche Gebiete und Anwohnerstrukturen besonders schutzbedürftig sind und zu Milieuschutzgebieten erklärt werden.
Die Berliner Bezirke versuchen, in besonders begehrten Wohnvierteln die angestammten Mieter zu halten, und setzen dort verstärkt auf Milieuschutz. Laut Stadtentwicklungsverwaltung gibt es derzeit 18 solcher Gebiete in Berlin. Die meisten sind in Pankow und Friedrichshain-Kreuzberg. Milieuschutz deckt sich mit der Unternehmensphilosophie der Gewobag, in deren Mittelpunkt der Mieter steht. Schließlich geht es dem Wohnungsunternehmen darum, preiswerten, modernen Wohnraum für breite Bevölkerungsschichten anzubieten und sein Portfolio darauf auszurichten.
Für die umfassende Sanierung des denkmalgeschützten Glaßbrennerblocks mit rund 200 Wohnungen wurde eigens ein öffentlich- rechtlicher Vertrag mit dem Bezirk Pankow geschlossen, der die sozialverträgliche Gestaltung der Sanierung regelt und die Bezahlbarkeit der Mieten für die Bewohner sichert. Für soziale Härtefälle wurden darin gesonderte Mietregelungen vereinbart. Es ist der erste Vertrag dieser Art zwischen dem Bezirk und der Gewobag.
Sanierung von Grund auf
Bereits ein dreiviertel Jahr vor dem Startschuss zu den Sanierungsmaßnahmen informierte die Gewobag ihre Mieter über die Abläufe und machte Vorschläge für Wohnungen, die während der Modernisierung bezogen werden konnten. Ein eigens eingerichtetes Mieterbüro stand den Bewohnern mit Rat und Tat in allen Fragen der Umzugsorganisation zur Seite.
Die Innensanierung erfolgte in zwei Abschnitten. Beide Blockhälften wurden im Zeitraum von jeweils acht Monaten im Innern umfassend modernisiert. Somit bot sich den Bewohnern die Option, in bereits sanierte Wohnungen innerhalb des Blocks umzuziehen, bis ihre eigenen vier Wände fertiggestellt waren.
Zu den wichtigsten Maßnahmen gehörte die Dämmung des gesamten Gebäudekomplexes. Zunächst erfolgten innen die Abdichtung des Kellermauerwerks und die Dämmung der Kellerdecke. Auf der obersten Geschossdecke wurde ebenso eine Wärmedämmung aufgebracht. Hof- und straßenseitige Fassaden sowie die Durchfahrten zum Innenhof erhielten Mineralfaserplatten, auf die anschließend ein Putz aufgebracht wurde. Als entscheidender Faktor bei der Dichtigkeit der Gebäudehülle wurden sämtliche Fenster unter die Lupe genommen. So erfolgte die Restaurierung zahlreicher Kastendoppelfenster und zum Teil der Austausch durch neue Fenster, die nach altem Vorbild gefertigt wurden.
Auf Wunsch der Denkmalschutzbehörde wurde die alte Dachdeckung durch eine neue hochwertige Biberschwanzdeckung ersetzt. In den 20er-Jahren war der flache, halb abgerundete Ziegel, der an einen Biberschwanz erinnert, auf vielen Dächern zu sehen. Nachdem auch sämtliche Schornsteine abgetragen wurden, ergab sich ein harmonisches, zum gesamten Ensemble passendes Bild.
Be- und Entwässerungsanlagen mussten komplett erneuert werden, genauso wie die Elektroinstallationen in allen Wohnungen, Treppenhäusern, im Dach sowie im Keller. Mit dem Einbau einer neuen zentralen Heizanlage konnte der ganze Block an das Fernwärmenetz angeschlossen werden. So ist die Versorgung mit umweltfreundlicher Wärme nachhaltig gesichert.
In den Wohnungen selbst wurde tapeziert, gestrichen, die alten Dielen abgeschliffen und neu versiegelt. Einige Mieter baten darum, den originalen, fugenlos gegossenen Terrazzoboden in der Küche behalten zu dürfen. In diesen Fällen arbeiteten Fachleute den Boden auf, während in den anderen Küchen Linoleum verlegt wurde. Sämtliche Bäder erhielten neue Fliesen und moderne Armaturen. Nicht nur die Wohnungen, auch die Treppenhäuser wurden instand gesetzt. Im Außenbereich erfolgten Reparaturen beschädigter Balkone sowie der meisten außenliegenden, insgesamt 25 Kellertreppen. Besonderes Augenmerk galt dem weiträumigen Innenhof, der nach der Sanierung als grüner Treffpunkt von den Mietern genutzt werden sollte. Er wurde nach historischem Vorbild gestaltet. Mit neu gepflasterten Wegen, sorgfältig ausgewählter Bepflanzung und einem Hochbeet bietet der Innenhof den Bewohnern eine Oase im Freien zur Erholung inmitten der Stadt.
Kompromisse durch Denkmalschutz
In die Bemühungen, aus dem Glaßbrennerblock ein energieeffizientes Gebäude zu machen, mussten auch die Belange des Denkmalschutzes miteinfließen, was zwangsläufig zu einigen Kompromissen führte. Dennoch fanden sich Lösungen, die alle Beteiligten zufriedenstellten und letztendlich ein Ergebnis brachten, das sich sehen lassen kann. Aus der ehemaligen Energieschleuder wurde ein Gebäude mit einem vorbildlichen Energieausweis alles im grünen Bereich, im wahrsten Sinne des Wortes.
Die Energiebilanz hätte durch weitere Maßnahmen zusätzlich optimiert werden können, die allerdings mit dem Denkmalschutz nicht vereinbar waren. So kam die Überlegung auf, eigenen Strom mittels einer, auf dem Dach angebrachten Photovoltaikanlage zu produzieren. Da die modernen Solarmodule das historische Bild des Gebäudes gestört hätten, kam diese Maßnahme nicht infrage. Auch war zunächst eine stärkere Wärmedämmung für die Fassaden geplant, was jedoch von der Denkmalschutzbehörde nicht genehmigt wurde, mit der Begründung, dass damit die Fassadengestaltung im Detail zu stark vom Original abweicht.
Andererseits wurden viele pragmatische Lösungen erlaubt, wie beispielweise das Vergrößern des Mülltonnenbereichs im Innenhof und die Anbringung neuer Fahrradständer. Alles in allem arbeiteten sämtliche Beteiligten Hand in Hand und wurden mit ihren Entscheidungen letztlich sowohl einer energieeffizienten Sanierung als auch dem Denkmalschutz gerecht, und das unter Berücksichtigung der Wünsche der Bewohner.
12-Millionen-Euro-Projekt
Rund 12 Millionen Euro nahm die Gewobag für das umfangreiche Projekt in die Hand. „Durch die energetische Modernisierung leisten wir einen wesentlichen Beitrag für den Klimaschutz und zur Energieeinsparung“, erklärt Gewobag-Vorstand Hendrik Jellema. „Außerdem war es uns sehr wichtig, die Schönheit des denkmalgeschützten Ensembles neu zur Geltung zu bringen. Für die Mieter strahlt der Glaßbrennerblock seit der Sanierung wieder von innen und außen – indem er die Vorteile von Alt und Jung in sich vereint“.
Wie erfolgreich das Projekt ist, zeigt sich schon allein in der Tatsache, dass nach der Modernisierung über 85 Prozent der alten Mieter dem Block treu blieben. Ehemals leerstehende Wohnungen sind vermietet. Für die Bestandsmieter beträgt die durchschnittliche Nettokaltmiete nach Sanierungsabschluss 4,71 Euro, im gesamten Gebäude beläuft sie sich auf 6,04 Euro.
Im Rahmen des Sanierungsabschlussfests überreichte Gewobag-Vorstand Hendrik Jellema jedem Mieter als Dank für das kooperative Miteinander, die Geduld und das Verständnis während der zweijährigen Sanierungsarbeiten das Buch „Der Glaßbrennerblock Geschichte und Modernisierung – 1929 bis 2012“, eine Dokumentation über den Gebäudekomplex, in der auch die Bewohner zu Wort kommen.
Die Gewobag schaffte mit der Revitalisierung des Glaßbrennerblocks den Spagat zwischen Denkmalschutz und energieeffizienter Modernisierung, ohne dabei ihr Ziel aus den Augen zu verlieren: die Schaffung von umwelt- und sozialverträglichem Wohnraum zu fairen Mieten in der Millionenmetropole Berlin.
Claudia Närdemann