Bundesbauministerin Klara Geywitz und die Bundesregierung mühen sich redlich, den am Boden liegenden Wohnungsbau wiederzubeleben. Dazu wurden in Abstimmung mit den Ländern eine ganze Reihe von Gesetzen geändert, um bürokratische Hürden abzubauen und zu restriktive Vorschriften zu entschärfen, damit wieder schneller und günstiger Wohnungen gebaut werden können.
Jetzt fordert ein Verbände-Bündnis, zu dem etwa Mieterbund, Deutscher Gewerkschaftsbund, Paritätischer Gesamtverband sowie Umwelthilfe und Naturschutzring gehören, den sogenannten Bau-Turbo zu streichen.
Dieses Vorhaben verschärfe bestehende Probleme und führe nicht dazu, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.
Wichtiger Bestandteil der Reform des Baugesetzbuches aus dem Haus von Bauministerin Geywitz ist der Paragraf 246e, der sogenannte Bau-Turbo. Er soll weitreichende Abweichungen von bestehenden Vorschriften ermöglichen, um den Wohnungsbau in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt zu erleichtern.
Das Bündnis kritisiert die Regelungen als kontraproduktiv. Weder seien klare Vorgaben zum Bau von Mietwohnungen oder zur sozialen Wohnraumförderung enthalten, noch würden Mietpreisbindungen oder Schutzmechanismen für Mieterinnen und Mieter gestärkt, erklärten die Organisationen gemeinsam. Stattdessen werde es einfacher, bestehende Regelungen für Milieuschutz zum Schutz vor Mietpreissteigerungen zu umgehen. Dies begünstige Verdrängungsprozesse in ohnehin angespannten Wohnungsmärkten und treibe die Mieten weiter in die Höhe.
Da wird also befürchtet, der Mieterschutz gehe verloren. Der wohnungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Bernhard Daldrup, sagte der Nachrichtenagentur AFP, die Kritik sei ohne „wirkliche Substanz“. Eine Kommune könne weiterhin festlegen, ob und in welchem Umfang in einem Gebiet mit angespannter Wohnungslage sozialer Wohnungsbau entsteht und ebenso auch städtebauliche Verträge abschließen. „Das alles wird nicht eingeschränkt. Entschieden wird in den Kommunen vor Ort.“ So wie dem SPD-Mann ging es mir beim Lesen der Pressemitteilung auch. Selten habe ich eine so dünne Argumentation gesehen. Da hat sich eine Koalition der selbsternannten Menschenfreunde gefunden, die jetzt den Untergang des Mieterschutzes in Deutschland gekommen sieht.
Es geht also um weiteren Protektionismus. Einen, der die wohnungsbesitzenden Mieter schützen soll. Aber wie hilfreich ist das? Gewerkschaftsbund, Mieterbund und Co. scheinen tatsächlich zu glauben, die Gesetze der Marktwirtschaft seien ausgerechnet auf dem Wohnungsmarkt außer Kraft. Zuletzt hatte man wohl in der DDR auf deutschem Boden versucht, dies zu tun – mit für alle sichtbar wenig Erfolg. Wir haben ein knappes Gut, nämlich Wohnungen in und um Metropolregionen. Dem Pestel-Institut zufolge fehlen in Deutschland allein 910.000 preisgebundene Wohnungen. Dazu kommen noch hunderttausende Wohnungen, die auf dem freien Wohnungsmarkt fehlen. Aber wer soll sie bauen?
Wo liegt die Lösung des Problems?
Schon Adam Smith wusste vor 300 Jahren, dass sich in einem freien Markt die Preise nach Angebot und Nachfrage richten. Wenn das Gut Wohnung knapp ist, werden demnach die Preise steigen, auch wenn sie durch Mieterschutzgesetze eingehegt sind. Wenn die Preise sinken oder zumindest nicht mehr steigen sollen, muss also das Angebot steigen, sprich gebaut werden. Was also macht man? Nach mehr Mieterschutz schreien. In Berlin hatte man vor gar nicht so langer Zeit sogar die interessante Idee, die Wohnungsunternehmen einfach zu enteignen. Die Älteren unter uns werden sich erinnern, wie erfolgreich das in der DDR war.
Und jetzt frage ich mich, wo diese Wohnungen herkommen sollen. Wer soll sie bauen und warum? Vom Himmel – da sind wir uns wohl einig – werden sie nicht fallen. Aber dazu äußern sie sich nicht, es scheint diesen Verbänden egal zu sein.
Also frage ich mich, wem dieser Versuch, den Fuß auf die Bremse zu stellen, wirklich nützt? Machen da vielleicht ein paar besserverdienende Verbands-Chefs Klientelpolitik getreu dem Motto „nach meinen Mitgliedern die Sintflut!“
Gewerkschaft, so wichtig sie in der Vergangenheit waren, stehen seit jeher für einen Protektionismus für das eigene Klientel. Manchmal hatte das absurde Züge. Man denke zurück an den Heizer, der auf Druck der UK-Gewerkschaften auf der E-Lok mitfahren durfte. Ohne Arbeit bei vollem Lohnausgleich. Das kann man machen, es wird aber das Problem nicht lösen, dass Heizer in einer Welt ohne Dampflokomotive nicht mehr gebraucht werden.
Ich bin sowenig ein großer Fan der Ampel, wie ich ein Fan von Telenovelas bin. Das ist mir alles zu viel Drama innerhalb der Koalition. Ich mag es ruhiger, stabiler und gelassener. Und bei aller sicherlich berechtigten Kritik an der Koalition muss ich konstatieren: Der Bau-Turbo im Verbund mit den weiteren dazugehörigen Gesetzesänderungen ist der mutigste und nötigste Schritt, den seit Jahrzehnten eine Bundesregierung gewagt hat. Klar, die Not ist groß. Und dennoch braucht es Menschen, die die Verantwortung übernehmen und den Karren aus dem Dreck ziehen wollen. Und der Wille ist unverkennbar da.
Der letzte Bauminister vor Klara Geywitz, wer kennt ihn noch? Oskar Schneider bekleidete sein Amt bis 1992. Danach hatte Kanzler Kohl das Ministerium abgeschafft. Genauso hielten es acht Jahre lang Gerhard Schröder und doppelt so lange Angela Merkel. Das sind fast 30 Jahre Vernachlässigung und Stillstand beim Wohnugsbau. Die Folgen sind bekannt. Heute kann es nur darum gehen, alle Anstrengungen zu unternehmen, damit wieder mehr gebaut wird. Deshalb muss der Bau-Turbo gezündet werden.
Jörg Bleyhl